Chapter 2

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Noch immer überwältigt von seinem plötzlichen Auftauchen fuhr ich mir kraftlos durch die Haare. Immer wieder schüttelte ich meinen Kopf, ob es vielleicht nur Einbildung war, ob ich gerade träumte? Doch es war alles echt, alles real. Ich griff nach meinem Handy und wählte die Nummer, welche ich bereits auswendig kannte. Erstes Piepen...nichts... zweites Piepen...Stille....drittes Piepen und sie hob ab. "Solji, ja hey, können wir uns bitte im Café um die Ecke treffen? Es ist wichtig." Ohne ins Detail zu gehen stimmte sie zu und legte daraufhin auf. Ich machte mich mit schnellen Schritten auf den Weg, in das naheliegende Bistro und wartete auf meine Verabredung. Ich bestellte mir in der Zwischenzeit schonmal etwas und machte es mir an einem Tisch in mitten des Raumes bequem. Mein Blick fiel einmal kurz zur kleinen schwarzen Wanduhr des gut befühlten Cafés, was ich aber auch gut nachvollziehen konnte. Ich ging seit längerer Zeit bereits in dieses kleine gemütliche Bistro, hier war ich sogar mal mit meiner Familie. Als sie noch nicht so auseinander gebröckelt war.

Es war eine kalte, dunkle Winternacht. Wir feierten den Geburtstag meines Vaters, weshalb wir auch eine riesige Ausnahme machten und in einem Bistro essen gingen, welches unser damaliges Budget weitaus überschritt. Meine Eltern hatten lange auf diesen Tag hingespart, ich und Taeyong liefen vor unseren Eltern die Straße entlang und warfen uns mit Schneebällen ab. Als wir ankamen half mir mein Bruder meine Sachen, an den für mich damals zu hohen Kleiderständer, aufzuhängen. Nachdem wir das gemacht hatten setzten wir uns und bestellten, ich hatte extra zuvor nichts gegessen, um auch garantiert großen Hunger zu haben und meine Eltern nicht zu enttäuschen. Der gesamte Abend lief perfekt und er hatte sich bis heute in mein Kopf gebrannt. Doch das alles war Vergangenheit, ich lebte im Jetzt und musste mich auf die Zukunft konzentrieren.

Ich blickte um mich herum und musterte die befühlten Tische, wo sich Familien, Jugendliche oder Paare unterhielten. Es schien für jeden toll zu laufen, doch der Schein trügte. Jeder von uns hier im Raum hatte seine eigenen Probleme, sowie eine passende Vergangenheit.

Eine weitere Person trat durch die alte Glastür und schenkte mir ein freudestrahlendes Lächeln. Sie war das typische Bild eines koreanischen Mädchens, welches einem immer in den Kopf kam, sobald man an Korea denken musste. Sie war zierlich, schmal, hatte schneeweiße Haut, pechschwarzes Haar und bestimmt eine Operation hinter sich. Doch es änderte nichts an ihrem Charakter, denn sie war meine beste Freundin. Mit schnellen Schritten kam sie zu meinem Tisch gelaufen und setzte sich gegenüber von mir hin. Auf ihrem Weg, hielt sie kurz einen Kellner fest und gab eine Bestellung auf. "Also schieß los, was ist passiert?" Lächelnd verdrehte ich meine Augen. "Dir auch ein schönes Hallo. " Meine gegenüber schüttelte ernst drein blickend ihren Kopf und hob ihre Hand dem Kellner entgegen, welcher vergeblich in dem überfüllten Café nach seiner Kundin suchte. "Ich habe gerade einen wirklich süßen Typen für dich sausen lassen. Und du kennst mich, ich würde das niemals machen, wenn du dich nicht besorgniserregend angehört hättest. Also sag schon, was ist los?" Auch ich setzte nun eine ernste Miene auf und beugte mich tief ausatmend zu ihr vor. "Taeyong ist wieder da." Meinte ich monoton und erhaschte für einen kurzen Moment einen geschockten Gesichtsausdruck meiner besten Freundin. Sie rührte stumm in ihrem Cappuccino rum und klopfte danach den kleinen Löffel an der Kante der Tasse ab. Sie legte ihn auf den kleinen Teller und nahm einen Schluck von ihrem warmen Getränk. Daraufhin räusperte sie sich und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihr Blick fokussierte mich wieder und sie begann zu reden. "Nur damit wir uns richtig verstehen. Wir reden hier von dem Taeyong, welcher dafür verantwortlich war, dass du die letzten Jahre fiesen Schickereien von unseren Schulkameraden ausgesetzt warst. Dem Taeyong, weshalb dich deine Eltern wie das dritte Rad am Wagen behandeln und dem Taeyong, welcher euch damals einfach allein gelassen hatte und noch nicht mal den Anstand besaß, sich bei dir zu melden?" Gereizt nickte ich und senkte meinen Blick zu Boden. Solji kannte ich seit der Grundschule, sie war schon immer eine der Wenigen die mich mochten, ohne zu wissen, dass ich die kleine Schwester eines Idols war. Sie konnte mich in einigen Dingen gut verstehen und meine Reaktionen auch nachvollziehen, denn ihre ältere Schwester war eine bekannte Moderatorin. Sie selbst kannte es wenn der oder die erst geborene oder geborener im Vordergrund stand, jedoch waren ihre Eltern selber hoch angesehene Leute in dem was sie taten und behandelten ihre Töchter demnach gleich. Ihr Vater war ein Chef eines Autohauses und ihre Mutter war Zahnärztin.

"Weshalb ist er da?" Durchbrach Solji das laute Gemurmel von den Leuten um uns herum. Ich zuckte gleichgültig mit meinen Schultern und nahm ebenfalls ein Schluck meines süßlichen Getränks. "Keine Ahnung, sofort als er kam verschwand ich auch schon. Mit einem Mal kamen die ganzen Erinnerungen von damals hoch. Wie er von einem auf den anderen Tag verschwand und mich plötzlich nur noch wie Luft behandelte, als ob er mich garnicht kennen würde. So als wenn der liebe große Bruder von damals nie existiert hätte."

Behutsam legte meine beste Freundin mir ihre Hand auf meine Schulter und streichelte diese.

Die darauf folgenden Stunden verbrachten wir mit reden, über meinen Bruder, aber auch über belanglose Sachen. Als es langsam draußen zu dämmern anfing machten wir uns auf nachhause. Draußen, vor dem Café, drückte sie mich fest und warf mir ein aufbauendes Lächeln zu. "Du schaffst das. Fighting!" Sie hob ihre beiden Hände, welche zu Fäusten verkrampft waren, und drückte mir bildlich dargestellt die Daumen. Ich winkte ihr noch ein Stück hinterher und machte mich dann selber auf den Rückweg. Vor unserer Haustür stoppte ich einen Augenblick und schloss beruhigend meine Augen. Als ich eintrat hörte ich lautes Gelächter aus dem Esszimmer und versteinerte bei dem Anblick welcher mir dort geboten wurde.

"Ah! Taemin! Da bist du ja. Taeyong hat sich auf dein Platz gesetzt, ist doch kein Problem für dich, oder?" Schweigend schüttelte ich meinen Kopf wie in Zeitlupe und machte mich auf den gedeckten Tisch zu. Mein Vater und meine Mutter lachten und strahlten wie seit langem nicht mehr. Wortlos griff ich nach der Schüssel Salat und befühlte ebenfalls meinen Teller. Meine Augen ließ ich dabei nicht von dem Brauhaarigen, welcher sich lachend mit unseren Eltern unterhielt. Seine Augen blieben an mir hängen und sein Lächeln verschwand, es war, als ob alles Andere nicht mehr da wäre. Nur meine und Taeyong's Blicke hielten für einen Augenblick die Zeit an, bis meine Mutter ihn am Arm schüttelte und uns aus unseren beiden Gedanken holte. Wie gerne hätte ich doch gewusst, an was er gerade gedacht hatte. "Ach Tae sag mal, warum bist du eigentlich hier?" Mein Blick hatte sich wieder zum Essen gesenkt, jedoch wurde ich hellhörig als mein Vater diese Frage stellte. Der Ältere räusperte sich und legte sein Besteck beiseite. "Ach so, dazu war ich ja noch garnicht gekommen zu erzählen. Der Grund meines Erscheinens ist Taemin." Ich hörte auf in den dunkelgrünen Salatblättern rum zu stochern und hob meinen Kopf geschockt. Der Grund, weshalb mein unerwünschter Bruder wieder in mein Leben trat, war ich?

"Ähm was?"
"Wie bitte." Korrigierte mich meine Mutter und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Sohn zu. Dieser starrte mich abwartend an und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab. "Taemin...Eomma und Appa hatten mir von deiner derzeitigen Job-Lage erzählt. Und vor kurzem ist ein Platz bei uns frei geworden wo du anfangen könntest." Unverständlich guckte ich den Brauhaarigen an und drehte mein Kopf dann, mit offenem Mund, zu meinen Eltern. Mir kam das alles wie ein schlechter Scherz vor. Ich war alt genug mir selbst einen Job zu suchen, ich brauchte niemanden der das für mich übernahm und erst recht nicht Taeyong. Dieser legte seinen Kopf zu mir gerichtet schief und fuhr fort. "Du musst nur mir und meinen Gruppenmitgliedern assistieren. Also Wasser holen, Fotografin für ein Twitter Update spielen und sowas alles. Also was sagst du?" In mir staute sich Wut an und ich stand von meinem Platz auf. "Ich soll also Diener für dich und deine dämlichen Mitglieder spielen?!" Meinte ich in einem etwas lauteren Ton zur Runde gerichtet. "Lee Taemin was ist das bitte für ein Verhalten?! Du brauchst einen Job, dass weißt du selbst. Also wirst du das Angebot von deinem Bruder annehmen, haben wir uns da verstanden?" Unterbrach mein Vater mein aufgebrachtes Verhalten und bewegte mich wieder zum hinsetzten. "Aber-.." Wollte ich mich rechtfertigen, doch wurde garnicht erst zu Wort gelassen. "Kein aber. Und jetzt entschuldige dich bei deinem Bruder." Forderte mein Vater und widmete sich dann wieder seinem Essen. Ich senkte meinen Blick und kaute mir auf der Unterlippe herum. "Endschuldige Taeyong, das war nicht angebracht von mir." Murmelte ich leise vor mich hin, aber noch gerade so laut, dass es alle verstanden.

" Murmelte ich leise vor mich hin, aber noch gerade so laut, dass es alle verstanden

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