Kapitel 8

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Mir tat es irgendwie leid, dass ich Kyungsoo so an der Nase herum führen musste. Immerhin hatte er den Anschein nach nicht besonders viele Freunde, und dann kam ich, und musste ihn an einen Mann ausliefern. Während wie so nebeneinander hergingen, fraß mich mein schlechtes Gewissen schier von innen auf, doch mit Mühe konnte ich es in den Hintergrund drängen.

Wir fuhren mit meinem Auto, was mir einen verwirrten Blick des Kleineren einfing. "Wirst du nichts trinken?", fragte er, als ich losfuhr. Mein Kopfschütteln schien ihn wohl sehr zu erleichtern, da er sofort zufrieden aus dem Fenster sah und nur seine Hände in seinem Schoß faltete. So wie ich ihn einschätzen würde, hatte er die Sorge, dass ich mich volllaufen lassen würde.

"Weißt du was?", fing ich fröhlich an, als wir nach einer kurzen Autofahrt mein Auto verließen, "Ich freue mich, dass du doch zugestimmt hast." Und ja, ich meinte es ehrlich und nicht, um sein Vertrauen noch mehr zu erlangen. Wenn ich nicht an den wirklichen Grund des Abends dachte, dann hätten wir zusammen bestimmt viel Spaß gehabt. Kyungsoo sah mich ein paar Sekunden still an, nickte dann nur und zupfte an seinen Fingernägeln herum. Das machte er oft, wenn er nervös war.

Sobald wir den Club - oder eher einfach nur eine große Bar - betraten, wank mir sogleich Taemin von der anderen Seite des Raumes zu. Da sich Kyungsoo noch ein bisschen überfordert umsah, zog ich ihn kurzerhand an der Hand mit zu meinen Freunden. "Leute, dass ist Kyungsoo", stellte ich ihnen den kleineren vor. Nach der Reihe nannte ich ihm dann die Namen meiner Freunde, drückte ihn dann neben Taemin auf eines der Sofas und pflanzte mich neben ihm hin. "Ich hol mir was zu trinken", rief ich über die laute Musik hinweg in Kyungsoos Ohr. Schneller als ich stand er auf und folgte mir, er wollte wohl nicht gerne alleine mit meinen Freunden sein. Süß.

An der Bar angekommen war die Musik gleich ein gutes Stückchen leiser. Während ich mir nur eine Cola bestellte, bekam Kyungsoo von mir einen Drink in die Hand gedrückt. "Ich trinke nichts", erwiderte er sofort und stellte das Glas mit der bunten Flüssigkeit auf den Tresen. Schon von Anfang an wusste ich, dass es schwer werden würde, ihn abzufüllen, weshalb ich mir auch schon meine nächsten Worte zurecht gelegt hatte.

"Kyungsoo. Ich weiß, du bist verklemmt und willst wohl nie Spaß in deinem Leben haben, okay. Kann ich verstehen, vielleicht, oder auch nicht. Kann auch sein, dass ich gerade furchtbar übertreibe und du einfach ein Eid abgelegt hast, keine Alkohol zu trinken oder was auch immer, aber bitte Kyungsoo. Wenn du heute gar keine Spaß haben willst, dann trink nichts, Tanz nichts und sitz einfach nur auf dem Sofa, von mir aus fahr ich dich nach 10 Minuten wieder nach Hause. Aber denk dir eins, und denk darüber nach, willst du so eigentlich den Rest deines Lebens verbringen? In deiner Wohnung? Oder du springst über deinen Schatten und hast wenigstens für einen Abend mal ehrlich Spaß."

Natürlich wusste ich, dass ich gerade unglaublich übertrieb,  da er einfach nur Alkohol abgelehnt hatte, doch ich musste nunmal meine Arbeit erledigen. Und wenn ich mir auch den Mund fusselig dafür reden musste. Kyungsoo sah mich die ganze Zeit nur schweigend an, die Lippen leicht aufeinander gepresst und die Augenbrauen ein bisschen zusammengezogen. "Also?", fragte ich nach einer Weile und hielt ihm das Glas mit dem gelben Schirmchen wieder hin. Weitere Sekunden sagte er nichts, sah nur abwechselnd von mir zu dem Getränk und wieder zurück. Der Barman dachte bestimmt auch schon, dass wir spinnen würden.

Plötzlich, und damit hatte ich wirklich gar nicht gerechnet, bemerkte ich, wie Tränen Kyungsoos Wangen entlangliefen. In mir schrillen sofort die Alarmglocken, als seine Augen immer glasigen wurden. "Hey, nicht weinen.. So hab ich es dich nicht gemeint", versuchte ich ihn zu beruhigen und stellte das Glas schnell wieder an seinen Platz, um den Kleineren an meine Brust zu drücken. Seine Schultern bebten, als immer wieder leises Schluchzen seinen Mund verließ. Meine Hand fand Platz an seiner Wange, von der ich vorsichtig seine Tränen wischte. "Wieso weinst du?", fragte ich leise und sah ihm fest in seine Augen.

Noch weniger als mit seinem Weinen hatte ich mit dem gerechnet, was er dann gesagt hatte. "Ich weine, weil du verdammt recht hast, Jongin." Sein Gesicht ließ sonst nichts erahnen, an was er dachte. Langsam ließ ich ihn los, woraufhin er sofort zu dem Drink griff und seine Lippen ansetzte, um ihn auf Ex zu trinken. Viel Alkohol war nicht darin enthalten, da es auch nur für den Anfang gedacht war. Trotzdem verzog er kurz sein Gesicht, hörte aber nicht auf, zu trinken. Atemlos stellte er das Glas ab und drehte sich zu mir. "Zeig mir für heute, wie ich Spaß haben kann."
Und das tat ich.

Wir tranken - ich nur brav meine Cola, er seine alkoholischen Getränke - tanzten zusammen und er unterhielt sich sogar angeregt mit einem meiner Freunde über irgendein Thema. "Er ist süß", grinste Taemin neben mir. "Lass ja die Finger von ihm", war meine einzige Reaktion, woraufhin er abwehrend seine Hände hob und auf seinen Finger zeigte. "Ich bin verlobt, chill. Ich meinte für dich." Stirnrunzeln fiel mein Blick auf ihn. Für mich? Naja, wenn ich mit Kyungsoo so ansah, wäre er eigentlich voll mein Typ. Hätte ich nicht meine Arbeit zu erledigen, würde ich ihn vielleicht aus anderen Augen sehen. Doch somit würde nicht mehr passieren als nur das was ich machen musste, um sein  ertragen zu gewinnen.

Und da waren wir an dem Knackpunkt angekommen, sein Vertrauen. Es machte mir ziemlich zu schaffen, dass ich Kyungsoo so hinterging, genau jetzt, wo er sich nicht mehr quer stellte. Seufzend reichte ich ihm bloß einen weiteren der Shots, der er mit irgendjemanden trank. "Fahren wir bald?", fragte ich ihn mit einem Blick auf mein Handy. Boss würde mich bestimmt schon erwarten. "Aaach, jetzt schon? Es ist gerade voll lustig, bleiben wir noch ein bisschen", wank der Angesprochene ab und widmete sich dem nächsten Shot. Das sollte doch genügen, oder?

Nicht sehr auf ihn achtend hatte ich ihn einfach mit mir mitgezogen. Die Blicke der anderen konnte ich in meinem rücken spüren, doch ich ignorierte sie einfach. Während Kyungsoo sich den Weg über zum Auto lautstark über mich beschwerte, schlief er dafür ein, sobald er im Auto saß. Bis jetzt lief eigentlich alles wie am Schnürchen.

Schneller als erlaubt fuhr ich durch die noch hellen Straßen von Seoul, um Kyungsoo an dem ausgemachten Platz dem Boss zu übergeben. Immer wieder fand mein Blick Kyungsoos Gesicht. Ruhig hatte er sich an die Scheibe gelehnt, nur der Geruch verriet, dass er Alkohol getrunken hatte. Wieder zerfraß mich mein schlechtes Gewissen. Zum Glück konnte ich schon bald das Gebäude erkennen, weshalb ich mich wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren konnte. Mir kamen zwei Männer entgegen, die Kyungsoo aus dem Auto zogen, sobald es stand. Einer nickte mir zu, drehte sich dann um und schleppte den schlafenden Kyungsoo zu der Tür ich hastete ihnen nach, als wäre ich verantwortlich für ihn. "Nicht weiter", bestimmte der Größere der beiden und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich.

Wir diskutierten eine Weile, Kyungsoo war schon länger in dem Gebäude verschwunden, als ich einfach aufgab und mich ohne ein weiteres Wort wieder in mein Auto setzte, um nach Hause zu fahren. Erst in meinem Bett wurde mir klar, was ich getan hatte. Es tat mir leid..
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Kapitel von jiminslostearring

Wenn Träume wahr werden (Kaisoo FF)Where stories live. Discover now