Kapitel 14

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Und ich wusse, dass die Quelle dazu
Topraks Lächeln gewesen ist.
*

Als ich ihn sah, stockte mir der Atem. »Bist du es wirklich?« fragte ich, nachdem wir uns einige Schritte näher waren. Aber je weniger der Abstand zwischen uns wurde, desto fremder kam er mir vor. Sein Gesicht schien viel runder zu sein und mir war vorher wohl nie die Narbe auf seiner Stirn aufgefallen.

Ich blieb stehen. Das kann nicht sein. Toprak hatte wellige, sogar lockige, wilde Haare. Dieser Typ aber nicht.

»Toprak?« fragte ich leise und krallte meine Hand an den Gurt meiner Kamea. War es meine Verzweiflung, die ihn unbedingt sehen wollte? Oder stand er wirklich vor mir? So sehr konnte sich ein Mensch in zwei Monaten aber nicht verändern.

Der Mann blieb auch stehen und scannte mich von oben bis unten ab. Seine Augen sahen anders.

Das ist niemals Toprak.

»Du musst diese Züleyha sein« sprach er auf deutsch.

Mein Kopf funkionierte nicht mehr. Wie vielen Menschen konnte man in Istanbul begegnen, die deutsch sprechen konnten?

»I-Ich bin... Du bist nicht Toprak« brachte ich raus. Der Typ rollte seine Augen und zuckte mit den Schultern.
»Streng genommen bin ich Toprak, aber man nennt mich nicht so.«
»Was?« Heißt das, dass Topraks echter Name...

Ich spürte mein Handy vibrieren, aber ignorierte es. Das hier musste ich klären. Die vielen unbeantworteten Fragen mussten endlich ein Ende finden. Der Mann vor mir schien aber weniger motiviert zu sein, mir diese Antworten zu geben, denn er stöhnte und blickte um sich herum.

»Er ist mein Zwilling« meinte er gelangweilt »Und von dir kann er nicht aufhören zu sprechen, seitdem er hier angekommen ist. Ich frag mich nur...«

Er pausierte und sah mich noch einmal genau an. Womöglich dachte er sich, wie lächerlich die ganze Situation doch war und was Toprak nur von jemandem wie mir halten konnte.

»...wie creepy muss man sein, ihm nach Istanbul zu folgen?«

Ich blinzelte meinen Schock weg. Dieser Typ war nicht nur eine billige Kopie von Toprak, sondern hatte auch ein freches Mundwerk.

»Um eines klar zu stellen« sagte ich und erhöhte meine Stimme »ich bin niemandem gefolgt, sondern wurde gezwungen hierher zu reisen! Außerdem bist du mir hier begegnet und nicht Toprak.«
»Tja, dein Timing ist wohl schlecht. Eine halbe Stunde früher und er wäre genau vor diesem Gebäude gewesen.«
»Wo ist er jetzt? Kannst du mich zu ihm bringen?«
»Was genau bildest du dir ein? Denkst du, ich bringe jede Dahergelaufene zu ihm?«

Mein Handy vibrierte erneut und ich zog es mir aus meiner Tasche. Es war Cennet. Nurgül teyze hatte auch angerufen. Die Sonne war untergegangen und die vielen Lichter und Farben der Stadt wurden nun deutlicher. Klar machten sie sich Sorgen.

»Ich bin keine Dahergelaufene« verteidigte ich mich und steckte mein Handy zurück »Toprak kennt mich! Und offensichtlich kennst du mich auch schon.«

Er lachte kurz auf und schüttelte unglaubwürdig seinen Kopf. Kurz bevor ich etwas sagen wollte, sprach er wieder.

»Ich bring' dich zu ihm« gab er auf und stöhnte.

Meine Aufregung stieg an und ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor ihm auszurasten. »Echt? Okay! Wann?«

»Nur« sagte er plötzlich »Wenn du mir eine Frage beantworten kannst.«

Ich schluckte schwer und dachte nach. Was würde er denn wissen wollen, um mich zu testen? Etwas über Roland? Den Töpferladen? Vielleicht dieser Südstadt Süpermarket?

Sprechende HändeWhere stories live. Discover now