Kapitel 11

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»Verfolgst du mich etwa?«
*

»Was hast du dir dabei gedacht, Züleyha?« flüsterte Elvan und setzte sich auf mein Krankenbett.

Nachdem ich ihr alles in Ruhe erzählt hatte, sah sie mich verwundert an und schüttelte ihren Kopf. »Ein wildfremder Mann, der nicht einmal hören kann! Und du besuchst ihn dann noch einmal...«

»Elvan« flüsterte ich, damit meine Mutter im Badezimmer nichts mitbekam »Wenn du mir eine Predigt halten willst, dann ist das jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür.«

»Also siehst du ein, dass du leichtsinnig gehandelt hast?«
»Gibst du Ünal etwa Recht?!«
»Nein, du Idiot, ich bin auf deiner Seite!« verteidigte sie sich schnell und überlegte kurz, wie sie es besser ausdrücken könnte, dass es dumm von mir gewesen ist, Toprak zu besuchen. Oder heißt er etwa Yusuf?
Nachdem sie mich kopfschüttelnd abcheckte, sah sie mir direkt in die Augen, als ob sie mir etwas einreden wollte.

»Züleyha... Du kennst nicht mal seinen echten Namen. Du weißt nichts über ihn. Mag sein, dass er dir in der Nacht aus der Klemme geholfen hat, aber das sagt nichts über ihn aus. Ich muss dir das alles doch nicht erklären. Du bist klug genug, um zu wissen, dass-«

Meine Mutter trat plötzlich aus dem Badezimmer raus und blickte zu uns, überrascht, über unsere Stille. Sie schien nichts gehört zu haben, dennoch hatte ich das Gefühl, als ob sie über alles Bescheid wusste. Vielleicht hatte ihr Banu etwas erzählt, oder sogar Ünal. Skeptisch kam sie an mein Krankenbett und lächelte Elvan kurz an. Sie verstand und machte meiner Mutter Platz, so dass sie sich hinsetzen konnte.

»Züleyha, kızım« begann sie und hielt vorsichtig meine Hand »Lassen wir am besten ein wenig Zeit vergehen. Zumindest, bis deine Verletzung verheilt ist. Dann können sich die Familien in Ruhe treffen.«

Meine Mutter war von Natur aus dominant und glaubte immer das Richtige zu wissen. Auch wenn sie wirklich falsch lag, wie zum Beispiel genau jetzt, oder das unschuldige Bild, das sie von Banu hatte, und noch vieles mehr.

Ich seufzte lang und schüttelte meinen Kopf »Mama, du verstehst nicht. Die Familien haben nichts mehr zu bereden. Die Zeit wird nichts daran ändern, dass ich mit so jemandem wie Ünal, nichts mehr zu tun haben will.«

Die ruhige Einstellung meiner Mutter war längst verflogen und nun zog sie ernst ihre Augenbrauen zusammen. Ihre leichten Falten zeigten jahrelange, erschöpfende Schichtarbeit. Sie hatte es nie einfach gehabt. Und nun hatte sie auch noch mich am Hals. Als sie tief einatmete, wusste ich, dass sie nun beginnen würde, mit mir zu schimpfen.

»Und du bist also perfekt?« fragte sie ironisch und wurde lauter »So jemand wie Ünal, meinst du also? Bist du denn besser als er? Fräulein Züleyha besucht irgendeinen fremden Mann im hintersten Viertel der Stadt und ruft ihn dann ins Krankenhaus?!«
»Was?!«
»Ja! Deine Schwester Banu hat mir alles erzählt! Wieso kannst du nicht einmal verantwortungsvoll mit einem so ernstem Thema umgehen, wie sie es tut?!«
»Wie Banu? Was hat das alles jetzt mit ihr zu tun! Mama, versteh' doch endlich! Ünal ist kein guter Umgang!« Ich spürte die Tränen kommen, aber hielt sie nicht auf, sondern ließ sie einfach meine Wangen herabrollen »Mama, muss ich jedes Mal Weinen, um dir zu beweisen, dass ich etwas ernst meine?!«

Sie schwieg und beobachtete mich urteilend. Irgendetwas sagte mir, dass auch meine Tränen nichts an ihrer Meinung über mich ändern würden. Trotzdem musste das Alles raus, also fuhr ich fort, wo ich stehengeblieben war. Ich zeigte auf meinen linken Oberarm und brauchte das Patientenhemd kaum hoch zu ziehen, denn die Flecken waren deutlich zu erkennen.

»Das hat Ünal getan, Mama« erzählte ich mit einer klaren Stimme »Beschuldigt hat er mich für Betrug und Lügen, die erfunden waren. Kurz bevor er die Glasscheibe seines Autos zertrümmert hatte. Mit seiner bloßen Faust.«

Sprechende HändeWhere stories live. Discover now