~10~

114 11 4
                                    

Am nächsten Morgen werde ich vom Klingeln meines Handys wach. Luke und ich erschrecken, aber er dreht sich direkt wieder um und schläft weiter. Verschlafen greife ich nach meinem Handy und gehe dran: "Hallo?" "DEINE MUTTER IST IM KRANKENHAUS! DAS BABY KOMMT!" brüllt mir Mark entgegen. Ich stöhne genervt auf: "Warum sollte mich das interessieren? Es ist fünf Uhr morgens!" "Das Kind ist dein Bruder!" motzt er. "Schön, dass ich das dann auch mal erfahre! Ich wusste bis heute nicht einmal, dass es ein Junge wird. Außerdem wird meine Mutter nicht wollen, dass ich Kontakt zu ihm habe..." antworte ich. "Er ist dein Bruder! Natürlich wirst du Kontakt zu ihm haben sollen!" widerspricht er. "Dann kennst du meine Mutter nicht gut genug..." murmele ich traurig. "Naja, ich wollte jedenfalls Bescheid sagen..." höre ich Marks Stimmt. "Danke." "Gerne. Bis dann mal" sagt er. "Bis dann" antworte ich und kuschele mich wieder an Lukes Seite. Er schnarcht noch immer leise vor sich hin und als ich mich neben ihn lege, zieht er mich an sich. Ich seufze leise und denke traurig darüber nach, wie wenig ich mit meinem Bruder zu tun haben werde...ich wusste ja nicht einmal, dass ein Bruder ist. So komisch es klingt, ich vermisse meine Mutter. Egal wie viel sie mir angetan hat, sie ist meine Mutter und inzwischen fühle ich mich schlecht dafür, dass ich seit fast einem halben Jahr bei den Hemmings wohne.
Plötzlich spüre ich Lukes Lippen auf meinem Nacken. "Worüber denkst du nach, Süße?" fragt er. Warum kennt er mich so gut? "Weil du dich immer anspannst wenn du dir Gedanken machst" sagt er. Habe ich das gerade laut gesagt? "Ja" sagt er wieder. Ich schließe meine Augen. "Worüber denkst du denn jetzt nach?" fragt er nochmal. "Ich habe jetzt einen Bruder. Und ich vermisse meine Mutter. Und ich fühle mich schlecht dafür, dass ich bei euch wohne und ihr alles für mich bezahlt und so..." erkläre ich meinem Freund. "Ach Annie, dreh dich um" seufzt er. Also drehe ich mich in seinen Armen um und sehe in seine blauen Augen. "Mach dir nicht so viele Gedanken. Es ist klar, dass du deine Mutter vermisst. Und wir machen das alles gerne für dich. Ach und herzlichen Glückwunsch zu deinem Bruder" lächelt er und küsst mich vorsichtig. "Danke" antworte ich und vergrabe mein Gesicht in seinem Oberkörper. "Ich glaube ich möchte Mama noch eine Chance geben...." nuschele ich in seine Haut. "Dann tu das. Es ist doch nichts falsch daran" ermutigt Luke mich. Ich nicke.

"Kommst du Luke?" rufe ich die Treppen hoch. Ich habe Mark noch einmal angerufen und gefragt, in welchem Krankenhaus Mama ist. Jetzt wollen Luke und ich dort hin fahren. Ich habe mich dazu entschlossen, Mama wirklich noch eine Chance zu geben. Sie ist meine Mama... "Komme" höre ich meinen Freund und kurz darauf sehe ich seine blonden Haare oben an der Treppe.
"Freust du dich?" fragt er, als er unten ankommt. Ich nicke.
Er bringt mich und Chris zum Auto und lässt sich dann neben mir auf dem Fahrersitz nieder.
Ich muss gestehen, dass ich mit jedem Meter, den wir näher am Krankenhaus sind, nervöser werde. Ich habe Angst vor Mamas Reaktion. Ich weiß nicht, was ich erwarten soll...

Luke klopft an der Tür zu Zimmer Nr. 241 und als ein 'herein' ertönt, öffnet er die Tür und schiebt mich in den Raum. Meine Mutter liegt im Bett und hält ein kleines Baby im Arm, meinen Bruder. Sie lächelt auf ihn herab. Mark sitzt auf der Bettkante und streichelt sanft über die Hand meiner Mutter. Als sie aufsieht, verschwindet ihr Lächeln. "Hallo Mama" begrüße ich sie erstickt. "Hallo. Warum bist du hier?" antwortet sie. "Weil er mein Bruder ist.." murmele ich. "Er ist nicht dein Bruder" sagt sie mit fester Stimme. Ich erschrecke: "Was?" "Er ist nicht dein Bruder. Er hat einen anderen Vater. Und so wie du dich benimmst, bist du auch nicht meine Tochter" wiederholt meine Mutter. Ich weiß nicht was ich sagen soll, also schweige ich und starre sie nur ungläubig an. "Du brauchst mich auch gar nicht so ansehen. Solange du mit diesem Idioten zusammen bist, kann ich dir nicht vertrauen. Seit du ihn kennst lügst du mich nur noch an" stellt sie klar. "Mama, da stimmt nicht!" widerspreche ich. "Und wie das stimmt. Depressiv, dass ich nicht lache" antwortet sie sarkastisch. "Das war keine Lüge" flüstere ich mit Tränen in den Augen. Luke legt seine Hand auf meine Schulter und drückt sie sanft. "Ich möchte nicht, dass du in irgend einer Weise Kontakt zu meinem Sohn hast, solange du mit Luke zusammen bist." erklärt meine Mutter und macht mir dann mit einer Handbewegung klar, dass ich gehen soll. Niedergeschlagen drehe ich mich mit meinem Rollstuhl um und rolle auf die Tür zu. Luke lässt mich, bleibt selber aber stehen.
Als die Tür hinter mir zu geht, höre ich seine Stimme: "Wie können Sie das Ihrer Tochter nur antun? Sie wollte Ihnen noch eine Chance geben..." "Mir eine Chance geben? Sie ist es doch, die eine zweite Chance braucht" lacht meine Mutter. "Ganz sicher nicht. Sie haben Annie nicht ernst genommen und von sich gestoßen. Sie leidet noch immer daran. Jede Nacht hat sie Albträume, an die sie selbst sich nicht erinnern kann...Sie weiß das nicht einmal. Ich möchte nicht, dass sie sich noch mehr Gedanken macht, als eh schon." redet Luke unbeirrt weiter. Was? Ich habe Albträume? Warum hat er mir das nicht gesagt? Ich spüre, wie sich in meinem Körper eine Panikattacke anbahnt und schließe meine Augen. Vorsichtig lege ich meine Hand auf meinen Bauch und konzentriere mich auf meine Atmung. Kurz darauf höre ich hinter mir die Tür zu Mamas Zimmer aufgehen. Keine Sekunde später legt Luke seine Hände auf meine Oberschenkel. "Ist alles okay, Baby?" fragt er. Ich öffne meine Augen und sehe ihn an: "Warum hast mir nichts gesagt?" "Du hast gehört, was ich gesagt habe?" Ich nicke. "Ich wollte dich nicht noch mehr belasten. Du machst dir eh schon viel zu viele Gedanken. Deshalb habe ich dich schlafen lassen und dich einfach nur in den Arm genommen..." murmelt Luke. "Danke" flüstere ich und küsse meinen Freund. Er lächelt sanft und erwidert den Kuss.

happy. l.h. (Teil 2)Where stories live. Discover now