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Jarmil sah Arion neutral an. Nicht skeptisch oder belustigt, wie Lara es zum Beispiel getan hatte.

"Wie willst du das denn machen?"

"Wie gesagt, wollte ich Balder finden und ihn dazu bewegen, den Frühling zurück zu bringen. Er war schließlich immer dafür verantwortlich. Aber da er nicht hier ist, wird es vermutlich für immer Winter bleiben.", antwortete Arion.

"Weißt du, ich mag den Winter nicht. Nein. Ich hasse ihn. Er ist kalt, ungemütlich, er lässt Menschen erfrieren und sterben. Das ist doch bescheuert! Ich bin fast unter einer Lawine gestorben, Lara im Sturm verloren gegangen und mein farfar verträgt die Kälte nicht mehr und ist jetzt deswegen krank! Der Frühling hat ihn fasziniert... Ich wollte nur, dass farfar den Frühling noch erlebt. Es stand schlecht um ihn, als ich gegangen bin."

Jarmil reagierte immer noch nicht wirklich. Er wirkte nachdenklich, sofern sein Gesichtsausdruck erkennen ließ.

"Mein farfar hat mir so viel über den Frühling erzählt. Das grüne Gras, die ganzen Pflanzen, Vögel und Tiere, viel mehr als nur die Schneehasen und Wölfe. So wie hier! Hier ist es doch Frühling, nicht wahr? Du hast draußen grünes Gras, ich kann hier sogar ohne Jacke herum laufen, ohne zu erfrieren. Und dein Garten... so viele Pflanzen habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Und die Blumen, die Gerüche. Jarmil, warum ist das hier so? Warum liegt draußen um das Kloster kein Schnee? Balder muss hier gewesen sein, oder? Seine Kraft wirkt hier immer noch nach. Oder wie kannst du dir das erklären?"

Arion war in einen richtigen Redeschwall ausgebrochen, in dem eine Erkenntnis die andere jagte. Dass hier Frühling war und er keine Erklärung dafür hatte, hatte ihn so sehr gestört, bewusst war es ihm jedoch nicht gewesen. Er wollte von Jarmil Antworten auf seine Fragen. Auf die wichtigen Fragen, denn schließlich konnte Jarmil hier nicht ohne Grund leben.

"Ich kann deine Fragen nicht beantworten.", sagte Jarmil dann langsam. Arion holte schon wieder Luft, um ihn erneut zu bestürmen, doch er sprach weiter. "Weil ich keine Antwort kenne. Ich habe mir diese Frage schon oft gestellt. Ist es Magie? Ist es ein Zauber, den die Nanna-Schwestern über das Kloster gelegt haben? Ich weiß es nicht. Aber ich will es auch gar nicht wissen. Ich lebe hier in Frieden und so soll es bleiben."

Er stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Arion starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Das durfte doch wohl nicht sein Ernst sein! Es konnte Jarmil doch nicht egal sein, dass außerhalb seiner kleinen warmen Frühlings-Welt die Menschen erfroren und starben! Mit einem Ruck erhob sich Arion von seinem Hocker, um Jarmil zu folgen. Doch sein Kopf wollte das immer noch nicht mitmachen. Augenblicklich wurde ihm schwindelig und auch der Tee tat sein Übriges, um Arion komplett das Gleichgewicht verlieren zu lassen. So konnte er nicht weiter mit Jarmil sprechen. Er brauchte einen klaren Kopf. Vielleicht etwas Schlaf.

Mit Mühe und Not und viel Hilfe von der Wand, an der er sich abstützte, schaffte Arion es irgendwie, sich aus der Küche und den Gang entlang zu schleppen. Wie von Zauberhand fand er das Zimmer, in dem er vorhin aufgewacht war. Sein Schlitten stand noch immer mitten im Raum. Darum konnte er sich später noch kümmern. Vor Arions Augen drehte sich mal wieder alles. Bevor ihm wieder schlecht wurde, ließ er sich schnell auf das dünne Bett fallen und schloss die Augen. Innerhalb weniger Sekunden war er eingeschlafen.

>>>T<<<

Jarmil lief auf direktem Weg zur Bibliothek. Er erwartete eigentlich, dass Arion ihm folgte, war aber erleichtert, als er sah, dass dem nicht so war. Jarmil brauchte etwas Ruhe zum Nachdenken.

Was Arion gesagt hatte, war schon richtig. Natürlich war es einfach für ihn, hier oben zu leben. In der Wärme. Im "Frühling". Er hatte es schön warm und genug Wasser und Sonnenlicht, um Essen anzupflanzen. Er hatte das Kloster nur selten verlassen, seit er alleine hier lebte schon gar nicht mehr. Es gab ihm Sicherheit. Und so Besuch wie Arion hatte er noch nie gehabt, weshalb für ihn nie der Anlass bestanden hatte, sich mit der Außenwelt zu beschäftigen.

Erwachen des FrühlingsWhere stories live. Discover now