Kapitel 13

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Wieso will ich dich nicht aufgeben, Toprak?
*

Vorsichtig zog ich unsere Haustür hinter mir zu, ohne sie zum Quietschen zu bringen. Ich musste so schnell wie möglich in die Straßenbahn einsteigen, bevor Mama meine Abwesenheit bemerkte. Schnell schaltete ich mein Handy auf Flugmodus und sprang die Treppen runter.

Alles mit der Ruhe. Ich muss das tun, um endlich schlafen zu können. Die Straßenbahn war langsamer als je zuvor und die Haltestelle schien nicht kommen zu wollen. Ich stand viel zu früh von meinem Sitz auf und stellte mich vor die Tür, bis wir stehenblieben. Ohne eine weitere Sekunde zu warten, trat ich aus der Bahn und lief in zügigen Schritten die Straßen entlang.

Endlich stand ich vor dem Töpferladen. Vielleicht das letzte Mal, dachte ich innerlich. Nachdem ich Topraks Antwort gehört hatte, würde ich für immer aufhören.

Zögernd ging ich in den Laden hinein und erkannte Roland an der Arbeitsplatte, wie er versuchte, einhändig etwas zu pinseln. Ich betätigte den Lichtschalter und flackerte einige Male, um mich anzukündigen. Sofort reagierte der alte Mann und schaute über seine Schulter. Als er mich erkannte, ließ er den Pinsel fallen und kam mit wackeligen Schritten auf mich zu.

»Bitte verschwinde« flüsterte er mit zittriger Stimme.
»Was ist los? Ich bin gerade erst gekommen-«
»Bitte verschwinde« wiederholte er und zog leicht an meinem Arm.

Zwar bin ich mir nicht sicher gewesen, ob er im Moment hören konnte, oder nicht, aber ich sprach dennoch weiter und löste mich von seinem Griff.

»Roland! Ich muss mit Toprak sprechen.«
»Kein Toprak. Bitte verschwinde.«
»Nein. Erst, wenn ich mit ihm geredet habe.«

Roland schluckte schwer und kratzte sich an seiner faltigen Stirn. Er schien nervös zu sein und irgendwie konnte ich mir denken, wer ihn dazu brachte mich hier nicht zu wollen.

»Toprak ist weg. Okay? Und jetzt, junge Dame, bitte-«
»Ich muss mit ihm reden!« meinte ich laut und brachte Roland zum Aufzucken. Er drückte einen Finger in sein Ohr und entfernte ein Hörgerät. Das war wohl ein Tick zu laut für ihn.

»Das ist nicht möglich« erklärte er und begab sich zur Arbeitsplatte.
»Und wieso nicht?« fragte ich. Roland antwortete nicht und ich nahm an, dass er es nicht gehört hatte.
»Wieso ist das nicht möglich?« wiederholte ich laut und deutlich.

Roland stöhnte und schüttelte seinen Kopf. Er verstand, dass ich nicht aufgeben würde und sagte:
»Er ist in die Heimat.«

*

»Du hast meine Frage nicht beantwortet« meinte Ünal und legte sich seinen Sicherheitsgurt um »Wieso bist du irgendwie nie erreichbar, wenn du in die Stadt gehst?« Ein riesen Flugzeug und er saß direkt neben mir. Kein Zweifel, dass er da seine Finger im Spiel hatte.

»Nur mal zur Information« bemerkte ich genervt und packte meine Kopfhörer aus meiner Tasche »Wenn du den ganzen Flug lang versuchen willst, mit mir zu reden, dann kannst du jetzt schon mal aufgeben.«

Ich hörte Ünal stöhnen, aber es war mir total egal. Ich hatte nur zwei Gründe, wieso ich mir diese Reise antat; erstens musste ich meiner Mutter beweisen, dass jede Auszeit nutzlos war, um Ünal wieder zurück in mein Leben zu bringen. Sie war immer noch der Meinung, dass es mein Fehler gewesen ist und dass ich es war, die ihn belogen hatte. Und nachdem sie letzte Woche gehört hatte, was Hüseyin über Toprak rausgefunden hatte, behandelte sie mich wie ein kleines Kind. Keiner schien mir zu glauben. Sogar Elvan hatte Zweifel. Der zweite Grund wiederum würde sich erst herausstellen, wenn Roland mir den richtigen Namen genannt hatte.

Sprechende HändeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt