Kapitel 40 - Die wahren Teufel

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Wo seid ihr gerade, während ihr das lest? :)

Niall verschwindet im Bad und ich sehe zu Harry, der mich ansieht. „Du hast ja doch lustige Freunde", sage ich schmunzelnd.

„So was findest du lustig?", fragt er spottend. „Niall ist einfach nur ein kranker Bastard."

„Aber er scheint dich zu mögen, also ... Okay, dann muss er wohl ganz schön krank sein." Genauso spottend, wie er mich angesehen hat, sehe ich ihn jetzt an.

Harrys Mundwinkel zuckt und er sieht auf Diabo, der sich vor seine Füße legt. „Du fängst an dich zu wehren, es wird Zeit dich nach Hause zu fahren."

Sofort verschwindet meine bisher gute Laune. „Nach Hause?", frage ich und versuche mir meine Enttäuschung nicht anzusehen.

„Dachtest du, du kannst noch eine Nacht bleiben? Das war eine Ausnahme."

Ich seufze. Natürlich war es nur eine Ausnahme. Bei Harry ist alles immer nur eine Ausnahme. Doch eigentlich kann ich mich glücklich schätzen, dass er mich schon freiwillig nach Hause fährt. „Ich will noch nicht gehen", gebe ich leise zu und sehe auf meine Finger. „Meine Eltern werden stinksauer auf mich sein."

„Früher oder später wirst du sowieso wieder gehen müssen und außerdem muss ich heute Mittag wegfahren und nochmal allein lasse ich dich nicht hier. Du kannst nicht bleiben."

Traurig nicke ich. Theoretisch hat er Recht. Früher oder später muss ich wieder nach Hause und ob es jetzt ist oder heute Abend, macht auch keinen Unterschied. Meine Eltern werden sauer sein und das nicht zu wenig, vor allem weil sie sich wahrscheinlich denken können, dass ich bei Harry übernachtet habe. Jetzt bin ich froh, dass ich nächste Woche nochmal im Hotel arbeiten muss, so hänge ich nicht ständig Zuhause in ihrer Nähe und muss mir ihre enttäuschten Gesichter angucken. „Aber du müsstest mich zur Kirche fahren", sage ich bedrückt.

„Zur Kirche?"

„Ja ... Es ist Sonntagmorgen, da gehen wir immer in die Kirche. Und ich habe keinen Schlüssel dabei, deswegen muss ich sie dort abfangen."

„Wenn's sein muss", murrt er und steht auf.

Niall betritt wieder den Raum und sieht uns verwirrt an, als ich aufstehe. „Was ist hier los? Ist die Party schon vorbei?"

„Ja", sagt Harry. „Und du wirst jetzt auch verschwinden."

„Fährst du mich? Ich hab kein Bock-''

„Nein, ich fahre Honor."

„Ah", macht Niall wissend. „Natürlich, die hübschen Mädchen gehen vor."

Harry verdreht die Augen und verschwindet im Flur.

„War nett dich kennenzulernen", sagt Niall jetzt lächelnd zu mir, während ich meine Jacke anziehe. Er kommt auf mich zu und drückt mich, was mich aufkeuchen lässt. Er drückt mich lang. Als würde er mir für etwas danken. Leicht lässt er mich los, damit er mich ansehen kann. „Ich bin mir sicher, wir werden uns öfter sehen."

Ich winde mich aus seiner Umarmung und lächle schüchtern zurück. „Ähm, vielleicht ... Ich hoffe es." Nicht nur, weil ich ihn wiedersehen will, sondern weil ich hoffe, dass ich ihn durch Harry wiedersehen kann.

Er zwinkert mir zu. „Da bin ich mir sicher, du blonder Engel."


Harry fährt auf den großen Parkplatz der Kirche und ein mulmiges Gefühl macht sich breit, als ich von dem Motorrad absteige. Gleich werde ich Mama und Papa wiedersehen und kann mir eine Standpauke anhören, die sich gewaschen hat. Ich hoffe zumindest, dass sie hier sind. Sie würden normalerweise nie ihren Kirchgang für irgendetwas sausen lassen.

„So", sage ich seufzend zu Harry, als ich vor ihm stehe und er den Motor abschaltet. Ich gebe ihm den Helm zurück, den er mir wieder zur Verfügung gestellt hat. Netterweise.

Er nimmt ihn und sieht mit undefinierbarem Blick zur Kirche.

„Du könntest mit reinkommen", schlage ich vor. „Dann wäre ich nicht so ... allein." Ich will ihn einfach nur wieder wie meinen Beschützer an meiner Seite haben, wenn meine Eltern mich anmeckern.

„Lieber nicht", erwidert er, sein Blick noch immer auf die große Kirche gerichtet.

„Wieso? Drinnen ist es warm."

Er schüttelt den Kopf. „Nein." Jetzt sieht er mich an und sein rechter Mundwinkel hebt sich wieder so gehässig. „Nicht dass ich in Flammen aufgehe, wenn ich über die Schwelle trete."

Ich runzle die Stirn. „Wieso solltest du – Ah, verstehe. Weißt du, nur die wahren Teufel gehen in Flammen auf, wenn sie die Kirche betreten."

„Leg es besser nicht drauf an." Er zieht sich den Helm über und startet den Motor seines Motorrads, lässt es einmal laut aufheulen.

Ich will nicht, dass er geht. Deprimiert stehe ich dort und sehe zu, wie er davon fährt. Der Luftzug hat meine Haare zum Fliegen gebracht, weshalb ich sie hinter mein Ohr streichen muss. Gott, wie verloren bin ich eigentlich schon? Ich komme nicht drum rum zu denken, dass jetzt etwas fehlt, wenn er nicht da ist. Umso mehr Zeit ich mit ihm verbringe, umso süchtiger werde ich nach ihm. Das ist ungesund, sehr ungesund, doch ich kann nicht aufhören. Er reizt mich einfach auf so verschiedene Art und Weisen. Er ist interessant in allen Fassetten, ich kann mir nicht vorstellen, je genug davon zu bekommen, egal wie merkwürdig es klingen mag.

Doch umso mehr ich mich nach ihm sehne, umso gefährlicher wird es auch für mich. Meine Eltern werden das nicht akzeptieren, sie tun es ja jetzt schon nicht. Sogar mein Vater ist ausgeflippt, der sich bei so Sachen normalerweise raushält. Wieder diese Fragen, diese gottverdammten Fragen.

Mal davon abgesehen, dass Harry vielleicht etwas ungehobelt ist, gehen sie mit ihm um, als wäre er ein Monster. Warum tun sie das? Es muss eine Antwort darauf geben, ich bin mir sicher. Und ich bin mir sicher, dass ich die Antwort finden werde. Ich muss es einfach.

Schließlich gehe ich seufzend in zur Kirche und öffne die riesige Holztür. Viele Leute sitzen schweigend in der Kirche, während der Pfarrer spricht. Unwohl laufe ich durch die Mitte der Bänke und bin mir gleichzeitig sicher, dass mich die Leute anstarren. Ich muss scheußlich aussehen. Ich habe in meinen Klamotten geschlafen, meine Haare sind ungekämmt und gut riechen tue ich wahrscheinlich auch nicht. Wieso müssen meine Eltern auch immer ganz vorne in der Kirche sitzen?

Ich komme ganz vorne an und quetsche mich an ein paar Leuten vorbei zu meiner Familie und zu Zacharys Familie. Zachary sieht mich mit verdutztem Blick an. Ich setze mich neben ihn, ganz an den Rand, damit ich meinen Eltern noch nicht zu nahe komme.

Er sieht zu mir und mustert mich von oben bis unten. Dann dreht er sich wieder nach vorne. „Du bist so was von im Arsch", flüstert er mir leise zu.

Ich seufze. „Ich weiß."


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