Kapitel 5

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„Nicht einmal bei mir hat er sich so geöffnet."

Luna lässt den Kopf hängen und lässt mich wortlos stehen. Sie steigt die Treppen zur Hauptebene hinab. Ich blicke ihr verwundert nach. Luna geht zu einer Gruppe von Kindern, ungefähr im Alter von 10- 12 Jahren. Sie ringen freundschaftlich um einen alten zerfletterten Ball. Als Luna zu ihnen tritt, springen sie erschrocken auseinander, stellen sich in Windeseile in einer Reihe auf und senken schweigend den Blick. Luna läuft langsam an der Gruppe vorbei. Dann bleibt sie vor dem ältesten der Jungen stehen. Er ist etwas größer als die anderen. Ich schätze ihn auf 15 Jahre. Luna fängt an mit ihm zu reden, aber von meiner Position aus kann ich nicht verstehen, was sie zu ihm sagt. Der Junge hat ein mit Sommersprossen übersätes Gesicht und lockige, haselnussbraune, kurze Haare. Er und Luna blicken kurz in meine Richtung. Dann nickt er Luna kurz zu und diese verschwindet daraufhin zwischen den Zelten.

„HEY FRISCHLING!", ruft der Junge lächelnd zu mir nach oben. „Komm runter zu uns. Die rote Hexe will, dass wir dich trainieren." Die kleinen Jungs hüpfen um ihn herum und versuchen sich wieder gegenseitig den Ball wegzunehmen. Ich steige langsam die Treppe zu ihnen herunter. Der Junge lässt mich keinen Moment aus den Augen. Ich bleibe vor ihm stehen. Er grinst breit zu r Begrüßung. „Mein Name ist Jean und die drei hier ..." Er deutet auf die drei Jungen hinter sich, die sich immer noch um den Ball rangeln. „... sind Luki, Konrad und Timo." Als die Jungen ihre Namen hören, springen sie auf und stellen sich wieder hinter Jean in einer Reihe auf. Ich mustere jeden von ihnen kurz. Alle Menschen hier sind sehr abgemagert, aber bei diesen drei fällt es mir noch einmal besonders auf. Trotzdem sehe ein Leuchten in ihren Augen.

„Ich denke, wir werden erstmal mit einem leichten Krafttraining anfangen." Er wendet sich wieder mir zu. "Du musst wissen, dass wir zu Lunas Aufklärungstrupp gehören und müssen daher jederzeit zum Ausspähen und kampfbereit sein. Wenn Al wieder eine Mission startet, bilden wir seine Vorhut, um alles auskundschaften. Also los, alle runter, zehn Liegestütze!"

Nach gefühlt 100 Liegestützen und Sit ups beendet Jean das Training endlich wieder und die Kleinen wenden sich wieder ihrem Ball zu. „Sieht ganz gut aus." Ich drehe mich erschrocken um. Hinter mir steht Al. Er wirkt wieder genau so kalt, wie bei unserem ersten Aufeinandertreffen. Von seiner vorherigen Aufgeschlossenheit ist nichts mehr zu merken. Er lächelt Jean freundlich an. „Würdet ihr bitte Luna für mich suchen. Ich hörte, dass sie vorhin nach draußen gehen wollte, aber nachdem unser Freund hier" Er nickt mir kurz zu. "der O-F-U-A entwischt ist, sind die noch überkorrekter als sonst. Wir müssen verhindern, dass sie uns gerade jetzt auf die Schliche kommen. Eine Flucht mit so einer großen Gruppe können wir jetzt gar nicht gebrauchen." Jean nickt ihm kurz zu und ruft seine Jungs zusammen. Die lassen ihren Ball achtlos liegen und verlassen gemeinsam die unterirdische Stadt durch einen der Tunnel.

Ich blicke ihnen nach. Al klopft mir auf die Schulter. „Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen." Ich folge Al zu seinem Zelt. Er hält die Plane zur Seite und lässt mich eintreten. Ich erblicke Daisy und die beiden Männer, die vorhin schon bei ihr standen. Daisy mustert mich finster. „Hallo." Der Schwarzhaarige steht auf und reicht mir die Hand. „Ich bin Taju, der Blondschopf dort heißt Mitch und unsere Schönheit hier heißt Daisy." Daisy mustert mich immer noch finster. Auch Taju bemerkt das nun. „Ach Daisy jetzt hab dich doch nicht so." Er will ihr seine Hand beruhigend auf die Schulter legen, doch sie schüttelt ihn ab. „Ich habe keine Lust, wieder solche Probleme zu bekommen. Einen Error hier bei uns aufzunehmen, bringt uns alle nur in Gefahr. Ich dachte, wir hätten aus dem letzten Mal etwas gelernt, aber scheinbar bin ich immer noch die Einzige von uns allen, die hier auch nur einen Moment nachdenkt. Und diejenige, die ihn hier angeschleppt hat, ist natürlich mal wieder verschwunden." Sie wirft Al einen wütenden Blick zu, doch der steht immer noch am Zelteingang und beobachtet den Tunnel, in welchem der Spähtrupp verschwunden ist. Daisys Rede scheint er gar nicht mitbekommen zu haben. Mitch zündet sich eine neue Zigarette an. „Wenn du dir solche Sorgen um sie machst, dann lauf ihr doch selber nach. Du kennst sie schließlich besten." Mitch sieht Al an. Wieder krümelt Asche von seiner Zigarette. Al nickt dankbar. Dann stürmt er die Treppenstufen in Richtung Tunnel hinunter. Daisy drängt sich an Mitch vorbei und verlässt das Zelt. "Bleibt nicht zu lange bei, sonst färbt sein Pech noch auf euch ab.", ruft sie Mitch und Taju zum Abschied zu. Sie verschwindet in ihrem Zelt. „Blöde Tussi", murmelt Mitch vor sich hin. „Was hat sie denn?", frage ich. „Ach, das ist nichts.", antwortet mir Taju. „Die ist immer so drauf."

„Und was ist mit Al? Sollte ihm nicht jemand folgen? Es ist doch bestimmt gefährlich, wenn er alleine herumläuft. Dieser Type von der O-F-U-A will ihn bestimmt auch in die Finger bekommen." Ich blicke zwischen den Mitch und Taju hin und her. Mitch steht auf und steckt sich eine neue Zigarette an. „Hör mir mal zu, Kleiner!" Er legt mir die Hand auf die Schulter. „Wenn es einen hier gibt, der es mit diesem Psychopaten von der O-F-U-A aufnehmen kann, dann ist das Al. Außerdem kann es bereits sein, dass die die Kanalisation nach uns absuchen. Dann ist es nur ratsam, wenn sich so wenige wie möglich in den Tunneln außerhalb dieser Halle befinden." Damit verlässt auch er das Zelt.

Taju folgt ihm und beobachtet den dunklen Tunnelausgang. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Auch ich würde Al gerne nachgehen, aber Mitch hat Recht. Es ist nicht gut, wenn wir alle die Höhle verlassen. Wer soll dann die Schwachen und Zivilisten hier beschützen, falls sie uns doch hier aufspüren sollten?" „Warum macht sich denn Al solch große Sorgen um Luna? Ich meine sie war doch auch in der Lage mich aus den Händen der O-F-U-A zu befreien. Können die ihr denn überhaupt gefährlich werden?" Ich sehe Taju fragend an. Er löst seinen Blick nicht vom Tunnel. „Naja ..." Er kratzt sich nachdenklich am Kopf. „Wie würdest du dich fühlen, dein sozusagen letztes Familienmitglied verschwindet einfach, wenn die Situation am gefährlichsten ist? Ich kann Al's Sorge um Luna sehr gut nachvollziehen. Wer würde sich denn keine Sorgen um seine "kleine Schwester" machen?"

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