37: Wiederholung

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Den restlichen Tag wollte ich kein Wort mehr mit Jake sprechen. Ich war so wütend auf ihn, dass ich jedes Mal befürchtete ich könnte ihn wie ein Spiegelei in einer Pfanne rösten, wenn ich ihn nur ansah.
Deshalb hatte ich ursprünglich vorgehabt den Tag bis zum Ende unsere Wette und somit dem Lüften von Rose Geheimnis sinnvoll zu nutzen. Leider fiel mir nicht ein, was genau sinnvoll nutzen bedeuten konnte. Stattdessen tigerte ich ziellos durch mein Zimmer und versuchte meine Hände in Feuer aufgehen zu lassen. Aber, was auch immer ich ihm Kreis der Elemente getan hatte um die Elemente zu beherrschen, ich hatte es offensichtlich wieder verlernt. Schließlich ließ ich mich frustrierte auf den Boden fallen und starrte die Wand an. Soviel zum Thema sinnvolle Beschäftigung...

Jemand klopft an meiner Tür.
"Komm rein, wenn du nicht Jake bist"
Ein bis über beide Ohren grinsender Aiden betrat den Raum.
"Mia! Du ahnst nicht, was ich gefu..."
Er wurde von einem schrecklichen Geräusch unterbrochen, einem dumpfen, lauten Ton, der unharmonisch im Haus wiederhallte.
"Oh Gott... Ich glaube, im Esszimmer wird gerade irgendwas gefoltert"
Wir rannten die Treppen herunter, wobei wir beide fast stolperten. Jake saß an seinem Klavier und drückte laut und vollkommen sinnlos auf die Tasten. Mir hätte das Instrument leid getan, aber meine Ohren hatte das Mitleid gerade mehr verdient.
"Was tust du da?!"
Aiden presste sich die Hände auf die Ohren, vielleicht war das der Grund dafür, dass er so laut schrie.
Jake zog seine Hand weg, doch der unmelodische Ton verstummte nicht. Vielleicht lag das an dem Pedal, dass er unter dem Klavier durchgedrückt hatte, vielleicht hatte er auch geheime Voodookräfte. Ich kannte mich mit so etwas nicht aus.

"Das Klavier ist verstimmt"
Endlich stand er auf und das Geräusch verstunmte.
"Jemand sollte sich darum kümmern"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Egal wie sehr ich mir auch vorgenommen hatte, nicht mehr mit Jake zu reden, ich konnte mich nicht mehr zurückhalten.
"Ich bin auch verstimmt. Das bedeutet nicht, dass du das Recht hast auf mich einzuschlagen"

Aiden lachte, Jake wirkte eher als sei er auch etwas verstimmt.
"Bell, wie oft muss ich dir noch sagen, dass es mir Leid tut?"
"Solange bis du es wieder in Ordnung gebracht hast"
Jake schien das einzusehen. Da ihm das Gefühl sonst unbekannt war, war es gewöhnungsbedürftig ihn etwas wirklich bereuen zu sehen.
"Gut, dass ich vorgesorgt habe..."
Er nahm etwas vom Klavier und hielt es mir hin. Ich brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, was es war.
"Schockolade? Ist das dein Ernst? Du versuchst das mit Schokolade wieder gut zu machen?"
"Ist das die Tafel, die schon seid Weihnachten in eurem Schrank liegt?", erkundigte sich Aiden.
Jake verdrehte die Augen.
"So ein undankbares Pa..."
Er keuchte. Die Tafel fiel ihm aus der Hand.

"Jake?"
Seine Augen waren erschrocken aufgerissen. Sie fixierten einen Punkt hinter mir. Er machte einige Schritte rückwärts, bis er an den Klavierhocker stieß. Obwohl ich eine dunkle Ahnung hatte, was jetzt kommen musste, schien irgendetwas anders zu sein. Jake schien mit allen Kräften gegen die aufkommende Vision anzukämpfen.
"Nicht schon wieder..."
Seine Hände hatten sich an den Rand des Klavierhockers gekrallt.
Er schloss die Augen. Dann sackte er zusammen. Sein Kopf knallte auf die Klaviertur, was ein hässliches Geräusch verursachte. Aiden packte meinen Adotivbruder unter den Armen und zog ihn herunter. Und so lag Jake wieder einmal auf dem Boden und durchlebte eine Situation, die noch gar nicht passiert war. Nur war es dieses Mal wirklich anders...

"Du hast hier nichts mehr verloren....verschwinde..."
Jakes Hände ballten sich zu Fäusten. Das kam mir auf eine unheilsame Art bekannt vor...
"Du kannst mir nichts..."
Aiden setzte sich neben Jake und blickte mich an.
"Können wir irgendetwas machen? Ihm...helfen oder so?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Wir können nur warten bis es aufhört“
Jakes Gesicht verzog sich. Wie immer wenn so etwas geschah zitterte er am ganzen Körper.
"Dir nicht. Aber den Menschen, die du liebst"
Und er schrie.

Aiden schien etwas überfordert zu sein. Selbst jetzt, wo Jake nicht mehr schrie wusste er wohl nicht, was er tun sollte.
"Ist das...normal?"
"Er hat Visionen von der Zukunft. Für die meisten Leute ist das nicht ganz so normal..."
"Ich meine normal gemessen an Jakes Maßstab"
Ich stockte kurz. Visionen waren zwar immer noch beängstigend und alles andere als schön aber sie waren auch nichts allzu ungewöhnliches. Doch diese Art, wie Jake geschrienen hatte, war mir wie ein Deja-vu oder die hundertdreizehnte Wiederholung von einem Fernsehkrimi vorgekommen.

Jake schlug die Augen auf und setzte sich schnell und ruckartig auf. Seine Augen waren dunkel, so dunkel, wie ein bodenloser Abgrund. Er blickte uns an, schien uns jedoch nicht wahrzunehmen. Wortlos stand er auf. "Jake? Alles in Ordnung?"
Alle Wut auf ihn war mit einem Mal verflogen. Ich... machte mir Sorgen. Wow, hier musste wirklich etwas ganz Seltsames vor sich gehen...
"Es hat sich noch nie wiederholt"
Sprach er jetzt mit mir oder mit einer Wand?
"Was hat sich noch nie wiederholt?"
Aiden, der immer noch unsicher und überfordert aussah, versuchte anscheinend krampfhaft die Situation zu verstehen. Tja, das konnte er noch lange versuchen.

Jake schien erst jetzt zu registrieren, dass er noch auf dem Boden saß. Schnell, als hätte der Boden Feuer gefangen, sprang er auf.
"Jake?"
Keine Reaktion.
"Jacob Stuart!"
"Ich glaube, er hört dich nicht", stellte Aiden eher weniger hilfreich fest.

Hilflos wie ein rosafarbenes Kaninchen vor einer Grube voller Schlangen stand Jake im Wohnzimmer. Nur war er nicht rosa: er schien aus den aller verschiedensten Tönen von braun zu bestehen, fast als wäre er selber aus seinem Element, Erde geformt worden. Da er auf meine Rufe tatsächlich nicht reagierte, trat ich an ihn ran und hob die Hand vor sein Gesicht.
"Wie viele Finger zeige ich?"
Er blinzelte, als würde er aus einem tiefen Traum erwachen.
"Lass den Blödsinn, Bell. Ich bin nicht plötzlich blind geworden"
"Es sah ein bisschen so aus, als hättest du plötzlich kein Gehirn mehr. Was war denn überhaupt los?"
"Ich hab Dinge gesehen..."
"Toll. Und war ist daran so besonders?"
"Nichts"
"Gut"

Ich erwartete, dass Jake die Situation erklären würde, doch das tat er nicht. Stattdessen zog er sich das T- Shirt glatt und wandte sich von mir ab.
"Jake, wenn du jetzt einfach gehst sorge ich dafür, dass du stirbst bis du tot bist... Moment. Das macht ja gar keinen Sinn..."

Jake seufzte genervt.
“Ich habe gerade eine Vision gehabt...“
“...das ist mir auch schon aufgefallen...“
“...die ich schon einmal hatte“
Aiden zog die Augenbrauen steil in die Höhe.
“Du meinst, eine deiner Visionen hat sich wiederholt?“
Jake nickte.
“Ist das normal? Für deine Verhältnisse, meine ich“
“Nein. So etwas ist mir noch nie passiert... ich verstehe es gar nicht wirklich“
“Was hast du denn gesehen?“
Jake griff sich an die Brust, an eine Stelle direkt über dem Herzen, als fürchtete er, die Vision könne sich erfüllen. Oder die Prophezeiung hätte doch recht.

Jake war vielleicht nicht der beste Mensch auf diesem Planeten (wer war das schon...) aber ich wünschte ihm wirklich nicht, dass irgendwelche Messer sein Herz durchschlugen.
“Tod und Verberden“, fasste er seine Vision schließlich zusammen.
“Wie unglaublich aufschlussreich. Jetzt weiß ich ganz genau was du meinst, Jacob
“Vielleicht solltest du es als eine Art Warnung sehen“, überlegt Aiden mit ernster Miene.
“Vielleicht hast du das zweimal gesehen, damit du genau weiß, wie du es verhindern kannst. Aber wir können dir dabei nicht helfen, wenn du uns nicht sagst, worum es genau geht“
Jake hob schweigend die Schokolade auf und begann das Silberpapier abzuziehen. Ich verzichtete darauf ihm zu sagen, dass die Süßigkeit genau genommen jetzt mir gehörte.
Er biss genüsslich hinein.
“Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Und etwas run, dass ich eigentlich erst in zwei Stunden vor hatte“
“Und was ist das?“
“Euch erklären, wer Rose ist“

Im Zeichen der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Where stories live. Discover now