Kapitel 18

4.4K 165 7
                                    

Schwungvoll öffnete sich die gestrichene Haustür, die wie der Rest des kleinen am Waldrand gelegenen Hauses in einem kräftigen Ziegelrot gehalten war, und eine Frau im mittleren Alter – ich schätzte sie auf Mitte 40 – blickte mir mit erstauntem Gesichtsausdruck entgegen. Sie hatte schulterlanges, schwarzes, seidiges Haar und sanfte Gesichtszüge, die von den dunklen Augen dominiert wurden und bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem mir nur allzu gut bekannten Gesicht hatten. Ihr Teint war rostbraun, wie es bei den Quileute üblich war. Dafür, dass sie ziemlich groß war, wirkte sie trotzdem recht zierlich, was an ihrer schmalen Gestalt lag.

Ich ergriff schließlich das Wort: „Hallo, ich bin Ava. Sie müssen Mrs. Call sein?" Freundlich lächelt streckte ich ihr die rechte Hand entgegen.

Sie erwiderte mein Lächeln, jedoch nicht ohne die Spur des Misstrauens in ihrem Gesichtsausdruck zu verlieren. Wahrscheinlich war sie auf das Schlimmste gefasst, weswegen ich an ihrer Haustür geklopft hatte. Während wir uns kurz die Hände schüttelten, antwortete sie: „Die bin ich. Wie kann ich dir helfen?"

Ich wusste, dass ich jetzt keinen Fehler machen durfte, nicht, dass Embry am Ende noch mehr Ärger bekam. Ich wollte ihm ja schließlich aus der Patsche helfen, statt ihn noch weiter hinein zu reiten.

„Ich wollte eigentlich zu Embry" – Mrs. Call zog überrascht die Augenbrauen nach oben – „und mich dafür bedanken, dass er mich am Wochenende von der Feier in meiner Schule nach Hause gebracht hat", meinte ich und lächelte verlegen.

Dazu musste ich nicht einmal schauspielern, denn beim Gedanken daran, was sich an diesem Abend alles zwischen uns geklärt hatte, errötete ich automatisch. Trotzdem plagte mich das schlechte Gewissen schon etwas, Embrys Mutter anzuschwindeln. Auch wenn es eine Notlüge war, da Embry ja nicht zum Spaß nie zu Hause war. Und außerdem stimmte dieser Teil der Geschichte ja sogar wirklich.

„Davon weiß ich gar nichts", sagte sie stirnrunzelnd.

„Nun ja, vermutlich wollte er nichts von meinen persönlichen Gründen, wieso ich früher nach Hause wollte, einfach so ausplaudern", warf ich ein. „Ich hatte Streit mit einem Freund, der mir die Lust aufs Feiern dann verdorben hat. Und da sonst alle noch bleiben wollten, hätte ich nachts alleine heimlaufen müssen. Da ich gerade mit Embry schrieb, bot er mir an, mich nach Hause zu bringen."

Ich verstummte und wartete Mrs. Calls Reaktion ab, die mich überrumpelt und mit großen Augen anstarrte.

„Ich hatte ja keine Ahnung", hauchte sie, dann blickte sie mich schuldbewusst an. „Und ich habe ihm Hausarrest gegeben."

„Ich wollte nicht, dass er wegen mir Ärger bekommt...", fing ich an.

Sie unterbrach mich sofort. „Nein, nein, Liebes, das ist nicht deine Schuld. Natürlich kann man ein junges Mädchen nicht nachts alleine nach Hause laufen lassen. Noch dazu, wenn nach so einer Party Betrunkene unterwegs sind." Wohlwollend sah sie mich an. „Ich wusste gar nicht, dass es ein Mädchen gibt, für das sich mein Embry sogar ohne Widerrede Hausarrest geben lässt."

Daraufhin lief ich natürlich knallrot an.

Mrs. Call lachte nur. „Geht mich ja auch nichts an. Möchtest du reinkommen?", fragte sie mich. „Du kannst ihm auch gleich mit ausrichten, dass seine Strafe natürlich aufgehoben ist."

Triumphierend lächelte ich in mich hinein. Ich hatte es tatsächlich geschafft.

„Das hört er bestimmt gern", lachte ich und sie stimmte mit ein.

Ich trat ins Haus und sie schloss die Tür hinter mir. Das erste, was mir drinnen auffiel, war die ungewöhnliche Atmosphäre. Die Einrichtung sah in etwa so aus wie bei Emily, zusammengewürfelt und doch unglaublich gemütlich.

this is lycanthropy (Embry Call)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt