Kapitel 35

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„Ava!"

Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter; eigentlich war das unnötig, denn Livs Stimme würde ich überall erkennen. Jetzt kam sie hinter mir ebenfalls aus dem Diner.

„Ava! Bleib stehen!", rief sie.

Ich atmete kurz durch. Schließlich entschied ich mich dafür, doch stehen zu bleiben.

„Was willst du hier?", schnauzte sie mich an.

Ich schwieg und schaute sie nur abwartend an. Ich kannte Liv; ich wusste, dass sie nicht wirklich eine Antwort auf diese Frage wollte.

„Hast du versucht mein Date zu crashen?", herrschte sie mich an. „Was ist dein Problem? Du hast doch jetzt Embry - also kannst du Ian gefälligst in Ruhe lassen."

Für einen kurzen Augenblick blieb mir das Gesicht stehen. „Du denkst, ich versuche dir Ian auszuspannen?", fragte ich sie fassungslos.

Sie zuckte mit den Achseln. „Ich wüsste nicht, welchen Grund du sonst haben solltest, so sehr verhindern zu wollen, dass ich Zeit mit ihm verbringe."

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es kränkte mich, dass meine beste Freundin so von mir dachte. Es versetzte mir einen Stich, der es mir sowieso unmöglich machte, darauf etwas zu erwidern.

Sie schnaubte nur rechthaberisch. „Wusste ich's doch."

„Ist das dein verdammter Ernst?", wurde ich laut. „Ich bin mit Embry zusammen! Und ich liebe ihn. Und ganz sicher bin ich nicht interessiert an diesem hochnäsigen Blut-" Ich brach ab. Innerlich gab ich mir eine Ohrfeige. Fast hätte ich mich Liv gegenüber verplappert.

„Du kennst ihn doch überhaupt nicht, also warum urteilst du so vorschnell über ihn?", fuhr Liv mich an.

„Ich weiß genug über ihn", fauchte ich zurück. Es machte mich wütend, dass sie mir so wenig vertraute. Früher hatte ich immer gedacht, dass wir uns blind aufeinander verlassen konnten - und jetzt trieb ein Typ einen Keil zwischen uns.

Erneut ging hinter Liv die Eingangstür des Diners auf und Ian erschien hinter ihr. „Olivia. Lass uns besser woanders hingehen."

Sie sah mich an. „Ja. Das ist vermutlich das Beste."

Ganz der Gentlemen reichte Ian Liv natürlich ihre Jacke. Von ihrem strahlenden, verliebten, glücklichen Gesichtsausdruck, den sie daraufhin hatte, musste ich mir das Würgen verkneifen. Ich verfluchte Matt dafür, dass er so ein Idiot war. Wenn nur ein Fünkchen mehr Verstand hätte, hätte er Liv damals nicht betrogen - und sie wäre jetzt immer noch mit ihm zusammen, statt mit einem Vampir auszugehen. Zwar hatte ich Matt nie wirklich leiden können - er war nun mal ein komplett verblödeter Idiot -, aber er war mir doch noch tausendmal lieber als Ian.

Gerade, als Liv ihre Jacke an sich nahm, sprang ein Wolf - Sam - zwischen sie und Ian und riss den Blutsauger zu Boden.

Ich erschrak so sehr, dass ich für einen Moment alles um mich herum vergaß. Das war so nicht der Plan gewesen.

Liv wurde von der Wucht von Sams Sprung so aus dem Gleichgewicht gebracht, dass sie rückwärts taumelte. Dabei stolperte sie und rauschte dem harten Parkplatzboden entgegen.

Instinktiv sprang ich nach vorne, um sie aufzufangen, aber durch meine kurze Schreckstarre war ich zu langsam.

Sie fiel hin und knallte mit dem Kopf auf den Beton.

Aus dem Augenwinkel heraus sah ich wie Ian sich von Sam losreißen konnte und versuchte Reißaus zu nehmen. Wie auf Kommando rasten im gleichen Augenblick die restlichen Wölfe des Rudels auf den Parkplatz und kesselten ihn ein.

Ian ging direkt auf sie los.

Ich konzentrierte mich nicht weiter auf den Kampf, sondern stürzte auf Liv zu, die sich nicht bewegte. Als ich mich neben sie kniete, um zu sehen, ob sie noch bei Bewusstsein war, blieb mein Herz stehen.

Neben ihrem Kopf hatte sich mittlerweile eine Blutlache gebildet. Sie war ohnmächtig.

„Liv! Liv!"

Panisch drehte ich mich zum Rudel um. Ich brauchte Hilfe.

Doch anstatt dass einer aus dem Rudel mich bemerkte und sich zurückverwandelte, starrte ich genau in Ians Augen. Er war für einen kurzen Moment in seiner Bewegung verharrt, während sein Blick auf Liv und mir lag. Seine Nasenflügel blähten sich auf.

Meine Nackenhaare stellten sich auf. Er roch Livs Blut.

„EMBRY!", schrie ich. „Sie blutet!"

Das ganze Rudel setzte sich in Bewegung und ging erneut auf Ian los. Doch anstatt sich zu wehren, wich er ihren Angriffen jetzt nur aus und bahnte sich seinen Weg zu meiner bewusstlos daliegenden besten Freundin.

Ich stand automatisch auf und stellte mich vor sie. Ich wusste, dass ich gegen ihn keine Chance hatte und trotzdem - wenn er Liv auch nur berühren wollte, musste er erstmal an mir vorbei.


this is lycanthropy (Embry Call)Where stories live. Discover now