Chapter 26

6.7K 338 56
                                    

Lauschend. Stillschweigend. Keiner sagte ein Wort, doch etwas hören taten wir nicht. Unsere Blicke ließen nicht von einander ab, doch plötzlich begannen die einzelnen Stimmen im Nebenraum lauter zu werden. "Ich bedanke mich," hörte man eine Stimme sagen, welcher ich keiner mir bekannten Person zuordnen konnte. Plötzlich öffnete sich die Tür neben uns und wir alle streckten unsere Köpfe zu dem Türrahmen hin. Jaehyun und ich brachen unseren Augenkontakt ab, er, ich und auch alle anderen im Flur schauten zu unseren Managern. "Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen letzten Tag und entschuldige mich nochmals für alle Unannehmlichkeiten." Sagte Frau Zhorae. Zusammen stand wir alle auf und verbeugten uns ein letztes Mal vor der strickt angezogenen Dame.

Drängend und immer wieder, unabsichtlich, anstoßend verließen wir den Flur Richtung Ausgang. Ich probierte mich zu beherrschen, wurde unruhig, fühlte mich unwohl. Diese Nähe, die Berührungen. Ich wollte mich an eine Wand drücken, sie alle vorlassen und dann weiterlaufen. Doch der Flur war zu eng. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und plötzlich beruhigte ich mich, fühlte mich sicherer und geborgen. So lief ich dann bis wir draußen waren und als ich mich dann umdrehte um ein Lächeln, durch seine Augen und sein Grinsen, in mein Gesicht gezaubert zu bekommen, überkam mich ein Schauer. Sofort riss ich mich von der Hand los und schaute stumm, dennoch mit einer klaren Aussage in Taeyong's Gesicht. Warum packst du mich an?! Doch warum half es mir?

Am Riesenrad angekommen strahlten die Augen von den Jungs, wie schon bei den letzten Malen, glücklich auf. "Komm Taemin! Einmal bevor wir weg sind, bitte!" Bettelte Doyoung und noch bevor ich mich von der Gondel hätte wegdrehen können, wurde ich am Arm gepackt und mit rein gezogen. Als ich die Situation richtig wahrnehmen konnte, über seinen Hautkontakt hinwegsah und mich bereits gesetzt hatte, war es allerdings schon zu spät. Wir fuhren hinauf. Mit meinen Händen umpackte ich hektisch das Geländer, wenn man diese einzelne Metallstange als sowas bezeichnen konnte. Ich schloss meine Augen, blickte nach oben, probierte mich durch den wolkenbedeckten Himmel abzulenken, auf andere Gedanken zu bringen. Leider scheiternd. Vorsichtig senkte ich mein Kopf wieder um in die Runde an Gesichtern, voller Begeisterung, zu schauen. Ich fragte mich, warum sie mir das antaten? Wollten sie mich ärgern? Mich leiden sehen? Nach meiner letztlichen Herzattacke dachte ich, dass sie es verstanden hätten.

Es seiden, Jaehyun hatte mich nicht verraten und garnicht's von meiner Panikattacke in der Achterbahn erzählt. Sie konnten es nicht wissen, sie hatten keinen Schimmer von meiner Akrophobie. Aber warum wunderte es mich nicht? Wahrscheinlich hatten die anderen, abgesehen von Jaehyun, bis jetzt nichtmal's etwas von all meinen anderen Sorgen, Problemen und Ängsten eine geringste Ahnung. Meine Angst vor Nähe, meine Angst vor engen Bindungen, mich jemanden anzuvertrauen, meine Sorgen zu erläutern, mich zu öffnen. Ich konnte es nicht. Vielleicht lag es auch noch an anderen Dingen und vermutlich an meiner Versagensangst, die ich zu vermeiden probierte indem ich meine ganzen Ängste dazu nutzte, mich zu verstecken. Damit ich garnicht erst versagen-, verletzt-, oder zurückgewiesen werden konnte. Denn wie sollte man verletzt werden, wenn man mit niemandem über seine Wunden und Schwachstellen sprach? Wenn man alles in sich drin ließ und einfach nur schwieg. Einfach oder? Man konnte nicht verletzt werden, jedenfalls nicht offensichtlich. Es war ein Schutzmechanismus.

Mein Kopf drehte sich von einem zum nächsten, von Gesicht zu Gesicht. Doyoung, Mark, Taeil und Taeyong. Sie saßen mir gegenüber. Plötzlich blieb das riesige, sich langsam drehende, Rad stehen. Voller Panik schaute ich mich hektisch um und dann machte ich einen fatalen Fehler, ich sah hinunter. So schnell war ich noch nie dem Würgreiz nahe, beugte mich zurück in die Gondel hinein und schloss meine Augen. Ich schloss sie um ihnen es nicht zu zeigen. Ich wollte und konnte den anderen nicht zeigen wie nahe ich den Tränen war, ich wollte weinen, da ich mich so schwach fühlte, wollte weinen, weil ich nicht mehr konnte. "Taemin alles gut?" Fragte Taeil und Doyoung's Hand legte sich besorgt auf meinen Rücken. Ich saß zwischen dem Jungen welcher immer mit einem Hasen verglichen wurde und meinem Bruder. "Z-zu hoch," nuschelte ich mühsam aus meiner Kehle und wusch mir mit einer Hand den Schweiß von meiner Stirn. Arme umpackten mich und ich spürte nur noch eine warme Brust mit einem schnellen Herzschlag. Ich wusste, dass es Taeyong war und dachte daran, mich loszureißen, was er wohl ebenso dachte. Denn seine Arme sowie Hände umpackten mich anfangs ganz leicht und unsicher, doch nachdem er merkte, dass ich mich nicht löste und in dieser Position verkrampfte, umschlungen mich seine Arme förmlich.

⁰³ BROTHERS LITTLE SISTER | nctWo Geschichten leben. Entdecke jetzt