43: Blut und Opfer

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Wenn die eiserne Klinge der Schatten das Herz der Erde durchsticht... Die Worte der Prophezeiung spukten durch mein Gehirn wie ein ewiger, morbider Ohrwurm. Jake klappte zusammen, als hätte Rose keinen Dolch sondern seine Fähigkeit zu stehen aus seinem Körper gezogen. Und Rose selber? Sie lachte. Ich glaube es zuerst auch nicht, doch sie lachte als hätte sie gerade einen schauerlich Witz gemacht und nicht ihren eigenen Cousin nieder gestochen. Ich hätte mich gerne auf sie gestürzt, ihr den Dolch, an dem immer noch Jakes Blut klebte aus der Hand gerissen und wer-weiß-was damit getan. Doch mein Bruder brauchte zuerst Hilfe. Es war wichtig Prioritäten zu setzten. Ich riss mich von Phil los. Nady hatte Jakes Kopf bereits in ihren Schoß gebetet. Anscheinend versuchte sie mit ihren Heilkräften zu helfen. Jakes Gesicht war kreidebleich. Mit großen, dunklen Augen blickte er zu Nady auf. Anders als in seiner Vision schrie er nicht, doch jeder Muskel in seinem Gesicht zeugte davon, dass er Schmerzen hatte. Er röchelte, hustete und spuckte Blut, als ich mich neben ihn kniete. Nur am Rande nahm ich war, dass Alice einen Krankenwagen rief.
“Jacob Stuart, verdammt“
Nady ließ ihre Hand sinken. Ihre Fähigkeiten hatte die Wunde nicht vollständig schließen können.
“Wenn du es wagst in meinen Armen zu sterben, dann bringe ich dich um. Das schwöre ich dir“
Er sagte nicht. Ich wusste nicht, ob er keine Kraft und einfach nicht die Worte dazu hatte, doch er blickte Nady nur an. Dann kreutzten sich unsere Blicke. Panisch ging ich alle Möglichkeiten dich, die ich hatte. Möglicherweise besaß ich einen Teil von Nadys Gabe, doch niemals genug um ein Wunder zu vollbringen. Phil wollte mir wohl eine Hand auf die Schulter legen, doch er zog sie schnell und mit einem unterdrükten Schmerzschrei zurück. Seine Handfläche sah aus, als hätte er sie auf eine heiße Herdplatte gelegt. Er kniete sie neben Jake, in seinen grauen Augen stand eine Mischung aus Angst und Verzweiflung.
“Alles wird gut“
Ich wusste nicht, wenn er damit überzeugen wollte, doch er wiederholte es noch einmal.
“Alles wird gut“
So wenig Jake zu Nady und mir hatte sagen wollen, so wichtig schien es ihm zu sein, Phil etwas zu sagen.
“Du musst...“
Er hustete noch einmal und spuckte Blut auf Rose teilweise verkohlten Teppichboden.
“...auf sie aufpassen...“, brachte er schließlich heraus.
“Auf wenn?“
Jake schien Probleme zu haben, zu antworten. Er holte rasselt Luft.
“...auf meine Schwester“
Dann flackerten seine Augenlider und schlossen sich.

“Jake? Jake!“
Nadys grüne Augen fühlten sich mit Tränen.
“Oh bitte nicht...“
Alice kniete sich neben ihren Bruder.
“Der Krankenwagen ist unterwegs“
Phil antwortet nicht. Stattdessen starrte er wie hypnotisiert auf Jakes regungslos Gestalt und dann auf seine blutige Hände. Anscheinend hatte er versucht die Wunde abzupressen. Er war der Einzige, der nicht erschrocken aufschrie, als Jake urplötzlich nach Luft schnappte und ich aufsetzte. Er war immer noch bleich, doch in seinen braunen  Augen stand nicht mehr der Schrecken und Schmerz, der da noch vor wenigen Sekunden zu sehen gewesen war, sondern etwas sehr viel Lebendigeres: Überraschung.

“Gute Güte!“
Nady blickte Jake lange an, als könne sie sich nicht entscheiden ob er real oder doch ein Zombie oder ein Geist war. Dann verzog sich ihr kirschroter Mund zu einem Lächeln, obwohl ihre Wimperntusche vom Weinen immer noch verschmiert war.
“Du Idiot! Mach das nie wieder!“
Jake antwortete ich und ein paar Sekunden befürchtete ich Rose hätte ihn tatsächlich in einen Zombie verwandelt. Dann jedoch verzog er das Gesicht.
“Glaub mir, ich bin auch nicht scharf auf eine Wiederholung“
“Nicht reden!“
Alice, geistesgegenwärtig wie immer legte einen Finger auf ihre Lippen. Obwohl sie offensichtlich versuchte ruhig zu bleiben sah ich doch, dass ihre Hände zitterten.
“Bleib einfach ruhig liegen, bis ein Arzt kommt, in Ordnung?“
Jake blinzelte sie an.
“Ich hab keine Schmerzen. Es tut nicht weh“
“Das liegt... an dem Adrenalin oder so“

Phil legte den Kopf schief.
“Was soll das heißen, du hast keine Schmerzen? Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber d ist ein Loch in deinem Bauch“
“Das ist nicht mein Bauch, du Genie“
Die Situation als verwirrend zu beschreiben wäre wohl etwas untertrieben. Ich blickte fragend zu Alice, doch sie zuckte nur ratlos die Schultern. Wahrscheinlich hatte sie Recht und Jakes Körper schüttete eine große Menge Adrenalin aus.
Nady schien das genauer herausfinden zu wollen. Immer noch vorsichtig, als sei er aus Porzellan glitt ihre Hand über sein blutgetränktes Hemd. Als ihre Hand die Stelle erreichte, ander Rose Dolch ihn getroffen hatte, runzelte sie die Stirn.
“Jake, zieh dein T-Shirt aus“
Jake verzog, dass immer noch ungesund blasse Gesicht.
“Was...?“
“Ich will deine Wunde untersuchen!“
Jake zog sein T- Shirt nicht wirklich aus. Er krempelte nur den Saum davon hoch, sodass sein Bauch freilag. Seine Haut war blutverschmiert, ansonsten jedoch vollkommen unversehrt.

Einige Augenblicke herrschte erstauntes, schockiertes, aber auch erleichtertes Schweigen. Dann sprach ich das aus, was wir vermutlich alle dachten:
“Hä?“
Alice und Phil tauschten verwirrt Blicke und Nady blickte ihre Hände an, als hätten die gerade angefangen mit ihr zu sprechen. Sie vermutete wohl, dass wir das ihren Heilfähigkeiten zu verdanken hatten. Ich war mir da nicht so sicher: Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass die Macht der Elemente ihre Grenzen hatte. Und Nady hatte diese Grneze erreicht, bevor sich Jakes Wunde geschlossen hatte. Der Einzige, denn das Alles nicht zu verwirren schien was Aiden. Er stand mit verschränkten Armen neben uns, den Mund zu einem anspannten Strich gepresst und hatte noch kein einziges Wort gesagt.

Alice fasste sich als Erste wieder. Sie stand auf und betrachtete die verwüstete Wohnung mit ersten blauen Augen.
“Wo sind Rose und Elizabeth?“
Erschrocken von der Feststellung, dass seine Cousine offensichtlich im Trubel um ihn verschwunden war, sprang Jake auf, wurde jedoch im gleichen Moment weiß wie eine Wand und taumelte. Phil stürzte ihm.
“Wunderheilung hin oder her, du hast immer noch eine nicht gerade kleine Menge an Blut verloren“
“Wir sollten von hier verschwinden“, drängte Alice.
“Wenn der Krankenwagen und vielleicht sogar die Polizei hier ankommt, wird es schwer sein, das hier...“
Sie deutete auf das Chaos um uns herum.
“...zu erklären“
Nady fuhr sich durchs Haar.
“Abgesehen davon, dass nicht jeder spontanen Selbstheilung so offen eingestellt ist, wie wir“
Ich nickte.
“Am Besten rufen wir unsere Eltern an oder bestellen uns ein Taxi“
Meine Stimme zitterte. Erstaunt stellte ich fest, dass auch mir die ein oder andere Träne die Wange heruntergelaufen war.
“Wir können schließlich nicht fliegen. Naja“
Ich blickte Phil an.
“Zumindest nicht alle“
Phil lächelte mich an und seine Augen schienen zu strahlen.
“Ich rufe uns ein Taxi“

“Trotzdem wüsste ich gerne, wie das sein kann“
Nady schielte zu Jake. Die ganze Geschichte schien sie nicht los zu lassen. Aiden regte sich und ich zuckte zusammen. Ich hatte schon fast vergessen, dass er da war.
“Möglicherweise habe ich dir geholfen Jake zu heilen. Der Dolch war aus Eisen“
Nady runzelte die Stirn.
“Na und?“
“Niemand kann von seinem eigenen Element verletzt werden“
Langsam, fast in Zeitlupe krempelte er seinen rechten T- Shirtärmel hoch und entblößt sein Handgelenk. Das Handgelenk, auf dem sich das Zeichen der Elemente befinden sollte. Es war leer. Und ich verstand: Es würde noch eine ganze Menge Ärger auf uns zukommen.

3. Teil -> “Im Schatten der Elemente“

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now