Kapitel 23

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Al dreht genervt mit Augen. „Du bist ja immernoch hier." „Sollte dich das nicht eigentlich freuen?" Roy steht an der Gittertür und blickt zu ihm herüber. Al bleibt stur auf seinem Bett sitzen und verschränkt abwehrend die Arme vor der Brust. „Du bist echt immernoch so ein Kleinkind." Roy schüttelt den Kopf. „Hau doch einfach wieder ab! Deine Anwesenheit macht alles nur noch schlimmer!" „Ja genau, ich bin wieder derjenige von allen, der alles schlimmer macht. Mal daran gedacht, wie ich mich fühle? Vielleicht ist es dir entgangen, aber ich bin auch nicht aus Stein. Morgen wird mein letztes wirkliches Familienmitglied verurteilt. Alle hoffen, dass sie dich direkt erschiessen lassen, für das, was du unserem Spion angetan hast. Ich bin wahrscheinlich der Einzige hier, der dir keinen grausamen Tod wünscht." Al kneift misstrauisch die Augen zusammen. „Du bist mir freundlich gesinnt? Ich erinnere dich mal daran, dass es die Organisation war, für die du arbeitest, die mich gefangen hat. Wie bist du mir denn bitte freundlich gesonnen?" „Weißt du eigentlich, wie oft du schon tot wärst, wenn es mich nicht gäbe? Ich habe alles daran gesetzt, damit dein Name von der Abschussliste gestrichen wurde. Die hätten jedes Mal mit O10- Munition auf dich geschossen, wobei das im Nachhinein wahrscheinlich ein heldenhafteres Ende für dich gewesen wäre, als von einer Spionin überlistet worden zu sein." Al mustert ihn kalt. „Ich wusste schon lange, dass Daisy auch eine Spionin ist. Aber es wahr Kys letzter Wunsch, dass es ihr gut geht. Ich habe mir gedacht, dass man sie sicherlich bestrafen würde, wenn sie auch noch auffliegt. Also habe ich sie ab da immer auf Abstand gehalten und alle wichtigen Dinge nur noch Mitch anvertraut." „Den anderen Spion hast du doch auch getötet. Warum machst du dir bei Daisy solche Gedanken darüber, welche Konsequenzen es für sie hat, wenn sie zur OFUA zurückgekehrt wäre und berichtet hätte, dass sie aufgeflogen sei?" „Alter, kapiers doch endlich! Ich habe niemanden umgebracht! Ich wollte ihn zur Rede stellen. Er hat sich selbst erschossen. Wahrscheinlich um Daisys Identität zu wahren." Roy sieht ihn erstarrt an. „Das musst du dann auch mal jemandem sagen! Der Mord macht einen Großteil deiner Anklagen aus." „Was würde das denn bitte jetzt noch ändern? Nur, weil ich ihren Spion doch nicht ermordet habe, macht mich das nicht weniger bedrohlich, aus ihrer Sicht. Es würde so oder so keinen anderen Ausweg geben. Ich bin mir sicher, dass Mitch in der Lage sein wird, alle anderen zu befreien. Ich habe mich damit abgefunden, wahrscheinlich morgen zu sterben. Das ist ok, da ich weiß, dass es da draußen Menschen gibt, die genauso bereit sind für etwas zu kämpfen, wie ich. Sie brauchen nur einen Anreiz dazu. Irgendwann werden sie sich alle erheben. Dann könnt ihr sie nicht mehr länger mit der Krankheit außerhalb der Safezone kleinhalten."

Roy fängt an zu grinsen. „Weißt du, du klingst genauso, wie ein Mädchen, was ich einmal kannte. Sie sprach auch ununterbrochen davon, dass das System irgendwann in sich zusammenbrechen würde, weil alles so ungerecht verteilt ist. Sie war Wissenschaftlerin und hat sich mit der Krankheit auseinander gesetzt. Dafür wurde sie von ihrem eigenen Vater aus der Safezone verbannt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass dir ein ähnliches Schicksal blüht, wenn sie dich nicht sofort erschießen. Naja, hat ja letztlich beides den gleichen Ausgang. Wenn sie dich erschießen stirbst du und wenn du verbannt wirst, infizierst du dich und stirbst auch. Du weißt doch noch ganz genau, wie es mit der Krankheit beginnt oder?" „HALT SOFORT DEINE KLAPPE! ICH WERDE NICHT ZULASSEN, DASS DU DICH IMMERNOCH ÜBER ED LUSTIG MACHEN KANNST." Roy mustert ihn kühl. „Er war schwach!" „NEIN, WAR ER NICHT! ED WAR UNSER KLEINER BRUDER!", entgegnet Al. „Sein Tod hat dich doch nie interessiert. Warum redest du dann immer wieder über ihm?" „Wie du es auch drehst und wendest, fest steht, dass er schwach war. So schnell ist wahrscheinlich kein anderer der Krankheit erlagen.", entgegnet Roy unbeeindruckt. „Er war erst vier Jahre alt!" „Und? Mit seinen vier Jahren war er nichtmal halb so stark, wie du oder ich, als wir so alt waren. Schwache Menschen haben in dieser Welt keiner Chance! Davon solltest gerade du doch ein Lied singen können. Immerhin hast du versucht dein Leben lang das aufzuhalten, was du nicht aufhalten kannst. Schwache Menschen sterben. Ed ist doch das beste Beispiel dafür. Du redest die ganze Zeit davon, dass sich die Menschen irgendwann erheben werden, aber wie soll das bitte aussehen? Die Regierung dieser Safezone sitzt so sicher im Saatel. Da kann nichts kommen." „Ja ja, denke nur, dass euch dieses große eiserne Tor noch länger schützen wird." „Der innere Distrikt wird durch mehr geschützt, als einfach nur ein Tor." „Ach ja, stimmt, du musst es ja wissen. Immerhin bist du dort ja aufgewachsen und hast mich zurückgelassen." Al sieht ihn wütend an. Doch Roy lehnt sich nur gelangweilt an die Wand. „Hatten wir diese Diskussion nicht schon einmal? Mister McDougle wollte einen Erben haben. Ich habe mit ihm geredet, ob er dich nicht auch noch adoptieren kann, aber als ich ihn soweit hatte, warst du bereits drauf und dran der König der Unterwelt zu werden. So ein Kind könnte er natürlich dann unmöglich aufnehmen. Weißt eigentlich, wie sehr er danach auch mich im Visier hatte, als er erfahren hat, dass der Bruder seiner Sohnes, der mal sein Erbe antreten soll, der Bruder des größten Rebells ist. Also, wer hat hier eigentlich wen zurückgelassen?" Al mustert ihn stumm. „Wahrscheinlich wäre ich gar nicht mitgekommen." „Warum nicht?", fragt Roy überrascht. „Als Ed damals krank geworden ist, hat mich unsere Mutter gebeten einen Arzt zu suchen. In unseren Armenvierteln gab es keine Ärzte, die die Krankheit hätten heilen können, also habe ich heimlich vor dem Tor gewartet, bis es geöffnet wurde und habe im Regierungsdistrikt nach einem Arzt gesucht. Mir wollte aber niemand helfen und letztlich musste ich vor den Wachleuten fliehen. Ich habe gemerkt, dass diese Welt nichtmehr im Gleichgewicht ist, wenn sie es überhaupt jemals war. Aber wenn man auf der richtigen Seite der Mauer lebt, ist ja alles in Ordnung. Das ist deine Ansicht oder? Ich habe gesehen, wie die da drinne leben. Mit so einem verwöhnten Schnösel, wie deinem Mister McDougle wäre ich niemals mitgegangen!"

Eine Tür am Ende des Flures öffnet sich. Ein Trupp Wachleute mit Taserwaffen marschieren den Gang entlang. Vor Roy bleiben sie stehen. „Officer McDougle, wie wären dann soweit, den Gefangenen zur Verhandlung zu bringen."

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