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Der Fluss war schnell gefunden. Arion legte den gesamten Weg in vollkommenem Stillschweigen zurück. Im Gegensatz zu der Nacht mit Svea im Schnee, war der Himmel heute wolkenverhangen und in der Dunkelheit nur noch als schwarze Decke über Arions Kopf zu erkennen. Genau wie seine Stimmung.

Er war wütend. Traurig und ratlos. Und nochmal wütend. In seinem Kopf ging er immer wieder die Szene durch, die sich nur vor wenigen Minuten abgespielt hatte. Thjorven hatte ihn bedroht und fortgejagt, nur damit Svea nicht mit ihm kommen konnte. Worüber er und Svea noch Witze gemacht hatten, hätten sie nie damit gerechnet, dass es Wirklichkeit werden könnte. Natürlich war ihm schon klar gewesen, dass Thjorven nicht sonderlich erfreut gewesen wäre, wenn sie von Sveas Plan erfahren hätte. Doch dass sie so extrem reagierte... Nie im Leben hätte er gedacht, mal mit einem Messer bedroht zu werden.

Sie hatte es im Voraus gewusst, das war Arion jetzt auch klar. Oder wenigstens geahnt haben musste sie es. Denn Arion hatte ihr die Annahme schließlich bestätigt. Erst danach war alles aus dem Ruder gelaufen. Wie hatte sie es rausgefunden? Hatte es ihr jemand erzählt? Oder hatte sie Arion und Svea selbst belauscht? Oder war ihre Zuneigung für einander vielleicht doch auffälliger als sie dachten?

All diese Gedanken gingen Arion durch den Kopf, während er Sammy hinter sich herzog. Doch es führte ihn zu keinem Ergebnis. Schon relativ schnell hatten sie das Rauschen des Flusses gehört und dessen Ufer wieder gefunden. Nach kurzer Orientation konnte Arion den riesigen Umriss des Kaltbergs im Dunklen ausmachen. Er ließ Sammy kurz trinken, dann stiefelte er los. Anfangs war er noch wütend durch den Schnee gestapft, er hatte aber doch bald bemerkt, dass das ziemlich in den Oberschenkeln brannte und auf Dauer nicht durchzuhalten war. Jetzt lief er wieder normal. So normal das Laufen im wadenhohen Schnee eben möglich war.

Sich am Ufer des Flusses haltend, liefen sie auf den Kaltberg zu. Arion hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt, zurückzukehren und Svea mitzunehmen. Doch er spürte, dass Thjorven genau das von ihm erwartete und deshalb vorbereitet war. Vielleicht würde sie dieses Mal ihre Drohung wahr machen und ihm den Pfeil durch die Brust jagen. Das Risiko war es ihm dann doch nicht wert.

Er vermisste Svea trotzdem wie verrückt. Jetzt schon, wo er noch keine zwei Stunden unterwegs war. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sehr er ihre Anwesenheit genossen hatte und wie sie ihm gut getan hatte. Sein Herz schmerzte bei jedem Atemzug, als würde die eiskalte Luft direkt dorthin geleitet werden.

"Versuch gar nicht erst zurück zu kommen!", hatte ihm Thjorven als Abschied hinterher gerufen. Also hatte er beschlossen, den Kaltberg doch ohne Svea zu besteigen, den Frühling zurückzubringen und dann zu ihr zurückzukehren. So nah, wie er dem Kaltberg nun schon war, konnte das nicht mehr allzu lange dauern. Den großen Berganstieg hatte er jedoch immer noch vor sich.

Beunruhigt nahm Arion wahr, dass die Wolken am Himmel immer mehr wurden und die Nacht somit noch dunkler. Das war nicht gut. Es sah aus wie ein aufkommender Schneesturm. Auch der Wind frischte auf und zerrte an Arions Mütze. Er zwang sich weiter. Der Fluss, nur wenige Meter neben ihm, rauschte laut. Er führte viel Wasser. Mehr als beim letzten Mal. Während den eineinhalb Monden bei den Skadi musste es noch öfter geschneit oder geregnet haben.

Eineinhalb Monde.

Das war eine verdammt lange Zeit. Mit seiner bisherigen Reisezeit war Arion schon beinahe zwei ganze Mondzyklen von zu Hause weg. Zu dem Schmerz des Verlustes um Svea stahl sich jetzt auch noch das Heimweh nach seiner Familie in sein Herz. Eine Träne glitt ihm, ohne dass er es bemerkte, die Wange hinunter. Es war gerade zu viel. Die Gedanken und Gefühle waren so intensiv, dass es nur noch weh tat. Beim Atmen, beim Gehen.

Leider spürte Arion auch noch ein leichtes Ziehen im seinem Bein. Er versuchte, es so gut es ging zu entlasten, was das Laufen im Schnee aber noch schwieriger machte.

Erwachen des FrühlingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt