26: Der bessere Lügner

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"Zeigst du mir dein Tattoo?"
Wendy sah aus, als hätte man sie in den letzten fünf Minuten unter irgendwelche Drogen gestellt.
"Tattoo?"
Ich blickte sie verdutzt an.
"Welches Tattoo?"
"Na eurer Elemtezeichen. Ihr habt sie doch alle auf dem Handgelenk, oder? Kein Wunder, dass Nady immer diesen dicken Armreif trägt"
"Die", flüsterte Phil mir zu und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
"Hat eindeutig nicht mehr alle Aliens in der fliegenden Untertasse"
"Phil, der Witz hat dich abgenutzt"
Ich blickte Wendy immer noch an.
Dann zog ich meinen Ärmel hoch und entblößte mein Elementezeichen. Es bestand aus vielen ineinander verschlungenen Linien, indenen bei näherem Betrachteten die Symbole aller vier Elemente entdecken konnte. Wendys braunen Auge weiteten sich.
"Das ist ja fast schon ungerecht hübsch! Warum versteckst du es?"
"Weil ich nicht der ganzen Welt erzählen will, dass ich so etwas wie Superkräfte habe. Und es ist doch recht schwer ein Tattoo in meinem Alter zu erklären"
"Du könntest sagen, dass du es dir illegal in der Türkei hast stechen lassen"
"Jake! Meine Güte... ihr habt wirklich nicht mehr alle Aliens in der fliegende Untertasse. Ihr alle!"
Alice kicherte leise.
"Es ist so still in Nadys Zimmer. Glaubt ihr da ist was passiert?"
Phil zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht haben sie sich schon gegenseitig die Köpfe abgerissen"
"Sag so etwas doch nicht!"

In diesem Moment ging die Türe auf und eine missmutig blickende Nady trat heraus.
"Ihr..."
Sie deutete mit ihren schlanken Fingern auf uns.
"...seid mir ja schöne Freunde. Erst bringt ihr mir diesen Irren hierher und dann lasst ihr mich auch noch allein mit ihm. In meinem eigenen Zimmer!"
"Ich kann jeden Wort hören!", schrie Alec von drinnen.
Ich überlegte, ob Nady in vielleicht an ihr Bett gefesselt hatte und irgendwie gefiel mir diese Vorstellung. Dann aber erschien sein roter Schopf im Türrahmen. Erst jetzt, wo Nady ihm wahrscheinlich schon geholfen hatte fiel mir auf, wie schlecht er vorher ausgesehen hatte. Jetzt war jedoch alle Farbe in sein Gesicht zurückgekeht, zusammen mit seinem selbstgefälligen Gesichtsausdruck. Ich hatte jetzt schon das Bedürfnis ihn irgendwo an einer Tankstelle aus zu setzte, gnädigerweise mit einem Hundekekse zum Essen. Dabei erinnerte er mich nicht einmal an einen Hund oder überhaupt irgendein Tier. Höchstens an eine Kanalratte.

"Vielleicht sollte wir uns überlegen, wie deinen Eltern das da..."
Ich deutete wage in Alecs Richtung.
"...erklären können"
Alec blickte mich an.
"Selbst die bitterste Wahrheit ist besser als die süßeste Lüge"
Nady schnaubte.
"Das sagt der Richtige. Dir ist schon klar, dass es verdammt schwierig war die Situation, nach dem du weg warst, zu entschärfen? Du und deine blöde... ich will es eigentlich gar nicht Gabe nennen..."
Sie funkelte ihn an.
"Es war unmöglich ihnen zu sagen, dass du der Feuerschatten bist. Das musst du ihnen erklären"
Ich konnte mir ein schadenfrohes Grinsen nur schwer verkneifen. Jetzt war wohl der Moment gekommen, in dem Alec sich für die Dinge, die er getan hatte verantworten musste. Und das vor den Leuten, auf deren Meinung er wohl, wie jeder Mensch am Meisten baute: Seinen Eltern.

"Mir ist einfach nicht wohl dabei"
Ich blickte Alice an. Sie hatte beschlossen, noch mit zu mir nach Hause zu kommen. Immerhin war der Tag noch jung und außerdem mussten wir uns überlegen, wie wir erklären sollten, dass wir alle den halben geschwänzten Schultag erklären sollten. Wenn ich an die ganzen unenschludigen Fehlstunden dachte, die ich schon gesammelt hatte wurde mir schlecht, aber wirklich leid tat mir das nicht. Manchmal musste man eben Prioritäten setzten...
"Wobei ist dir nicht wohl?"
Alice legte den Kopf schief.
"Bei der Sache mit Alec. Ich kann ihn nicht einschätzen und das macht mich... nervös"
Sie senkte den Blick.
"Es ist nicht einmal so, dass ich wirklich etwas gegen ihn habe"
"Ich schon. Ich hab grundsätzlich etwas gegen Leute, die ihre Freunde hintergehen und verraten. Und das er versucht hat Jake, Nady und insbesondere mich umzubringen bringt ihm auch nicht gerade mehr Pluspunkte auf meiner Sympathieliste"
"Vielleicht kann er sich ändern..."
"...Vielleicht werde ich auch einmal Präsidentin von Amerika und heirate ein sprechendes Huhn. Das kann passieren, ist aber ziemlich unwahrscheinlich"
"Es gibt sprechende Hühner?"
"Du weißt, was ich damit sagen will!"
Sie schwieg.
Jake, der knapp hinter uns ging räusperte sich.
"Ich glaube auch nicht, dass Alec sich ändern. Er bleibt schließlich auch nicht ganz freiwillig bei uns"
Ich nickte, Alice schüttelte langsam den Kopf.
"Er war einmal unser Freund"
"Die Betonung liegt auf war..."
"Woher willst du wissen, dass es nicht wieder so wird, Jake?"
"Weil ich Visionen habe"
Dann schwieg er.

Mit Jake gemeinsam nach Hause zu kommen, hatte unheimlich viele Vorteile. Okay, genau genommen war es nur ein Vorteil, aber der war so groß, dass er auch locker als zwei durchgehen konnte. Jake besaß nämlich einen Haustürschlüssel, was nichts Anderes bedeutet, als das wir uns lange Diskussionen, darüber, dass wir nicht in der Schule waren, sparen konnten.
Wir schlichen durch den Flur, als wären wir Einbrecher, ohne zu plötzliche Bewegungen und immer darauf bedacht, möglichst kein Geräusch zu machen.
Alice kicherte und Jake starrte sie böse an.
"Es tut mir Leid, aber irgendwie finde ich das hier lustig"
"Ist es aber..."
Jake brach ab, die Küchentür öffnete sich.
"Toll, Alice. Das ist alles deine Schuld"

Aiden starrte uns mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Warum genau seid ihr nicht in der Schule?"
Ich öffnete den Mund um wieder eine meiner fabelhaften (oder weniger fabelhaften) Lügen zu erzählen, doch Jake war schneller.
"Die letzten Stunden sind ausgefallen"
Es war immer wieder erstaunlich, wie gut er lügen konnte, obwohl er sich selbst komplett ehrlich nannte. Er verzog nicht einmal das Gesicht.
"Ach so..."
Aidens blaue Augen blickten Alice an.
"Und was ist mit ihr?"
Sie lächelte.
"Ich bin hier nur zu Besuch. Einfach so"
"Außerdem", fügte ich hinzu.
"Bist du das doch auch"
Aiden nickte.
"Ich hab ja auch gar nichts dazu gesagt"
Er steckte die Hand in die Hosentasche.
"Übrigens Mia, ich hab noch deine Kette"
Er zog das Schmuckstück hervor und hielt es mir hin.
"Danke... Hast du etwas herausgefunden?"
"Ja, einiges. Aber ich würde es dir lieber erst sagen, wenn ich mir ganz sicher bin"
Ich nickte und schluckte den seltsamen Geschmack in meinem Mund herunter. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich das, was er herausgefunden hatte wirklich wissen wollte.

Jake machte einige schnelle Schritte auf Aiden zu. Er blickte ihn misstrauisch an und räusperte sich schließlich.
"Aiden, warum ist dein rechtes Handgelenk verbunden?"
Vielleicht hatte diese verrückte Rose Recht gehabt und ich konnte wirklich nicht allen trauen. Jake schien auf jeden Fall nicht der beste Lügner in diesem Raum zu sein.

Erster Teil der Lesenacht. Das nächste Kapitel kommt bald!

Danke für 20k reads! <3

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now