12: Verbrannt

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"Du...du hast doch nicht gerade ernsthaft die Prophezeiung ins Feuer geworfen, oder?"
Jake zuckte mit den Schultern und nickte dann. Aus irgendeinem Grund hätte ich ihn gerne gepackt, geschüttelt und ebenfalls ins Feuer geworfen. Andererseits fühlte ich mich jedoch auch eigenartig erleichtert, diesen blöden lateinischen Text endlich los geworden zu sein.
"Und warum genau hast du das gemacht?"
"Weil ich deinen Rat befolgt habe"
"Das ist schlechteste Ausrede, die ich je gehört habe. Und glaub mir, ich kenn mich da aus..."
"Manche Sachen verbrennt man lieber, als das Risiko einzugehen, dass jemand davon erfährt. Oder noch schlimmer: Das sie sich bewahrheiten"
Das war zu philosophisch um etwas Gutes zu bedeuten... Mist. Er hatte doch die Hand zur Faust geballt gehabt, als er mein Zimmer gestern in dem pinken Bademantel verlassen hatte...
Ich seuftzte.
"Weißt du, es wäre wirklich ganz angenehm, wenn du zu Abwechslung einmal etwas vollkommen Nachvollziehbars, etwas was in mir keine Mordgedanken auslöst, tun würdest..."
Er lachte auf.
"Das wäre doch langweilig, oder?"
"Gegen ein bisschen Langeweile hätte ich nichts einzuwenden"
"Ich ehrlich gesagt auch nicht"
Für eine Weile sahen wir uns schweigend an. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Stirn. Hier drinnen war es wärmer als im Backofen der Hölle!
"Jake, du hast dieses Feuer angemacht, du bist auch dafür verantwortlich, dass es wieder ausgeht"
Er nickte.
"Danke"
"Wofür? Dafür, dass ich mir hier die Seele aus dem Leib schwitze?"
"Dafür, dass du mich nicht weiter aus fragst. Ich hatte mich eigentlich schon auf eine lange und nervige Diskussion eingestellt..."
"...freundlich wie immer, unser Jake..."
"...aber offensichtlich akzeptierst du endlich, dass ich meine kleinen Geheimnisse habe"
Und schon nagte wieder mein schlechtes Gewissen an mir. Andererseits war ich es nicht gewesen, die gestern in einem pinken Bademantel mitten in Jakes Zimmer gestanden hatte...

Ich half Jake die Flammen zu löschen. Naja, zumindest versuchte ich es.
"Geh einmal einen Schritt zur Seite"
Ich konnte ein bisschen Training in Beherrsche das Feuer ohne die halbe Welt in Brand zu setzten immerhin gut gebrauchen.
"Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist..."
Er machte mir trotzdem Platz.
"Geh aus!"
Selbstbewusst deutete ich mit meinem Finger auf die Flammen. Ein Holzscheit fiel um und sprühte Funken. Das war das Einzige, was passierte und selbst dabei hatte ich nicht den Eindruck, dass es wirklich etwas mit mir zu tun hatte.
"Vielleicht musst du nur etwas netter sei "
Jakes Gesicht war toternst, aber seine Augen funkelten amüsiert.
Ich ließ die Hand sinken. Das war der Moment, indem ich beschloss, dass das Feuer eindeutig Jakes Sache war.
"Mach es doch besser"
"Was?"
"Das Feuer löschen"
Er starrte in die Flammen.
"Vielleicht lass ich es noch eine Weile an"
"Bist du wahnsinnig? Hier drinnen ist es jetzt schon wärmer, als in jeder Sauna"
"Ich seh dem Holz gerne beim verbrennen zu"
"Aber doch nicht im Sommer"
"Wenn dich das Feuer stört, dann mach es doch aus. Ach stimmt, dass kannst du ja nicht"
"Du willst dich anscheinend unbedingt streiten..."
Er antworte (mal wieder) nicht und ich seuftzte. Dieser Junge war ein einziges riesiges Rätsel und gerade als ich gedacht hatte, ich hätte es gelöst, hatte ich erkennen müssen, dass ich nicht einmal einen Bruchteil davon verstand.

Vorsichtig fuhr ich mit dem Bleistift über die halb vergilbten Seiten des Buches. Das ich damit wahrscheinlich gerade ein unbezahlbares Dokument zerstörte war mit egal, immerhin hatte Jake gerade ein paar Seiten aus diesem Buch verbrannt. Frustriert hielt ich den Stift an. Im Fernsehen sah das immer ganz leicht aus: Ein oberschlauer Polizist fuhr mit einem Bleistift über den Notizblock und schon waren die verlorenen Notizen wieder hergestellt. Und der Mörder meistens auch noch überführt. So einfach funktionierte das bei mir leider nicht. Was eigentlich ja auch vollkommen logisch war, der gedruckte Text hatte sich ja gar nicht abdrücken können. Ganz im Gegenteil zu Jakes Randnotizen, auf die ich jedoch auch gut und gerne hätte verzichten können. Noch eine Sache, zu der ich offensichtlich überhaupt kein Talent hatte: Fernsehdetektive kopieren. Egal, ein Versuch war es wert gewesen...

Ich betrachtete den Stift, nahm ihn in die Hand und drehte ihn hin und her. Schließlich nahm ich ihn und warf ihn, wie einen Speer gegen meinen Fensterrahmen. Er prallte daran ab, fiel auf den Boden und die Miene brach heraus. Noch während ich darüber nachdachte, warum ich das jetzt getan hatte (und wo ich einen neuen Bleistift her bekommen konnte...) klopfte etwas gegen das Fenster. Angestrengt starrte ich in den immer noch regengrauen Himmel. Hatte ich mir das eingebildet? Oder war das ein verirrter und etwas desorientierter Vogel gewesen?

Ich schielte aus dem Fenster mach unten und stellte fest, dass besagter schräger Vogel knapp unter meinem Fenster in der Luft schwebte und mich mit schelmisch glänzenden Augen angrinste. In seiner Hand hielt Phil ein paar glänzen, runde Kiesel. Er flog ein wenig höher, so dass er jetzt auf Augehöhe mit mir war. Ich öffnete das Fenster
"Ich hab Steine an dein Scheibe geworfen. Genauso wie es wahre Helden tun..."
"Die meisten fliegen dann aber nicht erst zum Fenster hoch"
"Du musst zugeben, mit dem Fliegen hat das viel mehr Klasse"

Fast wie selbstverständlich kletterte er in mein Zimmer. Er grinste immer noch. Das dichte blonde Haar klebte vom Regen noch nass am Kopf.
"Wow, du bist nass"
Er lachte.
"Ja, so etwas soll vorkommen, wenn man durch den Regen fliegt"
"Aber... naja... hast du keine Angst vor dem Wasser"
Er zog die Augenbrauen hoch.
"Ich hab Angst vor dem Ertrinken, Sternchen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Hätte ich generell Angst vor Wasser, könnte ich ja niemals duschen und... kürzen wir es so ab: Ich würde eindeutig anders riechen"
"Du riechst auch so nicht gerade prickelnd"
"Wenn du damit sagen willst, dass ich rieche als hätte man mich einmal durch einen Misthaufen gezogen, würde ich dir raten einmal zu einem Nasenartz zu gehe...."
"Deine Haare"
Er legte den Kopf schief.
"Meine Haare?", echote er, während ich das Fenster wieder schloss.
"Deine Haare stinken nach nassem Hund"
"Das ist komisch, soweit ich weiß bin ich kein Hund. Und außerdem dusche ich oft genug. Auch wenn du bis jetzt gedacht hast, ich würde mich mithilfe uralter Voodoomagie sauber zaubern..."
"Ist schon in Ordnung. Ich mag nasse Hunde"
"Weil du dich selbst wie ein begossener Pudel fühlst?"
Wo hatte er nur immer diese schlechten Witze her...?

"Was machst du hier? Du bist doch bestimmt nicht einfach durch die Gegend geflogen und hast dir gedacht weil es ja schüttet wie aus Eimern und ich so oder so nichts besseres zu tun habe, flieg ich mal zu Sternchen und werf Steine an ihr Fenster"
Er sagte für einige Zeit nichts.
"Doch. Ehrlich gesagt, war es genauso"
Ich verdrehte die Augen. Diese Antwort war wirklich typisch Phil. Der übrigens gar nicht so sehr nach nassem Hund stank. Er roch eher nach...Stopp. Wieder einmal hätte gerne meinen Kopf gegen meine eine Wand gehauen um die Gedanken die sich in meinen Kopf schleichen wollten auf zu halten. Was war nur los mit mir? Das Duschgel. Phils blöde Duschgel. Ich war wahrscheinlich wirklich allergisch darauf.

"Würde es dir etwas ausmachen, ein anderes Duschgel zu benutzten?"
"Was? Wie kommst du denn darauf?"
"Ich weiß auch nicht..."
Sein Blick fiel auf meinen Schreibtisch, auf dem immer noch aufgeschlagen das unbezahlbare Buch lag, was Jake und ich gemeinschaftlich zerstört hatte.
"Du hast ja die halbe Seite schraffiert... Jake wird dich umbringen"
"Das glaube ich eher nicht. Er hat angefangen"
Anklagend hob ich das Buch hob.
"Siehst du? Er hat die Seiten mit der Prophezeiung herausgerissen. Und verbrannt"
"Was?"
Phils graue Augen weiteten sich erschrocken.
"Hat er jetzt entgültig den Verstand verloren"
"Anscheinend..."
Phil wandte sich zur Tür.
"Und wo ist er jetzt?"
"Woher soll ich das denn wissen? Lass ihn doch, wenn er meint, die Prophezeite verbrennen zu müssen, dann hat er sicherlich seine Gründe. Du bist weder für das, was er macht verantwortlich, noch sein Schutzengel..."
Ich stockte weil "Engel" perfekt und gleichzeitig überhaupt nicht zu Phil passte. Das war der Moment, indem ich realisierte, was ich eigentlich längst wusste. Das alles lag nicht an Phils Duschgel. Oh Nein... Ich hatte mich in meinen besten Freund verknallt. So ein Mist.

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum