16. Überrascht

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Hermine sah aus dem Fenster ihres Schlafraums und seufzte tief. Die Wälder von Hogwarts bogen sich im starken Wind des regnerischen Wetters, Blätter fielen von den Bäumen und bedeckten den Boden mit einer dicken Laubschicht.

Sie wandte ihren Kopf von dem großen, ovalen Fenster ab, schritt auf ihr Bett zu und ließ sich, mit allen Vieren von sich gestreckt, darauf nieder.

Wieso hatte sie es so weit kommen lassen? Wieso hatte sie Severus angelogen? Eigentlich sollte es nur ein harmloser Scherz gewesen sein, doch er war aus dem Ruder gelaufen. Seine heftige Reaktion war dennoch übertrieben gewesen! Was kümmerte es ihn, ob sie miteinander geschlafen hatten? Dieser Gedanke war so abwegig und doch hatte er es einfach akzeptiert und sich deswegen bei ihr auch noch entschuldigt?

Stirnrunzelnd blickte die junge Hexe an die weiße, raue Decke.

Aber das war nicht das, was sie wirklich beunruhigte. Eher die Tatsache, wie er sich danach verhalten hatte. Er hatte sie umarmt. Der zynische, unheimliche, dunkle Kerkerbewohner von Hogwarts hatte sie umarmt – Stunden zuvor hatte er sie noch zurückgewiesen und hatte ihre Hilfe abgelehnt. Sie bekam eine Gänsehaut, als sie an die Umarmung dachte. Im ersten Moment hatte sie es nicht gewagt zu atmen, dann aber hatte sie sich fallen lassen und war dem Gefühl entgegengetreten.

Überraschenderweise war das Gefühl...gut  gewesen. Es hatte sich gut angefühlt von ihm berührt zu werden, die Zuneigung zu bekommen, die sie seit Jahren so sehnlichst vermisste. Es war anders als bei Ron oder bei jedem anderen ihrer Liebhaber gewesen. Es war ein...vertrautes Gefühl. Intensiver.

Sie schloss ihre Augen und gab sich dem berauschenden Gefühl hin, seine starken Arme, wie er sie an sich presste, so als ob er sie nie wieder loslassen wollte. Wieso hatte er das gemacht? Hermine hätte nie in ihrem Leben daran gedacht, dass Severus Snape eine so sensible, gefühlvolle Art an sich haben konnte. Diese Tatsache war abwegiger, als Schneefall im Sommer.

Er hatte es ihr fast ohne zu Zögern abgekauft, dass sie miteinander geschlafen hatten, obwohl er sich an nichts erinnern konnte...hieß das etwa, dass er  sie...attraktiv fand? Verachtete er sie also nicht? Mochte er sie etwa? Oder war er der Meinung, Sex und Liebe hätten nichts gemeinsam?

Unruhig drehte sie sich auf die Seite und rollte sich zusammen. Der Gedanke an Severus ließen in ihr verwirrende Gefühle hochkochen. Dass sie ihn anders sehen würde, als einen verzweifelten, zynischen, sturen, alten Mann, daran hatte sie im Traum nicht gedacht. Auch wenn sie seit Jahren von ihm träumte, sie hatte es immer auf die Angst und Ungewissheit geschoben, was in der Nacht im Bootshaus wirklich passiert war. Mochte er sie denn wirklich?

„Reiß dich zusammen!", zischte Hermine zu sich selbst, drehte sich wieder auf den Rücken und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie musste jetzt nach vorne blicken. Seit sie mit Snape auf der Flucht war, hatte sie ihre Gedanken an ihr reelles Leben vehement versucht zu verdrängen. Der vermeintliche Horkrux war Thema Nummer eins gewesen, da hatte ihr gekündigter Job, ihre Wohnung oder auch Jonas keinen Platz gehabt.

Jonas. Gott, er machte sich vermutlich verrückt vor Sorgen! Natürlich hatte sie ihr Handy bei diesem überstürzten Besuch nicht mitgenommen, es war ihr sowieso immer ein Dorn im Auge gewesen. Das alte Ding hatte sie fast nie gebraucht. Aber Jonas war nicht ihr wirkliches Problem. Wer war der Mann gewesen, der Severus im Wald angegriffen hatte? War es wirklich ein Auror gewesen? Das war die plausibelste Erklärung. Severus hatte ihr nichts darüber erzählt...wie auch...sie hatte ihn angelogen...

Aber diese Umarmung...wie er sie an sich drückte, sein viel zu schneller Herzschlag, sein Geruch...

Verärgert schlug Hermine mit einer Hand auf die Bettdecke und schnaubte. Konnte sie Snape nicht einmal für fünf Minuten aus ihren Gedanken verbannen?

AlpträumeWhere stories live. Discover now