Louis als Bedrohung

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Aus dem kleinen Nickerchen wurde ein tiefer Schlaf und Harry lag noch immer auf der Couch, als Anton gegen Mitternacht wieder nach Hause kam. Der Fernseher lief noch, wenn auch sehr leise und Anton schaltete das Gerät schnell aus, damit das flackernde Licht Harry nicht störte und wollte sich dann erstmal umziehen, bevor er ihn weckte. Harry sollte im Bett schlafen, denn immer wenn er auf der Couch einnickte, bekam er Rückenschmerzen.

Lächelnd sah Anton auf ihn herab und musterte sein Gesicht. Er war so hübsch und es machte ihn stolz, dass dieser Mann sein Partner war. Das Weihnachtsgeschenk würde ihm sicherlich gefallen und Anton wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Harry murmelte etwas im Schlaf und zuckte kurz zusammen. Das tat er oft. Ab und an wachte Anton nachts auf, weil Harry klar und deutlich redete. Doch gerade waren seine Worte vollkommen unverständlich. Beim Umdrehen stieß er mit dem Fuß gegen eine Zeitschrift, die am Boden lag und hob sie auf. Im diffusen Licht war zu erkennen, dass es die Medizinzeitschrift war und eine Seite mit einem Interview war umgeknickt. Anton beschloss, sie mit ins Badezimmer zu nehmen und sich diesen Teil mal durchzulesen. Vielleicht verstand er wenigstens davon etwas, wenn ihm die ganzen Berichte schon nichts sagten. Manchmal machte es ihn traurig, dass er sich mit seinem Freund nicht über dessen Beruf austauschen konnte und wenn sie es taten, musste Harry immer alles sehr vereinfacht erklären. Da kam er sich häufig ziemlich blöd vor.

Im Badezimmer schaltete er das Licht ein und warf einen Blick auf die Zeitung. Neben dem Interview war das Bild eines Arztes abgedruckt. „Louis Tomlinson", las Anton und schluckte. Hieß nicht Harrys Assistent von dem er ihm erzählt hatte, so? Sein Magen zog nervös, wenn er daran dachte, dass sein Freund ihm gestanden hatte, dass er diesen jungen Mann attraktiv gefunden hatte und jetzt las er eine Zeitung in der ebendieser abgebildet war. Anton lehnte sich gegen den Trockner und begann das Interview zu lesen. Natürlich wurde viel fachliches Zeug besprochen, aber dieser Louis erwähnte Harry auch und obwohl Anton nicht hören konnte, wie Louis diese Worte in Wahrheit ausgesprochen hatte, klangen sie für ihn liebevoll. Mit versteinertem Gesicht hob er den Kopf und sah sich im Spiegel an. Dieser Arzt, dieser Tomlinson dachte immer noch an Harry. Das machte ihm Angst.

Was passierte, wenn sie sich wirklich auf dem Kongress wieder trafen und die ganzen Gefühle von früher erneut hochkamen? Liebe konnte man nicht unterdrücken und eine nicht erwiderte oder nicht ausgelebte Liebe war manchmal stärker, als alles andere.

Seine Lippe zitterte und er drückte sich die Hand gegen den Mund. Er liebte Harry und jetzt hatte er das Gefühl, dass da noch Jemand war dessen Liebe vielleicht größer und tiefer war als seine. Was würde Harry tun? Sie waren immerhin schon zweieinhalb Jahre zusammen. Sowas warf man nicht einfach weg. Außer vielleicht, wenn man sich gegen die Gefühle einfach nicht mehr wehren konnte. Wo er sich gestern noch so sicher gewesen war, hatte er nun das Gefühl, Harry könnte ihm entgleiten. Mit Tränen in den Augen sah er nochmal auf das Bild von diesem Louis und schlug dann mit der flachen Hand auf das Papier. Nein, er durfte Harry nicht verlieren!

Anton setzte sich auf den Trockner und lehnte sich an die Wand und zog die Beine an die Brust. Er wollte nicht, dass Harry Louis wieder traf. Denn er wusste ziemlich genau, dass er ihn dann verlieren würde. Das durfte nicht sein. Sie waren schon so lange zusammen und Anton wollte ihn doch so gerne heiraten. Er hatte vor Monaten einen Ring gekauft und wartete nur noch auf den passenden Moment, um ihn zu fragen. Bisher war der Plan sicher gewesen, doch jetzt war da eine Bedrohung, die sich anschlich und die er nicht verscheuchen konnte. Doch hatte Harry ihm nicht gestern ganz offen gesagt, was zwischen ihm und Louis gewesen war? Hätte er das denn getan, wenn er noch etwas für ihn empfand? Sicherlich nicht. Dieser Gedanken beruhigte Anton ein bisschen und er wischte sich über die Augen. Vielleicht machte er sich auch ganz umsonst verrückt und interpretierte Dinge in diese Sache hinein, die gar nicht da waren. Energisch drehte er das Magazin um, sodass er nur noch die Werbung auf der Rückseite sehen konnte und ging dann ans Waschbecken, um sich die Zähne zu putzen. Sobald er Harry gefragt hatte, ob er ihn heiraten wollte, wäre sowieso alles gut. Und bis dahin waren es nur noch wenige Tage, das würde er schon irgendwie überstehen, dachte er sich und fühlte sich wieder ein klitzekleines bisschen sicherer.

Harry schlief noch immer auf der Couch, als er die Treppe wieder herunterkam. Jedoch schien der Schlaf lange nicht mehr so tief zu sein und er setzte sich verschlafen hin, als Anton vor ihn trat. „Hey, du bist ja schon da", sagte er und rieb sich die Augen. „Ja, schon seit einer halben Stunde. Ich wollte mich aber erst bettfertig machen, bevor ich dich wecke. Kommst du mit rauf?" Harry nickte, schälte sich aus der Sofadecke und tappte müde vor Anton die Treppe hoch. „Ich geh noch schnell ins Bad", murmelte er, doch Anton hielt ihn zurück. Das Magazin lag noch auf dem Trockner. Harry sollte nicht sehen, dass er darin gelesen hatte. „Ach komm, du hast doch schon geschlafen, geh einfach direkt ins Bett", sagte er schnell, doch sein Freund schüttelte den Kopf: „Ich muss aber aufs Klo." - „Okay, dann lass wenigstens das Licht aus, damit du nicht wach wirst", schlug Anton vor und hoffte, Harry würde so die Zeitung nicht sehen.

Er ging ins Schlafzimmer und versuchte ganz entspannt zu wirken, während er hoffte, Harry würde nichts bemerken. Doch er kannte seinen Freund gut genug und wusste, dass es schon ein Wunder brauchte, damit diesem die Fachzeitschrift entging.

„Du hast meine Zeitung gelesen?", fragte er und kam damit wenig später zurück ins Zimmer. Verlegen nickte Anton und sagte: „Naja ich dachte, dass ich mich vielleicht dann besser mit dir über fachliche Themen unterhalten kann...manchmal komme ich mir so dumm vor, weil ich mich nicht auskenne." Doch Harry teilte diese Meinung nicht. Er lies sich aufs Bett fallen und küsste ihn: „Du bist nicht dumm. Wenn du mir was von Wein erzählst, komme ich auch nicht hinterher. Jeder von uns hat eben sein Gebiet in dem man sich auskennt und es ist doch sowieso nur wichtig, dass wir uns gut verstehen und lieben. Es ist mir egal, ob du dich im Medizinbereich auskennst oder nicht. Wirklich. Ich liebe dich auch so."

Diese Worte bedeuteten Anton mehr, als er eigentlich zugeben wollte.

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt