Kapitel 21

48 2 2
                                    


„Na, endlich aufgewacht?" Bevor ich überhaupt wirklich zu Bewusstsein komme, merke ich schon, wie mein Schädel brummt. Mit viel Mühe schaffe ich es meine Augen zu öffnen. Ich starre die Decke einer großen steinernen Höhle an. Anders als das Lager in der Kanalisation, was wir zwar immer als Höhle bezeichnet haben, was aber letztlich ja nur ehemalige Stauräume für Wassermassen waren, scheint diese hier eine echte Höhle zu sein, in welcher früher auch wilde Tiere hätten Leben können.

Über mir, weit oben an der Decke, ragen spitze Felsen bedrohlich zu mir herab. Ich lassen meinen müden Blick weiter durch die Höhle schweifen zu lassen und versuche dabei das aufkommende Schwindelgefühl in einem Kopf zu ignorieren. „Warum der panische Blick? Die fallen nicht runter. Keine Angst. Die Höhle ist stabil, gebe ich mein Wort drauf.", ich drehe meinen Kopf ruckartig zu Seite, was ich sofort mit einem stechenden Kopfschmerz bezahlen muss.

Neben mir sitzt eine junge Frau mit langen weißen Haaren. Sie liegt gelangweilt in ihrem Drehstuhl mit den Füßen lässig vor sich auf den Tisch gelegt und mustert mich. „Wo bin ich?", frage ich heiser. Sie lächelt und setzt sich auf. „Na zu Hause du Trottel." „Zu Hause?" Ihr Lächeln verwandelt sich in Verwunderung. „Alles klar bei dir Ego?" Sie leuchtet mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht. „Jetzt sag schon, wo bin ich hier?" Ich halte mir schützend eine Hand vor die Augen. Sie wendet sich ihrem Computer zu. „Ok, dass muss sich Lotta dann dringend einmal ansehen, wenn sie Zeit für dich hat." „Lotta? Wer zur Hölle ist denn jetzt Lotta?" Sie tippt ungerührt auf ihrer Tastatur herum. „Lotta ist die Frau, die sich gerade um dieses Mädchen kümmert, das wir bei dir gefunden haben." „Meinst du Luna?" Ich springe auf und starre sie an. Sie wirft mir nur einen kurzen Blick zu. „Ist das ihr Name? Dann kann ich das schon mal in meine Datenbank übernehmen." „WO IST SIE?" Mein Kopf fängt an zu dröhnen und ich schwanke nach hinten. Sie wirft mir einen kurzen besorgten Blick zu und blickt dann wieder auf ihren Monitor. „Hey, jetzt beruhig dich mal wieder! Lotta ist die beste Ärztin, die es gibt. Ohne sie wären wir alle nicht hier. Also komm runter und warte ab." Ich starre sie an. „Und wer bist du?" Sie hört auf zu tippen und dreht sich zu mir um. „Mein Name ist Lee."

Ein Lautsprecher an der Decke fängt an zu rauschen.

„... ... ... Lee, wie geht es ihm? ... ... Ist er wieder wach? ... ..."

Ich sehe Lee fragend an. Sie lächelt und wendet sich ihrem Computer zu. „Ist wieder bei Bewusstsein.", murmelt sie, während sie es eintippt.

„... ... ... Danke Lee. ... ... ... Ich bin hier gleich fertig. ... ... ..."

Dann verstummt der Lautsprecher wieder.

„Wer war das gerade?", frage ich. „Das war Lotta. Sie wird sicherlich gleich vorbeikommen, wenn sie mit dem Mädchen fertig ist." Ich setze mich stumm wieder auf mein Bett und betrachte meinen linken Arm. Er ist dick eingegipst. „Du bist echt ein Glückspilz. Ich hatte ja noch mit Lotta gewettet, dass er safe gebrochen ist, aber scheinbar bist du noch mit einer Verstauchung und einer verrenkten Schulter davongekommen.", sagt Lee, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Aber keine Sorge, dass alles heilt wieder." Sie zwinkert mir aufmuntern zu.

Ich lasse meinen Blick nochmal gründlicher durch die Höhle schweifen. Ihre kalten Felswände sind teilweise mit weißen Planen verhangen. Dann gleiten sie an einer Seite auseinander und eine Frau in einem weißen Kittel und braunen Pferdeschwanz kommt herein. „Das ist Lotta.", raunt mir Lee zu. „Wie, dass ist Lotta?" Sie sieht Lee fragend an. „Er scheint seine Erinnerungen an uns verloren zu haben. Mich hat er auch nicht erkannt.", antwortet Lee, wieder in ihren Computer vertieft.

Lotta kommt auf mich zu. „Erneuter Gedächtnisverlust? Sonst noch irgendwelche Beschwerden?", fragt sie und kontrolliert den Gips an meinem Arm. „Kopfschmerzen", antworte ich. „Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Ruhe dich aus." „Wie geht es Luna?" „Interessant. Die Erinnerung an das Mädchen sind also noch da, dass heißt, das die Amnesie wahrscheinlich nicht durch den Sturz in den Fluss ausgelöst wurde." „Wie geht es Luna?", wiederhole ich meine Frage noch einmal. Sie sieht mich beruhigend an. „Sie wird wieder." Lee blickt von ihrem Computer auf. „Das hießt, du konntest es endlich beheben?", fragt sie. Lotta säubert gedankenverloren ihre Brille. „Das wird sich zeigen." „Was denn beheben?", frage ich. „Das Errorsyndrom.", antwortet Lotta. „Aber dazu später mehr. Zuerst würde mich aber mal brennend interessieren, wie ihr beide überhaupt in den Fluss gekommen seid." Sie sieht mich erwartungsvoll an.

Ich erstarre beim Gedanken daran. „Alles in Ordnung?" Lotta sieht mich besorgt an. „Sie haben sie." „Wen haben sie?" Lotta setzt sich neben mich. „Wer hat wen?", fragt sie ruhig. „Die OFUA ... die OFUA hat sie alle gefangen genommen. Ich konnte mit Luna fliehen, aber dann sind wir die Klippe heruntergestürzt und dann." „Ach, die OFUA." Lotta lehnt sich zurück. „Dieser Drecksverein." Sie muss schmunzeln. „Ich sehe sie erstaunt an. „Du kennst die OFUA?", frage ich erstaunt. „Ja, ist schließlich die Organisation meines Vaters." „DEIN VATER IST DER CHEF DER OFUA?" Ich springe vom Bett auf und taumle, da mir sofort schwindelig wird. „Hey Hey" Lotta sieht mich besorgt an. Ich stütze mich an die Wand und versuche mein Gleichgewicht wiederzufinden. „Du hast eine starke Gehirnerschütterung. Du solltest dich erstmal ausruhen. Komm, leg dich wieder hin." „Nein!", stöhne ich. „Ich muss ... Ich muss zu Luna! Ich muss ... wissen, wie es ihr geht!" „Das geht nicht.", wirft Lee von hinten ein. „Sie ist gerade erst behandelt worden und du solltest eigentlich im Bett ..." „Ist schon in Ordnung Lee." Lee sieht Lotta erstaunt an. „Wie, ist in Ordnung? Hast du nicht gerade selbst gesagt, dass er das Bett hüten soll?", fragt sie ungläubig. Lotta schmunzelt. „Da hast du zwar Recht, aber glaubst du wirklich, er könnte einfach hier so ruhig liegen und sich erholen, wenn er keine Ahnung hat, wie es ihr geht? Ich finde es gut, wenn er sie sehen kann. Ungewissheit beunruhigt einen nur noch mehr." Sie legt mir freundschaftlich die Hand auf die Schulter. „Komm! Ich bringe dich zu ihr."

Lotta schiebt mich durch einen langen Gang aus weißen Folien. „Was ist das hier eigentlich?", frage ich. „Mein Zuhause.", antwortet Lotta. „Ein Zuhause? Wie kann das hier ein Zuhause sein?", frage ich ungläubig. „Naja, irgendwo muss ich ja wohnen, wenn die mich schon aus der Safezone verbannen." Ich bleibe abrupt stehen. „Sagtest du gerade, dass man dich aus der Safezone verbannt hat?" Ich starre Lotta an. Luna hatte mir mal erzählt, dass zum Tode verurteilte Schwerverbrecher als Strafe aus der Safezone verbannt werden. Sie dreht sich zu mir um. „Ich weiß, was du jetzt denkst." Die hebt beschwichtigend die Hände. „Aber glaube mir, da läuft vieles hinter den Kulissen, was man als Außenstehender gar nicht mitbekommen kann und vor allem nicht mitbekommen soll. Das wirst du schon noch sehen, wenn es soweit ist."

Sie schlägt eine weiße Plane zur Seite. „Da wären wir."

System errorWhere stories live. Discover now