|Special Chapter 29|

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Wie bei einem Kurzfilm, so konnte man es beschreiben. Häuser, Laternen, Straßen und auch Menschen, wenn auch vereinzelt, zischten an mir vorbei. Mein eigener kleiner Film, in welchem ich nicht wusste, welche Handlung mein Skript besaß. War ich die Hauptrolle, oder doch nur eine der hier umherirrenden Menschen, die im Hintergrund der Kamera zur Realität der Szene beitragen sollten?

Mein Kopf fiel gegen die Scheibe vor mir und ich schloss meine Augen. "Taemin!" Meinten sie. "Ein spontaner Termin ist dazwischen gekommen," erklärten sie. Jetzt wusste ich, dass sie mich angelogen hatten und mich hinhielten. Schon bei dem sogenannten 'spontan Termin' zweifelte ich an ihrer Loyalität. Nachdem wir immer weiter aus der Innenstadt hinausgefahren waren, war es mir erst recht klar. Ihre kurzen, abgehackten Antworten sollten mich nur hinhalten. Sie waren mir jedoch lieber als die stummen und zumal komplett verschlossenen Münder von Mark und Taeyong. Früher hätte ich es nicht so einfach auf mir beruhen gelassen. Vermutlich hätte ich sie zum Anhalten gezwungen, sie zur Rede gestellt und bei unerklärten Tatsachen angeschrien, Vorwürfe gemacht, was letzten Endes alle dazu gebracht hätte umzudrehen und ihr Vorhaben zu streichen. Doch jetzt saß ich hier, meine Augen geschlossen, mein Atem beruhigt, fast schon entspannt und meine Wut unter Kontrolle.

Auch wenn es mir selbst heute noch schwer fiel, Nähe zu zulassen, Körperkontakt aufzubauen, anderen Menschen Vertrauen zu schenken, probierte ich es. Zwar waren es kleine Schritte, doch es waren welche und das in die richtige Richtung. Damals hätte ich es Beispielsweise niemals für möglich gehalten neben einem von ihnen zu sitzen, welcher sein Arm, möglicherweise absichtlich, an meinen anlehnte. Der ab und zu mal den Takt von einem Lied mit seinem Zeigefinger mit schlug und das alles auf meinem Knie. Ich wäre noch weiter in die Ecke gerutscht, in welcher ich sowieso schon hinein gequetscht war, ein Schauer wäre mein Nacken bis runter zu meinem Kreuzbein gelaufen und ich hätte mich angewidert. Doch ich hielt es aus, ab und zu bekam ich es auch kaum mit und empfand ein Gefühl, welches man als selbstverständlich verstehen konnte. Rein Menschlich. Geborgenheit.

Mein Rumpf drückte gegen den Gurt, mein Kopf fiel nach vorne und mein Handy löste sich von meinen Kopfhörern. Ein Schlagloch. Vorsichtig beugte ich mich hinunter und umgriff mein Mobiltelefon, zog meine Kopfhörer komplett aus meinen Ohren und packte beides in die Seitentür des Fahrzeugs. Die ganze Straße wurde mit jedem Meter, welchen wir fuhren, unebener, hatte mehr Löcher und schaukelte uns von einer Seite zur nächsten. Misstrauen durchfuhr meine Gedanken und ich zog meine Augenbrauen zusammen. Wir befanden uns auf einer Landstraße, komplett abgelegen, hier schien nichts den Anschein zu machen, dass wir anderes gewohnt waren. Wolkenkratzer, Hochhäuser, Menschenmassen, Smok und Stau. Doch hier war es anders. Hohes Gras, weite Felder mit noch von Hand arbeitenden Leuten, Schotter statt Teer, Staub des aufwirbelnden Untergrundes anstelle von Smok. Es gefiel mir.

Mein Bruder, welcher fuhr, hielt an und schaute fragend zu den beiden Richtungs-Möglichkeiten der Kreuzung. Sein Blick drehte sich, noch immer von Unsicherheit gezeichnet, zu dem jüngeren neben ihm. Mark breitete die Karte, welche er schon die ganze Zeit auf seinem Schoß liegen hatte, über dem Armaturenbrett aus und zeigte mit seinem Finger auf willkürliche schlängel Linien. "Ich glaube da lang," murmelte er vor sich hin und daraufhin zog sich meine Augenbraue in die Höhe. "Glaube? Du glaubst, dass es da lang geht? Super." Meinte ich sarkastisch und ließ mich zurückfallen. "Unglaublich, was ihr auch immer jetzt vorgehabt hattet, ihr wusstest nicht einmal den richtigen Weg. Lasst uns um-.." Redete ich zu ihnen hin doch wurde nicht weiter gelassen, denn mich unterbrach jemand. "Nein. Mark du sagst da lang?" Meinte mein Bruder und zeigte nach rechts. Der Jüngere nickte unsicher und daraufhin drehte sich auch schon das Lenkrad, der Schotter unter dem schwarzen Gummi knirschte und wir fuhren, nein, so konnte man das nicht bezeichnen. Wir schaukelten, so konnte man dieses hin und her am besten verdeutlichen.

⁰³ BROTHERS LITTLE SISTER | nctWo Geschichten leben. Entdecke jetzt