19: Sitzen gelassen

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“Sie kann doch schon Schuhe werfen, reicht das nicht?“
“Was genau verstehst du an fliegen lernen nicht?“
“An sich verstehe ich das schon, aber ich kapiere nicht, warum du plötzlich so scharf darauf bist...“
Jake seufzte.
“Das ist doch offensichtlich“
Nein, dass war es eigentlich nicht. Allerdings hagte ich auch nicht mehr nach. Jake würde so oder so das erklären, was er erklären wollte und das nicht, was er eben nicht sagen wollte. Keine Frage, egal wie viel Sinn sie machte würde daran nichts ändern können.
“Du denkst Sternchen könnte der Prophezeiung einfach fliegen wie ein Vogel einer tollwütigen Katze?“
“Vielleicht nicht ganz so... tierisch“
“Und die Klinge im Herzen? Machst du dir darüber überhaupt keine Sorgen?“
Jake grinste diabolisch.
“Ich kann sehr gut auf mich allein aufpassen“
Alice und Nady tauschten Blicke. Schließlich räusperte sich das Feuermädchen.
“Gut, meinetwegen. Aber ich werde dein Grab sicher nicht ausheben. Ist dir klar wie sehr so etwas saubere Klamotten versauen kann? Ich wühle doch nicht im Dreck, nur weil du der Meinung bist du könntest einfach so tun als seist du ein unsterblicher Superheld!“
Jakes Miene blieb ernst.
“Naja, es wäre auch ganz schon ironisch, wenn du dann in der Erde wühlen müsstest“
Nady schnaubte.
“Du bist so ein Idiot...“

Phil hatte sich vorgenommen mir noch an diesem  Nachmittag richtiges Fliegen beizubringen. Ich hatte mir sogar schon extra leichte (und hoffentlich flugfähige) Schuhe herausgesucht. Als Phil um drei Uhr noch nicht da war, holte ich mir ein Buch, setzte mich in den Garten und begann zu lesen. Gegen vier begann ich mir Sorgen zu machen. Und um fünf wurde ich wütend. Er hatte mich versetzt. Oder vergessen. Eigentlich machte es keinen Unterschied. Jake trat aus der Hintertür. Der blaue Fleck zierte immer noch seine  rechte Wange.
“Ist er immer noch nicht da?“
“Nein“
Meine Stimme war so eisig, dass ich Elizabeth ohne Probleme hätte Konkurrenz machen können. Jake setzte mich neben mich.
“Der kommt schon noch“
“Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wahrscheinlich hat er einfach Besseres zu tun. Ich sollte einfach nicht mehr warten...“
Jake blickte mich an.
“Alles in Ordnung?“
Ich schnaubte. Was für eine dumme Frage!
“Klar doch, ich liebe es, wenn Leute mit denen ich verabredet bin einfach nicht auftauchen. Das macht meinen Tag gleich viel besser!“
“Sei doch nicht direkt so katzig. Ich hab dir nichts getan“
“Du hattest doch erst die ganze Idee mit der Flugstunde!“
Jakes Hand gruben sich in den Rasen. Er nahm etwas Erde zwischen seine Finger und zerbröselte es. Ich sah zu, wie die einzelnen, kleinen Klumpen ins Gras fielen und dort schließlich verschwanden.
“Ich dachte einfach, dass du es lernen solltest“
“Weil du glaubst, dass die Prophezeiung sich bald erfühlen wird und irgendetwas ganz, ganz schreckliches passieren wird“
Jakes Blick war hart wie Stein, er lachte freudlos.
“Ich glaube es nicht. Ich weiß es“
“Stimmt. Du bist ja Mr. Ich-weiß-alles-bevor-es-passiert-und-erzählt-es-trotzdem-niemanden
Natürlich war mir bewusst, dass ich mich gerade nicht besonders fair verhielt. Aber ich war so wütend und fühlte mich so... degradiert, dass es geradezu eine Erleichterung gewesen wäre mich mit Jake zu streiten. Doch zu meiner Überraschung blieb Jake ruhig. Warum benahm dieser Typ sich ständig wie ein echtes AMO, außer wenn ich einmal jemanden brauchte, auf den ich wütend sein konnte?
“Vielleicht solltest du wirklich aufhören zu warten. Das scheint deinen Charakter zu verderben“
“Was soll ich den sonst machen?“
Ich schlug das Buch auf meinem Stuhl zu und legte es neben mich. Darauf konnte ich mich jetzt wirklich nicht mehr konzentrieren.
Jake zuckte mit den Schultern.
“Musik hören zum Beispiel. Wozu hast du denn ein Handy?“
“Ich benutze es in letzter Zeit nicht. Mich... schreiben komische Menschen an“
“Und warum blockst du diese komischen Menschen nicht?“
“Das geht?“
Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
“Wie kann man so selten dämlich sein?“
Wollte ich Rose überhaupt blocken? Wer weiß, vielleicht konnte es irgendwann einmal ganz praktisch sein eine anonyme Stalkerin zu haben...
“Ich kann dir deine komischen Leute auch blocken“
“Nein!“
Das war wohl etwas zu energisch. Jake runzelte die Stirn.
“Keine Sorge, ich interessiere mich nicht für den SMS- Verlauf von dir und irgendwelchen Jungs...“
“Das ist nicht das Problem... es ist kompliziert“
“Klingt nach deinem Beziehungsstatus auf Facebook“
Ich blickte ihn böse an. Phil hatte als Einziger ein Recht auf solche billigen Witze.

Falls Jake mich einfach nur hatte ablenken wollen, hatte er das jedoch geschafft.
“Dann dürfte das mit der Musik ja kein Problem sein“
Ich grinste.
“Oh, die Musik auf meinem Handy ist nicht so toll ich mag Andere lieber... Klaviermusik zum Beispiel“
Jakes Lächeln war mehr als gezwungen.
“Was soll ich jetzt mit der Information?“
“Mhm... mir zu Klaviermusik verhelfen...“
“Schon mal was von YouTube gehört?“
“Du spielst doch Klavier“
“Woher weißt du das...?“
“Wenn ich es dir sage, muss ich dich danach leider töten“, witzelte ich um Aiden aus der ganzen Sachen heraus zu halten. Jake war so oder so nicht gut auf ihn zu sprechen.
“Also stimmt es? Du spielst Klavier?“
Er knirschte mit den Zähnen.
“Ja, aber nur für Leute, die ich mag“
“Magst du mich?“
“Nein“
“Ich dich auch nicht“
“Gut“
Für ein paar Sekunden sagte niemand von uns etwas. Schließlich seufzte Jake.
“Okay, du hast gewonnen. Ich spiele dir etwas vor. Aber nur weil ich es nicht länger ertrage, wie du mich anstarrst“
“Ich würde dich niemals freiwillig anstarren...“
Trotzdem stand ich auf. Zum einen war ich wirklich neugierig, wie Jake spielte und zum Anderen würde ich es nicht ertragen auch nur noch eine Minute länger wartend im Garten zu sitzen und mich ausgerechnet mit Jake zu unterhalten.

Das Erstaunliche: Er spielte wirklich richtig gut. Das Frustrierende: Er hatte die gleiche Motivation die ich im Sommer bei strahlendem Sonnenschein für meine Hausaufgaben aufbringen konnte. Überhaupt keine.
“Früher habe ich wirklich gerne gespielt. Aber seit... einiger Zeit habe ich einfach keine Lust mehr“
Jake konnte erschreckend gut Lügen, trotzdem bemerkte ich wie er stockte. Ich schluckte meine Neugierde herunter, immerhin hatte ich mir vorgenommen nicht mehr in seinen Geheimnissen und seiner Privatsphäre herum zu schnüffeln. Wie lange dieser noch Vorsatz halten würde war jedoch eine ganz andere Frage.
“Aber jetzt bin ich ja hier, um dich zu motivieren“
Jake schlug ein paar Töne an und verdrehtet die Augen.
“Ich könnte dich ja darum bitten zu singen, aber...“, setzte er an.
“...das klingt ungefähr so, als würde man einen Pottwal foltern“
“Schlimmer“

Es klingelte an der Tür und Jake verspielte sich im letzten Takt.
“Ich mach schon auf. Spiel du lieber weiter“
“Mach ich. Aber bestimmt nicht weil du mich darum gebeten hast...“

Es ist wohl klar, wer da vor der Tür steht... Danke fürs eure lieben Kommentare, ich freue mich immer sehr darüber ^^

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now