21: Die Kunst sich zu blamieren

2.7K 257 171
                                    

Ich flog. Zumindest fühlte es sich so an, denn genau danach schmeckte Phils Kuss. Nach wilder, grenzenloser Freiheit, frischen Sommerwinden, dem Abheben vom Boden und auch ein Bisschen nach Pfefferminzzahnpasta. Wie das Fliegen.

Kaum hatte er sich von mir gelöst, verpasste ich ihm eine schallende Ohrfeige.

"Wie kannst du es wagen...?"

Phil fasste sich an die Wange und blickte mich mit offenen Mund an, er schien in den letzten drei Sekunden das Sprechen verlernt zu haben. Dann aber schluckte er.

"Krass"

"Du hast mich geküsst! Wie... wie..."

Ich atmete hörbar aus. Ganz ruhig.

"Wie kannst du es wagen?", wiederholte ich noch einmal, einfach weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.

Phils Gehirn schien immer noch etwas langsamer zu laufen.

"Ich... Du hast doch den Kuss erwidert"

"Ja, aber... aber..."

Mein Herz führte eine Art Stepptanz in meiner Brust auf.

"Also ich... ich...Ich wollte dich zum fliegen bringen", brachte Phil schließlich heraus. Die Raupen in meinem Bauch waren mittlerweile zu echten Schmetterlingen geworden, die wild darin herum flatterten.

"Nur das? Du hast mich geküsst um... mich zum fliegen zu bringen?"

Im letzten Tageslicht wirkten seine Augen dunkel und tief.

"Nicht nur... aber zum größten Teil"

"Du... Du hast sie doch nicht mehr alle!"

Viel lieber hätte ich gleich nochmal! geschrien, aber damit hätte ich endgültig alle meine Würde verloren. Einem Jungen der einen einfach so küsste musste man eine Ohrfeige verpassen, am besten eine die er noch Monate danach im Spiegel sehen konnte. Obwohl das hier irgendwie etwas Anders war...

"Sieh es als Lernprozess, Sternchen. Ich verspreche dir, es kommt nie wieder vor"

"Ist schon in Ordnung..."

Eigentlich hätte ich gar nicht so viel dagegen, wenn das wieder vorkommen würde... Ich stand immer noch unglaublich nah an ihm, so nah, dass ich seinen ganz eigenen Geruch von dem des neuen Duschgels unterscheiden konnte.

"Leute, sucht euch ein Zimmer"

Erschrocken stieß ich Phil von mir weg. Dieser taumelte rückwärts, sein Gehirn stand wohl immer noch auf Stand- by. Ich spürte wie das Blut in meine Wangen schoss, wahrscheinlich war ich rot wie eine Tomate mit Sonnenbrand.

"Jake!"

Er stand mit verschränkten Armen an die Hauswand gelehnt und blickte zu uns herüber. Im Dämmerlicht konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen.

"Wie lange stehst du schon da?"

"Eine Weile"

Er klang amüsiert. Phil hatte sich wieder genug gefangen um sich, oder eher uns, zu erklären.

"Dann hast du gesehen, dass wir fliegen geübt haben?"

Jake trat aus dem Schatten des Hauses.

"Nicht nur das... Obwohl Mia tatsächlich geflogen ist"

Er wandte sich an mich.

"Herzlichen Glückwunsch, du hast ganze zehn Zentimeter über dem Boden geschwebt. Allerdings hast du wahrscheinlich nichts davon mitbekommen, schließlich wart ihr beide... anderweitig beschäftigt"

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now