35: Ein Kartenhaus aus Lügen

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Jake lachte.
“Dazu gehört nicht viel. Sie hasst mich so oder so schon. Und weißt du was? Es beruht auf Gegenseitigkeit. Los...“
Er machte eine auweitende, provokante Geste mit seinen Armen.
“...erzähl ihr, was du willst. Es wird keinen Unterschied zu jetzt machen“
“Tatsächlich?“
Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte sie aus dem Konzept gebracht.
Dann aber kehrte das süffisante Lächeln in ihr Gesicht zurück.
“Ich habe eher das Gefühl, dass ihr euch letzter Zeit gegenseitig zu schätzen gelernt habt. Dir ist es also egal, wenn ich ihr von Rose erzähle?“
Jake kniff sich die Auge zusammen. Dann aber entspannte sich seine Haltung.
“Die Prophezeiung ist dir egal, habe ich Recht? Du willst mir nur eins auswischen. Weil ich dir einen Korb gegeben habe“
“An deiner Stelle würde ich mich mit solchen arroganten Sätzen zurück halten. Du siehst aus, als hättest du dich gestern Abend betrunken“
Wenn die wüsste...

Genüsslich drehte sich Elizabeth zu mir.
“Rose. Gut, sie ist...“
“Halt, halt, halt“
Jake unterbrach sie.
Ich werde ihr das erklären...“
Elizabeth und ich blickten ihn gleich verwundert an.
“...und du wirst jetzt gehen. Ohne die Prophezeiung“
Der Wasserschatten verzog das Gesicht.
“Du redest viel Blödsinn wenn der Tag lang ist, Jake. Du wirst ihr nie etwas sagen. Niemals. Wann hast du jemals ein Geheimnis preis gegeben?“
“Ich bin eben ein vertrauensvoller Mensch“
Elizabeth spuckte ihren zweiten Kaugummi ebenfalls in den Papierkorb, als würden ihr allein die Worte  Jake und vertrauensvoll in einer Unterhaltung den Appetit verderben. So ungern ich das zugab, in einem Punkt hatte sie nicht unrecht.
“Wer garantiert mir, dass du mir davon erzählen wirst?“
“Ich schwöre es. Bei meinem Leben“
Elizabeth schnaubte.
“Soviel ich gehört habe, ist nicht mehr besonders lang“
“Halt die Klappe“, erwiderten Jake und ich syncron. Elizabeth stapfte die Schultern, drehte sich um und verließ den Raum mit klackernen Absätzen, ohne sich noch einmal umzusehen.

Jake ließ sich rückwärts auf mein Bett fallen. Die Feder in der Matratze ächzten.
“Du bist zu schwer für dieses Bett“
“Alles reine Muskelmasse“
Ich setzte mich neben ihn auf die Kante.
“Und? Willst du mir jetzt alles über Rose erzählen?“
“Alles zu seiner Zeit, Bell“
“Was soll das denn jetzt heißen?“
“Ich habe gesagt, dass ich dir die Sache mit Rose erklären werde. Aber ich habe nicht gesagt wann und wo“
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich verstand, was dass bedeutete.
“Du bist ein Blödmann, Jacob“
“Du bist naiv“
“Du bist durchtrieben“
“Zu neugierig“
“Zu verschlossen“
“Nervig“
“Gemein“
Ich ließ mich ebenfalls aufs Bett fallen. So lagen wir also nebeneinander auf meinem Bett, starrten an die weiße Decke und warfen und Adjektive an den Kopf. Wie tief war ich nur gesunken...

“Sag mir wenigstens, wie Elizabeth darauf kommen, dass ich dich wegen Rose hassen könnte“
“Impulsiv“
“Egoistisch“
“Stur“
Jetzt hatte er es wieder geschafft meiner Frage auszuweichen.
“Sag es mir. Bitte“
Er seufzte und massierte sich die Schläfen. Wahrscheinlich war sein Kater immer noch nicht ganz weg.
“Stell dir vor, die ganze Sache mit Rose ist ein Kartenhaus. Wenn du eine Karte wegziehst, stürzt alles in sich zusammen“
“Du meinst eine Lüge“
“Bitte was?“
“Du meinst keine Karte. Sondern eine Lüge“
“Eine nicht erwähnte Tatsache. Ich hab dir schon einmal erklärt, dass es da einen Unterschied gibt“

Hatte er. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass ich ihm zuhörte.
“Es ist mir egal, ob Rose ein Kartenhaus aus nicht erwähnten Tatsachen oder ein goldenen Schloss aus Lügen ist. Ich will wissen, wer sie ist. Und was sie mit dirzu tun hat!“
“Es ist kompliziert“
“Sagen das nicht immer die, die ein ganz mieses Geheimnis haben?“
“Oder ich“
“Du hast immer ein ganz mieses Geheimnis“
“Touché“
Jake setzte sich auf uns streckte sich.
Dann ging er. Oder zumindest wollte er das. Ich hielt ihn jedoch auf.
“Wenn du durch diese Tür gehst, werde ich Elizabeth anrufen. Und ich werde ihr die Prophezeiung mit einem roten Schleifchen geben“
“Soll ich stattdessen aus dem Fenster springen? Ich kann nicht fliegen“
Stimmt. Das konnte dafür jemand ganz anderes...
“Jake, findest du das gerade lustig?“
“Nein. Du etwa?“
“Nein“
“Gut. Dann gehe ich jetzt“
“Erst wenn ich dein Kartenhaus zerstört habe“

Anscheinend brachte ich Jake wieder einmal an den Rande des Wahnsinnes.
“Hör zu Mia, ich werde es dir erzählen. Nur... eben nicht jetzt“
“Wann denn dann? Wenn die Welt untergegangen ist, weil du mal wieder alles Mögliche geheim gehalten hast. Schließlich soll die Apokalyptische unglaublich romantisch sein“
“Mia, findest du das gerade lustig?“
“Nein. Du etwa?“
“Nein“
“Gut“
Ich setzt mich ebenfalls auf und blickte Jake an. Er stand, an den Rahmen meiner offenen Tür gelehnt und blickte mich mit hochgezogenen Brauen und verschränkten Armen an. Der Geruch von Elizabeths Kaugummi lag immer noch in der Luft.
“Vielleicht können wir uns auf einen Kompromiss einigen“, schlug ich vor.
“Du erzählst mir alles über Rose und dafür... bekommst du einen Kuchen. Oder Pudding. Oder Mathehausaufgaben. Irgendwie so etwas“
“Ich bin nicht Elizabeth“
“Stimmt. Sie ist hübscher“
Er verdrehte die Augen. Zugegeben, dieser Witz war auch ganz schön schlecht gewesen. Andererseits konnte eben nicht alle ein Phil sein. Obwohl seine Witze auch meistens schlecht waren...

Über Jakes Gesicht huschte ein verschlagenen Grinsen.
“Ich glaube, ich habe eine gute Idee. Meinetwegen bekommst du eine faire Chance. Ich bin schließlich kein Blödmann“
Darüber konnte man streiten.
“Falls du vorhast mir zu erpressen oder so: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Notfalls bleibt mir immer noch Elizabeth...“
“...der du dafür die Prophezeiung geben müsstest“
Ich kniff die Augen zusammen.
“Was verstehst du unter einer fairen Chance?“
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Wahrscheinlich genoss er die Spannung, die sich im Raum zwischen uns aufgebaut hatte.
“Eine Wette“

Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
“Das soll ein Scherz sein, oder? Sind wir nicht ein bisschen zu alt für so etwas?“
“Wir sind eigentlich auch zu alt um uns in einem Baumhaus zu treffe? Oder um ein neues Geschwisterkind im selben Alter zu bekommen?“
“Eine Wette also“
Er nickte.
“Wenn du gewinnst, erzähle ich dir alles über Rose. Wenn ich gewinne fragst du mich nie wieder danach und gehst auch nicht zu Elizabeth“
Das Angebot war etwas zu viel des Guten. Dahinter stand sicherlich ein großer Haken.
“Was soll das für eine Wette sein?“
“Du darfst vierundzwanzig Stunden nicht mit Phil reden. Du darfst ihm kein einziges Wort sagen“

Dieser Mistkerl. Ich überlegte ob ich ihn in Flammen aufgehen oder im Erdboden versinken lassen sollte. Nur weil ich mich nicht entscheiden konnte, tat ich nichts.
“Was?!“
“Nimmst du die Wette an oder nicht?“
“Du blödes... AMO“
Er lachte in sich hinein.
Ich holte tief Luft.
“Du denkst, dass ich das nicht schaffen. Du denkst, das ist die perfekte Möglichkeit mir nichts zu erzählen“
“Nein. Ich weiß, dass du es nicht schaffen kannst“

Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. In meinem Kopf ratterte es. Das hier war die perfekte Möglichkeit Jake eins auszuwischen und gleichzeitig alles über Rose zu erfahren. Andererseits...
Ich strafte die Schultern.
“Gut. Die Wette gilt“

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now