Kapitel 22

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„Oh Gott, Luna!" Ich stürme zu einem weißen Bett. „Sie ist vermutlich noch bewusstlos.", sagt Lotta und kontrolliert die vielen verschiedenen Schläuche. „Was hast du mit ihr gemacht?", frage ich. Lotta sieht mich fragend an. „Was meinst du damit?" „Diese Lee fragte doch ob du dieses Errorsyndrom umgehen konntest. Was genau heißt das?" „Ach, das meinst du." Sie lässt die Schläuche los und kommt zu mir herüber. „Du weißt doch, dass die Gebiete außerhalb der Grenzen der Safezone schwer kontaminiert sind, nicht wahr? Menschen werden dort sofort infiziert und wenn ihnen nicht schnell genug geholfen wird, sterben sie. Ihr habt Glück gehabt. Wir waren gerade am Fluss, weil nach einer Überflutung auch immer ganz nützliches Zeug mit angespült wird und da haben wir euch beide gefunden. Sozusagen Glück im Unglück. Wie es scheint, könnt ihr noch nicht lange da im Wasser getrieben haben. Wir haben euch früh genug gefunden, weshalb sich die Erkrankung bei ihr noch in Grenzen hielt. Ich denke, in meiner neuen Behandlungsmethode, wird sie ohne große Nachwirkungen aus der Sache rauskommen." „Und mich? Hast du mich denn auch rechtzeitig behandelt?" Sie sieht mich verwundert an. „Deinen Arm habe ich doch bereits behandelt oder hast du etwa doch noch irgendwelche anderen Probleme, die du mir vorhin nicht gesagt hast?" „Nein, aber, wenn du Luna so lange behandeln musstest, weil sie infiziert wurde, warum kann ich dann schon hier stehen und sie ist immernoch bewusstlos, obwohl wir beide doch gleichzeitig über die Klippe gestürzt sind und somit auch gleichzeitig die Safezone verlassen haben?"

Lotta sieht mich prüfend an. „Was haben die in der Safezone nur mit dir gemacht, Ego? Du scheinst ja wirklich alles vergessen zu haben." Ich sehe sie erstaunt an. Ego, denke ich. Das Einzige, an das ich mich damals im Krankenhaus noch erinnern konnte. Ich senke den Kopf. „Ist das mein Name? Ist Ego mein eigentlicher Name?" „Ja, natürlich.", antwortet Lotta. „Ich habe jeden Menschen, den ich hier außerhalb der Safezone gefunden habe behandelt. Allerdings greift das Virus das Gehirn so schnell an, dass von euren früheren Identitäten nur noch kleine Bruchstücke übrig bleiben, wenn man euch nicht rechtzeitig findet. Lee hast du ja schon kennengelernt. Keiner von uns wusste, wer sie wahr, als wir sie fanden. Und auch sie selbst konnte sich an nichts mehr erinnern. Den Namen Lee habe ich ihr gegeben. Das Einzige, was von ihrem früheren Leben noch übrig ist, ist Talent für die Technik. Du hast ja gesehen, wie sehr sie ihren Computer liebt, oder?" „Das heißt ja dann, dass ich auch aus der Safezone verbannt wurde.", sage ich. „Ja", antwortet Lotta. Ich habe dich auf einer Erkundungstour an der östlichen Grenze gefunden. Auch du konntest dich an kaum etwas erinnern, als du wieder zu dir gekommen bist. Das Einzige was du noch wusstest war, dass dein Name Ego sei. Ich habe ihn dir gelassen. Es tut gut, wenn man sich zumindest an eine Sache klammern kann." Ich starre stumm den Boden an. „Alles in Ordnung?", fragt Lotta und wirft mir einen besorgten Blick zu. „Ja, ja, aber, ich versuche das gerade alles zu verarbeiten." „Ist wahrscheinlich auch alles etwas viel auf einmal." Lotta schmunzelt. „Kein Sorge, um so länger du wieder hier bist, umso normaler wird es sich auch wieder anfühlen." Ich sehe sie erstarrt an. „Ich kann nicht hierbleiben!" „Warum nicht?", fragt sie erstaunt. „Du bist ein Error. Du kannst nicht so einfach durch die Gegend laufen. Du bist für Tod erklärt worden, als du dich damals infiziert hast. Das Sytem sieht die als Gefahr an, ein Error eben. Hier draußen bist du sicher. Ich habe es kontrolliert. Dieser Berg hier ist auch nicht kontaminiert. Wir befinden uns hier sozusagen  in meiner kleinen Safezone. Du und deine kleine Freundin hier können bei uns bleiben. Hier seit ihr in Sicherheit." „Hast du mir denn gar nicht zugehört?", frage ich entgeistert. „Ich habe doch gesagt, dass die OFUA alle unsere Freunde gefangen genommen hat. Al und die anderen haben mir mehrfach das Leben gerettet. Jetzt ist es meine Aufgabe ihnen zu helfen." Lotta erwidert ruhig meinen Blick. Dann nickt sie langsam. „Ich weiß, wie du dich gerade fühlst, aber ich glaube, du stellst dir das etwas zu leicht vor. Die OFUA ist nur ein kleiner Teil des gesamten Konstrukst, was es zu bekämpfen gilt. Ich bin seit Jahren dabei, dieses System zu erforschen und seine Schwachstellen herauszubekommen, aber bis jetzt habe ich noch nichts gefunden, mit dem man es wirklich besiegen könnte."

Neben mir erklingt ein leises Stöhnen. „LUNA?" Ich drehe mich erstarrt zu ihr um. Sie hat die Augen geöffnet und lächelt mich müde an. „Nicht so laut du Dummkopf.", sagt sie schwach. Ihre Augen schweifen durch die Höhle. „Wo sind wir hier?" „In Sicherheit.", antwortet Lotta. „Und wer sind Sie?" Lotta schmunzelt. „Du musst mich nicht siezen. Nenn mich einfach Lotta. Das tun hier alle." Luna nickt schwach. Dann wendet sie sich wieder mir zu. „Wo sind die anderen? Geht es Ihnen gut?" „Äh ... also äh..." Mir verschlägt es die Sprache. Lunas Augen verengen sich misstrauisch. „Zero, wo sind sie?" Ihre Stimme hat etwas bedrohliches. „Nun ja, also, ich glaube, sie wurden gefangen.", sage ich zögernd. Lunas Augen weiten sich. Sie ruckartig springt aus ihrem Bett und packt meine Schultern. „WIE MEINST DU DAS, SIE WURDEN GEFANGEN? WARUM BIST DU DANN HIER? HAST DU IHNEN NICHT GEHOLFEN?" Lotta schiebt sie sanft von mir weg. „Du solltest dich noch nicht so viel bewegen. Ruhe dich aus." Luna sieht mich immernoch erstarrt an. Ihr steigen Tränen in die Augen. „Zero, bitte, sag wir, was passiert ist?" Ich starre auf den Boden.

„Daisy hat uns verraten.", sage ich schließlich. „Sie war die ganze Zeit nur in der Gruppe um zu spionieren. Sie gehört genau wie dieser Roy zur OFUA. Ich hätte Al sagen müssen, das sie etwas geplant hat. Es tut mir alles so leid." „Was haben sie mit ihm gemacht?", fragt Luna leise. Ich sehe sie an. „Dieser Type, der damals im Tunnel auch auf dich schießen wollte, als Al dich gerettet hat, sollte verschwinden, nachdem er gedroht hat Al ebenfalls mit O10- Munition abzuschießen." „Wer hat dem denn befohlen sich zurück zu ziehen?", fragt Luna. „Er wirkte eigentlich nie so, als ob er sich etwas von anderen sagen lässt." „Roy hat ihm das befohlen." „Warum sollte Roy ihm befehlen zu sich zurück zu ziehen?", fragt Luna. „Ich weiß es nicht.", antworte ich. „Warum sollte er das nicht tun?", fragt Lotta. Wir sehen sie erstaunt an. „Er hat versucht Al zu beschützen. Wenn dieser Type schon einmal versucht hat auf dich zu schießen, ist doch klar, dass Roy dazwischen geht, bevor Schlimmeres passieren kann." Sie wirft Luna einen kurzen Blick zu. „Bestimmt weiß Roy doch jetzt genau, wie unberechenbar dieser Type ist. Wenn er, wie du gerade gesagt hast, zur OFUA gehört, hat er da eine sehr hohe Position, wenn alle einfachen Polizisten auf seinen Befehl hören müssen Ich bin mir ziemlich sicher, dass solange dieser Al in seiner Obhut ist, ihm nicht Schlimmeres passieren wird." „Woher willst du wissen, dass Roy Al nichts antut?", fragt Luna zweifelnd. „Ganz einfach.", entgegnet Lotta. „Roy hat oft über ihn gesprochen." „Woher kennst du Roy?", fragt Luna und ich höre das pure Misstrauen in ihrer Stimme heraus. Doch Lotta lächelt nur. „Wir sind immerhin zusammen aufgewachsen. Roy und ich sind zusammen zur Schule gegangen, nachdem er von Herr McDougle adoptiert wurde. Er hat mir auch von seinem kleinen Bruder erzählt. Er wollte wohl seinen Vater überreden diesen Al auch zu adoptieren. Aber dazu kam es nie." Luna senkt ihren Blick. „Mir hat Al immer nur etwas von seinem kleinen Bruder erzählt. Er hieß Ed und ist damals wohl, so wie seine Eltern, bei der Epidemie gestorben. Also war er auf Roy immer so schlecht zu sprechen, weil er gedacht hätte, sein letztes lebendes Familienmitglied hätte ihn auch noch verlassen."

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