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Es war nach Mitternacht.

Alle in der Hütte schliefen. Außer Arion. Er hatte die ganze Zeit wach gelegen. Mit klopfendem Herzen hatte er darauf gewartet, dass seine Familie einschlief. Dann hatte er zur Sicherheit noch einige Stunden gewartet. Nun lauschte er den ruhigen Atemzügen seiner Familie. Es war Zeit.

So leise, wie es ihm nur möglich war, schlüpfte er aus dem Bett und drapierte die Decken so, dass es aussah, als würde noch jemand darin schlafen. Er zog sich an, diesmal noch zwei Schichten mehr als sonst, nachts fielen die Temperaturen weit in den Minusbereich. Er durfte unter keinen Umständen frieren.

Urda hatte ihn gestern noch untersucht. Wie schon zu erwarten, hatte sie natürlich nichts finden können. Nach dem Abendessen hatte Arion beim Abwasch geholfen. So war unauffällig ein scharfes Messer in seine Hosentasche verschwunden. Dieses befand sich im Moment unter seinem Kopfkissen, wo er es nun hervorzog. Einen Wasserschlauch nahm er aus einem Regal über der Kochstelle. Er hatte nun alles, was er brauchte. Es war Zeit zu gehen.

Aus seiner Jackentasche zog er ein Stück Papier. Er konnte nicht ohne Abschied gehen. Wer wusste, was auf dieser Reise auf ihn wartete. Wer wusste, ob er seine Familie je wiedersehen würde.

Vorsichtig legte er es in die Mitte des Esstischs. So war es kaum zu übersehen. Arion schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Obwohl er definitiv vorhatte, zurück zu kommen, fühlte es sich an wie ein Abschied für immer. Aber er tat es für farfar. Für seine Familie. Für das ganze Dorf.

Arion sammelte nacheinander allen Mut und wandte sich zur Tür. Seine dickste Jacke zog er an und schlüpfte in seine Schuhe, dann griff er nach dem Türgriff.

"Arion?", flüsterte eine schwache Stimme. Arion zuckte erschrocken zusammen. Mist, jemand war doch wach geworden. Langsam drehte er sich um. Er sah in der Dunkelheit nur seinen farfar. Dieser hatte einen Arm nach ihm ausgestreckt. Arion trat von der Tür zurück und ging auf seinen Großvater zu.

"Farfar. Du bist wach."

"Arion, mein Junge. Was machst du?" Die Stimme des Großvaters war kaum zu hören.

"Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich komme wieder, versprochen. Und dann bringe ich eine Überraschung mit." Arion drückte die Hand seines farfars.

Dieser wollte etwas erwidern, aber Arion schnitt ihm das Wort ab. Er konnte und durfte sich nicht länger aufhalten. "Ich habe dich lieb, farfar. Auf bald."

Und dann machte sich Arion los. Er ging zur Tür, drehte den Knauf und verließ die Hütte. Die Hütte, in der er seither gelebt hatte. Er würde wiederkehren. Ganz bestimmt.

Die Rentiere im Stall wurden sofort unruhig, als Arion die Tür öffnete. Mit ihm kam ein kalter Schwall Luft mit hinein. Arion entzündete eine Gaslampe, die neben der Tür hing. Er musste schließlich etwas sehen. Sammy streckte schon seine Schnauze aus der Box, er sah aufgeregt aus. Arion streichelte ihm lächelnd über das Fell.

"Jetzt geht's gleich los, mein Großer. Bist du bereit?" Zurück kam ein leises Schnauben.

Arion wandte sich zum hinteren Teil des Stalls, wo er seinen Proviant aufbewahrt hatte. Niemand hatte etwas entdeckt. Zuerst holte er seinen Schlitten, der, wurde er gerade nicht genutzt, ebenfalls im Stall stand. Neben seinem befand sich der seines Vaters. So leise wie möglich, belud Arion seinen Schlitten und zurrte alles fest. Es durfte ihm nichts verloren gehen. Das Messer ließ er in einem kleinen Beutel verschwinden, der Wasserschlauch fand seinen Weg auf Arions Rücken. Karotten für Sammy wurden ebenfalls zwischen den Proviant geklemmt. Arion war bereit. Er legte Sammy noch sein Zaumzeug an und spannte ihn vor den Schlitten.

Erwachen des FrühlingsWhere stories live. Discover now