10. Irrtum

1.2K 64 0
                                    

Hermine saß auf dem Sitz, den Blick aus dem Fenster gerichtet und auf die Straße starrend. Wie immer regnete es in Strömen und der Bus fuhr quietschend auf den nassen, stark befahrenen Straßen durch London.

Snape saß ihr gegenüber, die Hände ruhig auf den Beinen abgelegt und einen imaginären Punkt aus dem Fenster fixierend. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes und unweigerlich schluckte Hermine. Sein Zustand besorgte sie, wie konnte es sein, dass er immer noch Symptome einer Vergiftung zeigte? Nach 6 Jahren? Wieso war er nicht...

Innerlich unruhig biss sie sich auf die Unterlippe und seufzte tief. Snape war bei Weitem nicht mehr der Mann, den sie gekannt hatte. Er hatte sich verändert. Inwiefern, das wusste Hermine noch nicht, aber er schien verändert. Er schien...zermürbt, einsam und erschöpft zu sein. Sie schob diese Anwandlung auf den Gesundheitszustand seinerseits, hoffte jedoch inständig, dass er sich wirklich verändert hatte. Der Mann, der Severus vor dem Krieg war, war ihr definitiv nicht so lieb gewesen, wie der Mann, der ihr nun gegenüber saß.

Seine zynische, sarkastische Art hatte er dennoch nicht komplett abgelegt, wie sie seit ihrer Begegnung des Öfteren bemerken musste. Zwar behandelte er sie immer noch wie eine Schülerin, war aber überraschenderweise doch ein annehmbarer Geselle und längst nicht mehr so furchteinflößen wie zu ihrer Schulzeit.

Sechs Jahre Einsamkeit blieben nicht spurlos an einem Menschen hängen. Und auch, wenn er es nie preisgeben würde, Hermine war fest davon überzeugt, dass er einsam war. Genau wie sie. Wieso sonst, sollte er Alpträume haben? Wieso sonst, hatte er Minerva einen Brief geschickt? Er hatte sich verändert. Das stand außer Frage.

Snape hatte sich nicht geregt, er schaute sie nicht an und starrte weiterhin unaufhaltsam aus dem Fenster, während sie ihm verstohlen einige Blicke zuwarf.

Nach einer guten Viertelstunde, räusperte sich Hermine und er sah sie skeptisch an.

„Wir müssen hier raus."

Snape nickte leicht und beide erhoben sich. Sie drängten sich an den vielen Menschen vorbei und jeder der es wagte, ihn anzusehen, bekam einen verächtlichen Blick zugeworfen, den die meisten sofort zurückschrecken ließ.

Mit einem Ruck stoppte der Bus plötzlich und Snape wäre fast auf Hermine gefallen, hielt sich aber kurzerhand an der Stange fest, was einen stechenden Schmerz in seinem Arm zurückließ und ihn schmerzhaft das Gesicht verziehen ließ. Verdammter Mist! Er hasste es, so wehleidig zu sein, aber seine Narbe pochte unaufhaltsam weiter und intensive Stiche zuckten durch seinen Arm, der leicht zu kribbeln begonnen hatte.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Hermine besorgt, als sie auf dem Gehweg stehen geblieben waren und der Bus von dannen fuhr.

Er brummte nur etwas Unverständliches und sie runzelte fragend ihre Stirn.

Langsam setzte sie ihren Weg fort und ihr Begleiter ging schweigend neben ihr her.

„Wir sind gleich da.", sagte sie seufzend und schaute ihn von der Seite aus an.

Er begegnete ihrem Blick und spitzte die Lippen.

„Ich werde definitiv nicht mehr mit diesem Bus fahren, Granger.", sagte er mit zusammengekniffenen Augen und sie blieb ruckartig stehen.

Snape drehte sich irritiert um und sie starrte ihn wütend an.

„Hören sie endlich damit auf, Severus!", fauchte sie und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich bin, verdammt nochmal, nicht mehr ihre Schülerin! Ich will ihnen helfen!"

Er runzelte leicht die Stirn und zuckte die Schultern.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, sie um Hilfe gebeten zu haben.", antwortete er sarkastisch und schüttelte den Kopf.

AlpträumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt