15: Graue Welt

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"Und das ist das Moment, indem ich mich umdrehe, gehen und dich mit deinem Größenwahn alleine lassen. Tschüss, schönen Tag noch"
Er hielt mich am Arm fest.
"Warte. Ich meine das erst. Willst du denn gar nicht wissen, wer deine Eltern sind? Oder woher du kommst?"
"Nein. Nein, will ich nicht"
Kaum hatten diese Worte meinen Mund verlassen, da wusste ich auch schon, dass es eine faustdicke Lüge war. Natürlich wollte ich das wissen. Allerdings hatte ich einfach noch mehr Angst davor. Ich musste an Jake denken und an den Ausdruck in seinem Gesicht, als er die Buchseiten ins Feuer geworfen. Ich hatte das Gefühl ihn plötzlich verstehen zu können: Manche Geheimnisse sollten vielleicht gar nicht aufgedeckt werde.
Aiden sah enttäuscht aus, versuchte aber nicht mich zu über reden, was ich ziemlich überraschend fand.
"Okay, dass ist... naja. Egal..."
Ich verstand nicht, warum er ein so großes Interesse daran hatte. Vielleicht spielte er einfach gerne Detektiv.

"Nur noch eine Sache..."
Okay, vielleicht hatte ich diesen Gesichtsausdruck etwas falsch interpretiert. Er war nicht enttäuscht. Er hatte einfach ein schlechtes Gewissen.
"Wenn ich dieses Medaillion, ganz aus versehen natürlich, schon haben würde..."
Er hob den Zeigefinger, wahrscheinlich um zu unterstreichen, dass er jetzt nur im Konjunktiv sprach.
"Nicht, dass es so wäre, aber angenommes es wäre so... wärst du dann sehr wütend auf mich?"
Ich seufzte und verdrehte die Augen.
"Das kann nicht dein Ernst sein! Bist du wirklich in mein Zimmer eingebrochen und hast meine Kette geklaut?"
"Wenn du das so formulierst klingt es viel furchtbarer, als es tatsächlich war"
"Du bist ein komischer Mensch"
"Danke für das Kompliment"
"Ich meine das ernst. Du bist irgendwie... schwer einzuschätzen. Wenn es dir so wichtig ist, kannst du die Kette haben. Eigentlich kann es mir egal sein"
Und dann ging ich einfach.

Es wäre gelogen zu sagen, dass mich die Sache mit dem Feuer nicht unheimlich stolz machte. Immerhin hatte ich es gerade geschafft, eines der vier Elemente (fast) fehlerfrei zu beherrschen etwas, auf dass ich mir, meiner Meinung nach, wirklich etwas einbilden konnte. Aiden und sein eindeutig größenwahnsinniger Plan meine Eltern zu finden, verpassten diesem darauf folgendem Hochgefühl jedoch einen leichten Dämpfer. Vielleicht war es auch ein etwas größerer Dämpfer. Nein, eigentlich versaute mir allein die Vorstellung, daran, dass er wirklich etwas finden könnte den ganzen Tag...

Es regnete nicht mehr, doch der Himmel war immer noch mit schweren Wolken behangen. Ich saß an meinem Schreibtisch, starrte hinaus und überlegte, ob ich den Fensterrahmen in Brand stecken konnte. Wahrscheinlich. Es würde zwar wenig Sinn ergeben, aber ich könnte es tun. Alleine das zu wissen war schon fast beängstigend... Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ohne eine genaue Idee zu haben, was zu tun wat, stand ich auf und öffnete meinen Kleiderschrank. Als ich das letzte mal versuchte hatte laufen zu gehen, war Phil dabei gewesen. Es hatte er nicht wirklich Spaß gemacht, eigentlich hatte ich mich die ganze Zeit gefühlt, als würden meine Beine in einem Schraubstock stecken, aber vielleicht war genau so etwas, dass was ich jetzt brauchte. Den ganzen Tag in meinem Zimmer sitzen und über brennende Fensterrahmen nachdenken, konnte ich auf jeden Fall nicht, dass machte mich verrückt, ich musste mich bewegen. Es war, als hätte das heraufbeschworen Feuer in mir eine Energie hinterlassen, die jetzt genutzt werden musste, bevor ich von innen heraus verbrannte. Vernünftige Sportsachen besaß ich nicht, aber irgendwo aus den Tiefen meines Kleiderschrankes fischte ich eine Jogginganzug, die ich mir wahrscheinlich irgendwann für den Schulsport zugelegt hatte. Ich hatte so oder so nicht vor lange zu laufen. Dazu hatte ich schließlich überhaupt nicht die Kondition. In spätestens einer Stunde würde ich zurück sein. Hoffentlich...

Das kein Regen nicht unbedingt strahlender Sonnenschein bedeuten muss, hätte ich vielleicht etwas früher einplanen sollen. Die dichte Wolkendecke ließ das Licht und die Wärme nicht zu mir durch. Der über allem liegende Schatten ließ mich an den Thriller von Stephen King denken, inder eine ganze Stadt unter einer Kuppel eingeschlossen wurde. Absolut gruselig.

Irgendwann fing es wieder an zu regnen. Es war, als wolle der Himmel noch unbedingt heute, all seine Wasservorräte los werden. Ich blieb stehen und blickte himmelwärts. Die kalten Tropfen kühlten mein Gesicht, was nach dem, für meine Verhältnisse ziemlich langem Lauf recht angenehm war. Gerade fragte ich mich, ob ich wohl irgendwann in der Lage sein würde, vollkommen trocken durch strömenden Regen zu laufen, als sich jemand hinter mir räusperte.

"Ich hasse dieses Wetter"
Elizabeth blickte mich direkt an.
"Es ist so...nass"
"Mit Nässe solltest gerade du dich bestens auskennen"
Sie verdrehte die Augen.
"Ich dachte über solche billigen Witze wären wir längst hinweg"
"Ich dachte über Berechnungen im strömenden Regen wären wir längst hinweg"
Darauf schien ihr nichts mehr einzufallen. Ha! Da war ich wohl einfach gewesen...

"Ich hab heute Geburtstag"
Und wieder eine neue vollkommen sinnlose Informationen, die ich von einer vollkommen sinnlose Person in einer vollkommen sinnlosen Situation erhielt. Darauf hätte ich verzichten können...
"Toll"
"Ich werde siebzehn"
"Wow"
"Du könntest mir wenigstens gratulieren"

Sie kam einige Schritte auf mich zu und neidische stellte ich fest, dass sie tatsächlich nicht nass wurde.
"Ich gratuliere grundsätzlich keinen Leuten, die der Gegenspieler meiner besten Freundin sind. Du kannst mir nicht erzählen, dass du nur hier bist, weil du Geburtstag hast. Dass glaube ich dir nicht, soviel haben wir nicht miteinander zu tun. Ich kenn ja nicht einmal mehr deinen Nachnamen..."
"Spencer"
"So war das nicht gemeint! Was willst du von mir?"
Sie seufzte.
"Eigentlich hatte ich nicht vor gehabt, das so direkt zu sagen. Aber ich brauche etwas von dir"
"Und wie kommst du auf die Idee ich würde dir etwas geben? Brauchst du Jahrmarktsorakel etwa mein Blut um einen Geist zu beschwören?"
"Nein, ich dachte mir nur, du könntest mir die Prophezeiung geben. Als Geburtstagsgeschenk so zusagen Ich... brauche sie. Es ist wirklich wichtig. Und Jake redet ja nicht mehr mit mir..."
"Kann ich verstehen"
"Du bekommst sie auch zurück, versprochen"
"Leider traue ich wieder dir noch deinen Versprechen"
Elizabeth verdrehte die Augen, während ich versuchte mir wirklichst würdevoll eine meiner dunklen, nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen.
"Unglaublich, du trauchst mir wirklich überhaupt nicht. Nicht dass kleinste bisschen"
"Warum sollte ich auch?"
"Nur um dich noch einmal daran zu erinnern, Alec hat dich versucht dich zu verbrennen. Nicht ich"
"Weil du keine Gelegenheit dazu hattest"
"Du hälst mich wirklich für das furchtbarste Miststück, dass je auf diesem Planeten wandelt oder?"
"wenn du es so genau wissen willst: Ja"

Obwohl ich Elizabeth auch nicht vertraut hätte, wenn sie etwas netter gewesen wäre. Ich wusste schließlich gar nichts über sie. Zumindest nichts, was nicht total abgedreht und komisch war. Abgesehen davon existierte die Prophezeiung überhaupt nicht mehr. Obwohl ich ihr das natürlich nicht auf die Nase binden würde...
"Hast du vielleicht auch einmal daran gedacht, dass ich vielleicht überhaupt nicht so schlimm bin?"

"Ja, in den ersten drei Sekunden unsere Bekanntschaft, bevor du mir etwas über wir Schatten müssen zusammenhalten wenn wir die Weltherrschaft über nehmen wollen erzählt hast"
"So etwas habe ich nie gesagt"
"Das macht doch keinen Unterschied"
"Du hälst mich also nicht für von Grund auf Böse?"
Diese Mädchen war anstrengend. Und verrückt. Nur verrückte suchen ihre eigentlich Feinde auf, um sie erst um einen Gefallen zu bitten und sich dann auf eine Grundsatz Diskussion einzulassen. Einfach verrückt.
Ich verdrehte die Augen.
"Das habe ich nie gesagt"
"Dann macht es auch keinen Unterschied. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, nicht gut oder böse. Sie ist grau. Ungefähr so wie der Himmel im Moment"
"Denkst du wenn du mir mit einer hübschen Metapher kommst, gebe ich dir was du willst?"
"Nein, ich denke du verstehst nicht, dass niemand von uns nur gut oder nur böse oder überhaupt eines von beiden"
"Wenn du mir nach gelaufen bist, nur um mich nach der Prophezeiung zu fragen und mir eine hochphilosophische Rede zu halten, solltest du dir einen Psychiater oder ein Hobby suchen. Besser sogar beides"
"Du vertraust mir nicht, weil ich ein Schatten bin"
"Nein, weil du eine seltsame Zimtzicke bist"
"Auch ich habe meine guten Seiten"
Das Regenwasser, was sich um uns herum in Pfützen sammelte, gefror zu Eis. Das war Elizabeth. Dieses Gespräch schien ihr wirklich wichtig zu sein.
"Kannst du dieser guten Seite nicht vertrauen? Bitte, es ist absolut wichtig, dass ich die Prophezeiung bekomme. Kannst du mir nicht nur dieses eine Mal vertrauen?"
"Es tut mir Leid, aber Vertrauen muss man sich verdienen"
Ich hielt Elizabeth für eine blöde Kuh. Graue Welt hin oder her.

Tut mir Leid, dass das so lange gedauert hat, aber ich hatte dieses blöde Ding, das sich Schreibsprerre nennt. Das erklärt auch, warum das Kapitel eher schlecht als Recht geworden bin. Ich hoffe ihr verzeiht mir das ;) Danke fürs lesen!

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now