Kapitel 8

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~ Embry ~

Ich hetzte zum Lagerfeuer. Ich war sowieso schon zu spät, weil Mum wieder ausgerastet war und mich nicht gehen lassen wollte. Ich hatte mich ernsthaft einem Verhör unterziehen müssen, ob ich Drogen nahm. Der Gedanke ließ mich bitter lächeln. Meine Mutter hatte keine Ahnung, wie daneben sie lag.

Sie hat mir eine Woche Hausarrest verpasst.

Ich war aus dem Fenster gestiegen.

Als ich schließlich das Feuer erreichte, fragte Sam mich: „Embry. Gab's Probleme?" Natürlich wusste er, was für einen Stress ich Zuhause hatte, aber auch er konnte es nicht ändern. Er hätte mir sogar erlaubt, meine Mutter einzuweihen, aber das Geheimnis war zu wichtig.

Also sagte ich nur: „Nein. Tut mir leid, dass ich zu spät bin." Als ich mich neben Jared setzte, bemerkte ich neben Jake ein fremdes Mädchen, aber das Feuer war zu hell, um wirklich etwas erkennen zu können.

„Gut", meinte Billy dann, „jetzt, wo wir vollständig sind, können wir ja weitermachen."

Billy erzählte die Vampir-Geschichte, die ich mittlerweile schon fast auswendig kannte, deswegen schaltete ich etwas ab. Mein Blick schweifte über die anderen, denen es nicht anders zu gehen schien wie mir.

Nur die Fremde kritzelte eifrig auf einen Block. Ein bisschen fassungslos beobachtete ich die flotten Handbewegungen, die sie beim Schreiben machte.

Wer schrieb denn bei sowas schon mit?

Billy endete schließlich und Stille breitete sich aus.

„Äh – ich hätte eine Frage." Die Stimme war leise und seltsam melodisch. Und sie gehörte eindeutig der Fremden.

„Was möchtest du wissen?", fragte Billy freundlich.

„Die Kalten Wesen. Ich hab zwar schon im Internet recherchiert, aber ich wollte wissen, wie ihr sie euch vorstellt."

Sie hatte im Internet recherchiert? Bitte, was?

„Was hast du denn selbst rausgefunden, Ava?", hakte Billy nach, statt dass er ihr eine Antwort gab.

Und die Antwort schwebte längst unausgesprochen über dem Rudel, über dem ganzen Stamm.

„Vampire", sagte sie.

Billy sah sie bedeutungsvoll an.

„Echt jetzt? Vampire gegen Werwölfe?", fragte sie fassungslos nach.

Jared unterdrückte das Lachen. Der Rest versuchte, möglichst auf den Boden zu schauen. Es war Jacob, der die Situation wieder entspannte: „Es ist nur eine Geschichte, Ava."

Wahrscheinlich hat Jake vorher noch nie so gelogen, wie mit diesem schlichten Satz.

Allmählich setzten die Gespräche wieder ein. Quil verabschiedete sich schließlich, um Claire ins Bett zu bringen. Jared versuchte, mich zu einer Wette zu bringen, wann Seth sich wohl prägen würde – da ja eine Ahnungslose mit in der Runde war, formulierte er es mit „seine Schnecke finden". Solche Wetten waren typisch für Jahred. Ich wettete lieber über Sport oder wer bei der nächsten Rauferei im Rudel gewinnen würde.

Das fremde Mädchen stand irgendwann auf und fragte Jake, wo die Toilette sei.

Als sie weg war, fragte Paul laut: „Ist das die Kleine, die gestern in Quils Gedanken mit dir an einem Bike rumgeschraubt hat?"

Diese Information überraschte mich. Diese Streberin schraubte an Bikes?

„Halt die Klappe, Paul", meinte Jake. „Embry, trägst du was mit mir rein?", fragte er mich.

Ich konnte verstehen, dass er Paul keine Antwort geben wollte – immerhin war es einfach Paul. Jeder aus dem Rudel wusste, dass Jacob mit keinem Mädchen etwas anfangen würde, außer, er prägte sich auf sie.

Ich stand auf und schnappte mir drei Getränkekisten. Schweigend gingen wir zum Haus und ich verstaute die vollen Kisten im Vorratsraum, während Jake die übrigen Essensreste in den Kühlschrank räumte. Ich wusste genau, wo ich was hinstellen musste, weil die Blacks mein zweites Zuhause waren – Jake und ich waren schon seit unserer Kindheit beste Freunde. Wir verstanden uns ohne Worte, vor allem, wenn es um Autos und Motorräder ging. Und auch, wenn wir im Rudel unterwegs waren, hatten wir einen direkten Draht zu den Gedanken des anderen.

Mit Quil war es ähnlich. Nur war für ihn Claire nun an erster Stelle, weshalb er die meiste Zeit mit babysitten beschäftigt war.

Nachdem ich die letzte Kiste weggeräumt hatte, ging ich rückwärts aus dem kleinen Raum. Erst, als ich den Türrahmen erreicht hatte, drehte ich mich um. Ich wollte Jacob gerade rufend fragen, ob er noch Hilfe bräuchte, als die Fremde aus dem Badezimmer kam.

Erst jetzt erkannte ich, dass sie auffallende rote Haare und eine zierliche Figur hatte. Eine irgendwie heiße Figur.

Offenbar hatte sie mich noch nicht bemerkt. Sie ging zwar geradewegs auf mich zu, aber ihr Blick schweifte über die Bilder an der Wand.

Dann stolperte sie über das Telefonkabel, dass quer über den Boden getackert war und über das Billy sich dauernd aufregte, weil er ständig mit dem Rollstuhl daran hängen blieb.

Sie versuchte sich abzufangen, verlor dann aber doch das Gleichgewicht. Wild mit den Armen rudernd flog sie dem Fußboden entgegen.

Ich handelte automatisch; ohne wirklich darüber nachzudenken, überbrückte ich den uns trennenden Abstand mit einem großen Satz. Ich war gerade noch rechtzeitig bei ihr.

Dann fiel sie mir in die Arme.

Sie schnappte überrascht nach Luft und ich hörte ihr schnelles Herzklopfen. Ich nahm ihr Gewicht in den Armen kaum wahr.

Ein paar Sekunden verstrichen, dann fing sie sich anscheinend wieder. Ich vernahm ein aufgelöstes: „Tut mir wirklich leid."

Dann hob sie den Blick.

~~~
Na, was meint ihr: Wird Ava das peinlicher finden, als jemand die Muffins drüberzukippen?

this is lycanthropy (Embry Call)Where stories live. Discover now