Epilog

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Die pink-glitzernde Schleife auf dem großen, mit silberfarbenem Geschenkpapier eingepackten Karton, den ich mit meinen Armen gerade noch so umschlingen und festhalten konnte, wackelte beim Gehen hin und her. Ich verfluchte den Kleber, dessen Werbeslogan unfassbar guten Halt versprochen hatte und der dieses Versprechen nicht einmal ansatzweise einhielt. Andererseits glaubte ich nicht, dass die Schleife allzu lang auf der Schachtel bleiben würde.

Vermutlich würde die Schleife nicht so in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn ich langsamer laufen würde, aber ich war zu spät dran. Die zehn Minuten, in denen ich Zuhause vergeblich versucht hatte, sie auf dem Karton festzumachen, hatten meinen Zeitplan gesprengt. Am Ende hatte ich nicht einmal die Zeit gehabt, mir die Kleberreste - die einfach überall gewesen waren - ordentlich abzuwaschen.

Ich bog um die Ecke des rot getäfelten Häuschens und erblickte das blanke Chaos.

Jacob, der sich bemühte, pinke Luftballons an die Dachrinne des Hauses zu binden.

Paul, der zwei Garnituren Tische auf der Schulter durch die Gegend trug.

Embry, der aus der anderen Richtung kommend zwei Bänke hinter sich her zog.

Emily, die hektisch weiße Papiertischdecken auf die schon stehenden Tische warf.

Leah, die gerade aus der hinteren Eingangstür kam und versuchte, ein überbeladenes Tablett voller Schüsseln und Gläser zu balancieren.

Kim, die ihr folgte und eine Kiste voller Geschirr schleppte.

Jared, der bei dem Versuch verzweifelte, eine Lichterkette zu entwirren.

Sam, der neben ihm stand und das schon aufgedröselte Ende in der Hand hielt.

Und Quil, der offenbar alle herumkommandierte und durch die Gegend schrie. "Nein, Paul, die Bänke sollen da neben den Baum." - "Mehr Luftballons, Jake." - "Wieso ist der Tisch noch nicht gedeckt?" - "Leute, wir haben nur noch eine Viertelstunde!"

Ich erschrak, weil es auf einmal laut rumpelte. Einen kurzen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille und alle blickten zu Leah, die ihr Tablett auf einen der Tische geknallt hatte. "Quil, wenn du jetzt nicht die Klappe hältst, dreh ich dir den Hals um."

Die anderen lachten. Quil schenkte Leah einen empörten Blick; dann schien er mich als erster zu bemerken. "Ah, Ava! Gut, dass du da bist - wir können jede Hilfe brauchen." Dabei sah er bedeutungsvoll ins Leahs Richtung, die nur gleichgültig mit den Achseln zuckte.

"Klar, dafür bin ich hier."

Quil schickte mich zu Emily, der ich mit den Tischdecken helfen sollte. Anschließend begannen wir die Tische einzudecken; währenddessen waren auch alle anderen eifrig damit beschäftigt, die Geburtstagsparty nach Quils Vorstellungen zu gestalten. Auch Embry hatte viel zu tun, weshalb wir gar nicht dazu kamen, auch nur einen Satz miteinander zu sprechen.

Zehn hektische Minuten später setzte Quil sich erleichtert auf eine der Bänke und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Gerade noch rechtzeitig. Sie wird jeden Moment da sein."

Herrschte vorher noch das Chaos, hatte sich der Garten nun in einen pinken Mädchentraum von einer Geburtstagsparty verwandelt.

Leah setzte sich auf die Bank daneben. "Und das alles für einen vierten Geburtstag. " 

"Claire wird schließlich nur einmal vier Jahre alt", rechtfertigte Quil sich.

"Toll, das heißt also, wir dürfen diesen Zirkus jetzt jedes Jahr mitmachen", stöhnte Jared.

Ich lehnte mich grinsend an einem der Tische an und Embry stellte sich neben mich.

"Hey", sagte er und grinste mich an.

"Hey", grinste ich zurück.

"Ich glaube, du bist die Einzige - abgesehen von Quil -, die gerade glücklich und zufrieden aussieht." Er sah mich von der Seite an. "Darf ich wissen, wieso?"

Ich drehte mich zu ihm. "Ich bin nun mal glücklich", meinte ich, zog ihn zu mir und küsste ihn.

Und wie immer fühlte es sich an, als sei ich endlich vollständig. 

~

Ich war schon immer fasziniert von Märchen und Legenden gewesen. Sie ließen einen in eine andere Welt eintauchen, durch die man die Wirklichkeit um sich herum vergessen konnte. Und die magischen Wesen, die Monster - die zogen mich am meisten in den Bann.

Ich hätte nie gedacht, dass all die Märchen wahr waren. Dass die Legenden real werden würden. Dass es die Monster tatsächlich gab.

Doch die Wirklichkeit ist: Nicht alle Monster sind gleich. Manche von ihnen können Freunde, Familie sein.

Oder deine große Liebe.

this is lycanthropy (Embry Call)Where stories live. Discover now