Rückkehr

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Harry fühlte sich erschlagen und schwer. Man hatte ihn vom OP Tisch wieder zurück ins Bett gelegt, das spürte er deutlich und er wollte nie wieder aufstehen. Das war viel zu anstrengend. Weit entfernt hörte er eine Stimme, die seinen Namen immer wieder sagte. Es nervte. Er wollte doch nur schlafen, wieso störte man ihn dabei? Vielleicht war die Stimme still, wenn er nicht reagierte.

Doch die Stimme war hartnäckig und sagte: „Harry, kannst du mich hören?" Er wollte ihr antworten, dass er sie verdammt nochmal gut hören konnte und sie nervte, doch lediglich ein Grummeln verließ seine Kehle. „Ah, sehr gut", sagte die Stimme und war endlich still.

Nach weiteren 20 Minuten öffnete Harry endlich die Augen und sah Louis an seinem Bett sitzen. Er wirkte erstaunlicherweise ziemlich erleichtert. „Schmerzen", nuschelte er und sah mit verschleiertem Blick zu ihm hoch. „Ich geb dir was dagegen", antwortete Louis. Ob er extra leise sprach, damit Harrys Kopf nicht zu sehr dröhnte? Als er die Decke zurückschlug, fröstelte Harry kurz und zuckte zusammen, als Louis ihm eine Spritze in den Bauch gab. Das war gegen die Thrombose, soviel bekam er sogar im belämmerten Zustand zusammen. Ein leichtes Ziehen an der Hand zeigte, dass Louis ihm etwas gegen die Schmerzen in den Zugang spritze und sofort spürte Harry sein operiertes Bein nicht mehr, was deutlich angenehmer war. Zu gerne wollte er fragen, wie es gelaufen war, doch sein Körper gehorchte ihm noch nicht, weshalb Harry lediglich dabei zusehen konnte, wie Louis sein OP Hemd im Nacken aufschnürte um die Elektroden von seiner Brust entfernen zu können. Jetzt, da er wach war, war eine Überwachung der Herzfrequenz nicht mehr notwendig. Louis setzte sich wieder und die Stuhlbeine schabten über den glatten Boden.

„Harry kannst du mir folgen, wenn ich spreche?" - „Hm.." - „Die OP ist gut gelaufen. Ich habe dir die Schraube entfernt. Sie waren viel zu lang und etwas zu weit auseinander gesetzt, was sicherlich auch mit der Grund für deine Bewegungseinschränkung war. Das alte Band war zu straff und deswegen hattest du immer diese Schmerzen. Ich habe die Schrauben aufgehoben, wenn du sie später mal sehen willst. Ansonsten hab ich die alten Bohrkanäle aufgefüllt und dir aus der linken Hüfte zwei kleine Stücke Knochen entnommen. Du wirst da morgen vielleicht ein leichtes Ziehen spüren, aber das gibt sich in den nächsten Tagen. Die Plastik ist die Semitendinosussehne aus dem rechten Bein, weil die aus dem linken ja deine alte Kreuzbandplastik war." Harry nickte. Das erklärte, wieso er auch am rechten Bein ein Pflaster spüren konnte. „Morgen nehme ich dir die Schiene ab und du kannst gegen Abend in die Vollbelastung gehen." Bei diesen Worten horchte Harry auf: Vollbelastung nach einem Tag? Er gestattete es seinen Patienten frühestens nach einer Woche, die Krücken wegzulassen. „Das...geht...schnell", nuschelte er und Louis nickte: „Ja, so verhindert man eine Versteifung des Knies, weil genug Bewegung...." Harry hob eine Hand und unterbrach ihn. „Kannst ...du ...das...morgen....erklären?", sagte er ganz langsam, weil sich seine Zunge erst um jedes Wort formen musste.

„Ich warte noch ein bisschen, bis du vollständig auf der Höhe bist, dann bringe ich dich in dein Zimmer. Momentan bist du noch auf der Intensiv." Louis tastete nach seiner Hand und hielt sie fest. Die Kreise, die sein Daumen auf seinen Handrücken malte, machte Harry beinahe wieder schläfrig. Es war so angenehm und er summte leise, um Louis zu zeigen, dass er die Berührung mochte. „Intensiv?", nuschelte Harry, „wieso?" - „Du hast fast zwei Stunden gebraucht, bis du aufgewacht bist. Also haben wir dich sicherheitshalber verlegt", erzählte Louis und Harry lauschte mit geschlossenen Augen. „Es war ziemlich komisch, dich zu operieren. Bisher stand ich in diesem OP Saal nur als Assistent und du warst hinter mir. Jetzt hatte ich dich unterm Messer und Niemanden, der mir über die Schulter geschaut hat. Aber immerhin warst du auch dabei." Der Arzt lächelte, das hörte Harry deutlich und er drückte seine Hand kurz liebevoll. „Danke, dass du mir vertraut hast, das ist eine große Ehre für mich, grade weil ich bei dir gelernt habe." Das Schnauben, das Harry von sich gab und welches soviel heißen sollte wie: ach komm, das ist doch selbstverständlich, deutete Louis richtig und sagte: „Nein, das ist wirklich selten, dass Mentoren irgendwann die Methoden ihrer ehemaligen Schützlinge annehmen." Er küsste Harry zärtlich und stand dann auf: „So, ich bring dich mal nach Oben."

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt