Kapitel 4

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Als ich am Nachmittag in La Push aus dem Transporter stieg, überkam mich ein wohliges Gefühl, eine Mischung aus Freiheit und dem Gefühl Zuhause zu sein.

Ich wusste nicht, woran es lag, aber als Jacob aus seiner Werkstatt kam und mir zulächelte, kam mir die Situation seltsam vertraut vor.

„Ist das deiner?", fragte er beeindruckt und zeigte auf den Wagen.

„Hab ich meinem Dad geklaut", grinste ich. „Meine Eltern wissen nicht, dass ich das Motocross reparieren lassen will."

Jacobs Augen leuchteten. „Wir machen also etwas Verbotenes?"

„Genau genommen - ja", gestand ich und hoffte, dass er das Ganze jetzt nicht doch noch abblasen wollen würde.

Aber er sagte mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht: „Dann lass uns mal anfangen", was mich zum Lachen brachte.

Er ging um den Transporter herum und zog die Plane herunter. „Heißes Teil", pfiff er, als darunter das Motocross zum Vorschein kam.

„Es gehört meinem Bruder."

„Und du willst jetzt auch anfangen?", fragte er mich.

Ich schüttelte den Kopf und lächelte traurig. „Es soll eigentlich ein Geschenk sein."

Jacob merkte anscheinend, dass mir das Thema unangenehm war, denn er hakte nicht weiter nach. Er griff nach dem Bike, um es herunter zu heben.

„Äh, Jacob - das Teil ist ziemlich schwer", sagte ich noch, aber da stand es längst vor mir auf dem Boden. „Alles klar. Was für Tabletten schmeißt du dir ein?"

„Anabolika, was denn sonst?", feixte er und ich verdrehte die Augen. Trotzdem dachte ich mir, dass kein 17-jähriger Junge allein einfach so ein Bike stemmen kann; aber offenbar hatte ich mich da wohl geirrt. Mir war bei unserer ersten Begegnung ja schon aufgefallen, wie muskulös er war - aber seine Kraft überstieg meine Vorstellung dann doch gewaltig.

Jacob ging sichtlich darin auf, an dem Bike herumzuschrauben. Seiner Meinung nach bräuchte er nur eine Stunde, dann würde es wieder laufen; deswegen weigerte er sich auch vehement, dafür bezahlt zu werden.

„Aber irgendwie möchte ich mich schon dafür revanchieren", beharrte ich, „ich hätte es nie reparieren lassen können, ohne dass meine Eltern es mitbekommen hätten - in Forks kennt leider jeder jeden."

Jacob dachte nach. „Du bist morgen Abend doch auch am Lagerfeuer. Normalerweise bringen die Frauen immer was zu Essen mit - du könntest mir ja auch was mitbringen", meinte er grinsend.

Ich saß auf einer alten Couch, die schon bessere Tage gesehen hatte und mitten in Jakes Werkstatt stand. Die Werkstatt hatte sich als größer herausgestellt, als sie von außen zuerst den Anschein gemacht hatte. Überall lagen fein säuberlich sortierte Teile herum, sodass ich Angst hatte, irgendwas kaputt zu machen, wenn ich mich frei bewegte.

„Kann ich machen", lachte ich, „ich wollte sowieso fragen, ob ich was mitbringen soll."

„Diesen Idioten brauchst du nichts mitzubringen - gerade so für mich, damit ich es vor ihnen verputzen kann."

Ich musste lachen, weil er, obwohl er über „diese Idioten" sprach, trotzdem einen liebevollen Unterton in der Stimme hatte. Ich vermutete, dass der Quileute-Stamm wie eine große Familie war.

„Vorher esse ich es dir weg", erklang da eine Stimme hinter uns. Ich drehte mich auf dem Sofa um und erblickte einen Jungen, der gerade die Werkstatt betrat. Auch er hatte dieses indianische Aussehen, die dunklen Augen, die dunkle Haut, nur war sein Haar leicht gelockt.

„Ava, das ist Quil", stellte Jacob mir den Jungen vor. „Einer der größten Idioten hier im Reservat. Musst du nicht babysitten?"

„Hi, ich bin Quil Ateara", wandte er sich mir zu und lächelte freundlich. Jacobs Frage ignorierte er einfach.

Ich schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln. „Ich bin Ava."

„Ach, du bist die Kleine, die morgen mit ans Lagerfeuer kommt?"

Ich zog eine Augenbraue nach oben und sah Jacob an. „Ich bin die Kleine?"

Jacob sah mich peinlich berührt an, bevor er Quil einen bösen Blick schenkte. „So habe ich das nicht gesagt."

„Streitest du auch den Teil ab, in dem du sie heiß fandest?", warf Quil ein und grinste Jacob fies an. Dieser warf einen Schraubenschlüssel nach ihm. Ich schloss daraus, dass sie beste Freunde waren.

„Tut mir echt leid", meinte Jacob entschuldigend, „normalerweise führt er sich in der Gegenwart von Mädchen nicht so auf."

„Die anderen Mädchen sind ja auch langweilig", zwinkerte Quil mir zu.

„Deswegen gehst du also mit deiner Cousine auf den Abschlussball." Jetzt war es Jacob, der ihn fies angrinste.

Ich hatte schon lange nicht mehr so Spaß. Die beiden vermittelten mir das Gefühl, dazuzugehören, obwohl ich sie noch gar nicht richtig kannte.

„Deine Cousine? Wow", stieg ich mit ein.

Quil stöhnte. „Er verschweigt, dass er erst gar keine Begleitung hat."

Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ich blickte Jacob an.

Der hob rechtfertigend die Arme. „Ich hab nun mal keine Cousinen hier in der Gegend", kam sofort der Seitenhieb gegenüber Quil.

„Lassen wir das", wehrte dieser nur ab. Er setzte sich zu mir auf die Couch. „Ist das deines?", zeigte er auf das Motocross.

„Es gehört eigentlich meinem Bruder."

„Dann ist dein Bruder ein verdammter Glückspilz. Das Teil ist der Wahnsinn", schwärmte Quil. Ich war leicht zusammen gezuckt, als er das gesagt hatte. Bitter dachte ich daran, dass mein Bruder alles war, aber kein verdammter Glückspilz.

~~~

Was ist wohl mit Avas Bruder?

this is lycanthropy (Embry Call)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant