Kapitel 36 - Ohne Charme

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Sorry, für das kurze Kapitel, war heute bisschen im Stress

Ich sehe ihn an. Sein Blick so durcheinander, als würde er selbst nicht verstehen, was er gerade gesagt hat.

Er hat das Gefühl, er müsste mir helfen?

Doch ich vergesse für einen kurzen Moment, wie Harry eigentlich ist, sondern danke ihm mit einem leichten Lächeln dafür, dass er es getan hat. Doch eines bleibt mir noch im Hinterkopf. „Mein Vater", sage ich und verziehe nachdenklich den Mund. „Er hat dich als Mörder beschimpft."

Harry zuckt nur mit einer Schulter. Ein gleichgültiger Ausdruck liegt wieder in seinem Gesicht. „Mir wurden schon oft Dinge an den Kopf geworfen, die absoluter Bullshit waren."

Ich runzle die Stirn. Das stimmt. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass selbst damals in der Grundschule, Harry alles in die Schuhe geschoben wurde. Doch er hat sich nie dagegen gewehrt. „Und das lässt du einfach zu?", frage ich ihn deshalb.

„Man gewöhnt sich dran."

Ich schüttle mit dem Kopf. „Nein, das ist falsch."

Er runzelt die Stirn.

„Früher hast du das schon immer zugelassen, du kannst doch nicht - Bist du es nicht irgendwann satt, dass alle Menschen denken, du seist ein schlechter Mensch?"

Jetzt hebt eine Braue, dazu verzieht sich sein Mund zu einem ironischen Lächeln. „Hatten wir das nicht schon? Ich bin ein schlechter Mensch."

„Das glaube ich dir nicht. Ein schlechter Mensch hätte mir in einer Situation wie eben gerade nicht geholfen."

Harrys Miene wird ernster, beinahe wütend. „Hör auf so eine Scheiße zu labern. Ich kann es dir gerne beweisen und dich rausschmeißen, damit du in der Käte erfrierst."

Ich kneife die Augen zusammen. „Tu es doch", sporne ich ihn an, weiß aber ganz genau, dass er es nicht tun würde. Vor drei Wochen hätte ich es ihm noch zugetraut, doch jetzt nicht mehr.

Angespannt presst er die Lippen aufeinander und ich sehe, dass er einen inneren Kampf ausführt. Seine Fäuste sind geballt und er sieht auf den Tisch vor der Couch. Ruckartig steht er auf und geht zu dem kleinen Balkon. Aggressiv öffnet er die Balkontür und tritt nach draußen. Mit einem lauten Knall schmeißt er sie hinter sich zu, was Diabo und mich aufschrecken lässt. Von drinnen kann ich sehen, wie er sich eine Zigarette anzündet und über die vielen Dächer durch die Dunkelheit blickt.

Seufzend sehe ich zu Diabo. Dass Harry mir nicht viel Trost spenden würde, war mir klar, aber dass er gleich so ausrastet, nur weil ich Tatsachen ausspreche, die ihm vielleicht nicht gefallen, hätte ich nicht erwartet. Er ist kein schlechter Mensch, das weiß ich und er weiß es auch. Ganz tief in sich drin. Für ihn scheint das etwas Schlechtes zu sein, wieso ist das so? Will er, dass die Leute schlecht von ihm denken?

Ich ziehe mir endlich meine dicke Jacke aus, weil es mittlerweile sogar in seiner Wohnung warm geworden ist und lege sie ordentlich zur Seite. Die Decke ziehe ich mir wieder bis über die Knie und betrachte das Zimmer. Es hat wirklich keinen Charme. Es stehen keine Bücher oder Musik in den Regalen, keine Bilder, wirklich rein gar nichts. Es sind einfach nur halb zerstörte Regale, wenn überhaupt welche vorhanden sind. Kurz überlege ich, einfach mal in Harrys Schlafzimmer zu gehen, doch das sollte ich nicht riskieren. Harry ist wieder zu angespannt, ich bin mir sicher, es würde ihm nicht gefallen, wenn ich in seinen Sachen rumwühle.

Ich gähne. Da hier keine Uhr ist, muss ich die Uhrzeit schätzen. Draußen ist es schon komplett dunkel, deswegen schätze ich mal, dass es nach neun Uhr ist. Zum Glück ist heute Samstag, das bedeutet morgen muss ich nicht arbeiten. Und Harry auch nicht. Ich frage mich, was er eigentlich für heute Abend geplant hatte. Lässt er wirklich seine Pläne für mich sausen?

Diabos Kopf schreckt hoch, weil sich die Balkontür wieder öffnet und Harry wieder ins Apartment tritt. Er sieht nicht weniger beruhigt aus, als vorhin, doch jetzt rieche ich sofort wieder diesen abscheulichen Zigarettengeruch.

„Wieder beruhigt?", frage ich ihn.

„Nein", murrt er und nimmt sich seine Jacke von der Couch. „Diabo, komm her."

Sofort springt sein Hund auf und geht zu ihm.

„Wirst du gehen?" Ich will nicht allein hier sein. Wenigstens Diabo könnte er mir doch lassen.

„Ja", sagt er und zieht sich seine Jacke über mit Kapuze. „Du kannst hier bleiben oder verschwinden, mir scheiß egal. Ich werde die Tür verriegeln, deswegen würde ich mich schnell entscheiden."

„Äh", mache ich etwas überfordert. „Ich würde gerne bleiben."

Er nickt und geht zur Tür, ohne sich zu verabschieden. Ich höre noch, wie er die Tür zuknallt und sie von außen verriegelt. Ob er ein extra Schloss hat? Ich habe nie eins gesehen.

Jetzt bin ich allein in dieser schäbigen Wohnung und starre auf den kaputten Fernseher. Ihn scheint es nicht interessiert zu haben, dass er kaputt ist. Ich kann mir sowieso nicht vorstellen, dass er viel Zeit hier verbringt. Niemand würde gerne oft und lange hier bleiben.

Ich lege meinen Kopf auf die Lehne der Couch und strecke meine Beine aus. Die Decke ziehe ich mir bis zum Kinn und hoffe, dass in dieser Gegend wirklich keine Räuber umherlaufen. Gleichzeitig bete ich, dass Harry nicht lange weg sein wird. Es beängstigt mich, hier ohne ihn zu sein.

Schließlich lasse ich mich in meiner Erschöpfung komplett fallen und schließe die Augen.


Remember His StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt