Kapitel 14

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Es bringt doch nichts, wenn du hier die ganze Zeit nur rumsitzt. Komm schon, rede mit den beiden. Sie sind auch nicht sauer." Ich starre genervt an die Wand. „Was war überhaupt euer Problem? So sind die ja sonst nie drauf." Ich ignoriere Luna einfach. „Hörst du mir überhaupt zu? Hallo?" Sie fuchtelt mit der Hand vor meinem Gesicht. Ich schiebe sie bei Seite. Sie seufzt und lässt ihre Hand sinken. „Aber du kannst dich nicht die ganze Zeit in deinem Zelt verbarrikadieren." Sie steht auf und fängt an ungeduldig an meinem Arm zu ziehen, doch ich rühre mich kein Stück. Schließlich lässt sie ihn wieder los und stöhnt genervt. Sie stützt ihre Hände in die Hüften. „Das hat doch alles keinen Sinn. Früher oder später musst du sowieso mal wieder rauskommen." Dann dreht sie sich um und verlässt mein Zelt.

Ich lasse genervt den Kopf hängen. „Ganz schön stürmisch die Kleine." Daisy steht grinsend im Eingang. „Verschwinde." Ich werfe lustlos ein Kissen nach ihr. Lässig fängt sie es auf. „Warum bist du hier?" Ich blicke genervt zu ihr auf. Sie lächelt mich an. „Darf ich das etwa nicht?", fragt sie gespielt vorwurfsvoll. „Du bist mittlerweile andauernd bei mir. Kommt dir das nicht selber ein bisschen komisch vor? Denkst du, ich würde das nicht merken?" Sie sieht mich weiterhin mit ihrer Unschuldsmiene an. „Ich bin eben gerne bei dir. Ich habe das Gefühl, dass wir beide ganz ähnlich ticken." Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und seufze. „Da gibt es eine Sache, die mir nicht aus dem Kopf geht." „Was denn?", fragt sie. „Naja, du warst diejenige, die mich aus der Höhle gezogen und ein paar Gänge weiter stand bereits die gesamte OFUA bereit. Wir haben die Gänge heute Morgen kontrolliert und niemanden entdeckt. Sie haben müssen still die ganze Zeit gewartet haben. Erst als ich alleine durch die Gänge gelaufen kam, weil du mich rausgeschickt hast, haben sie sich zu erkennen gegeben. Sie müssen gewusst haben, dass Al und Mitch gerade andere Sachen am Kopf hatten, anstatt alles wachsam zu sein. Beide haben unseren Streit ausdiskutiert. Im Prinzip waren wir also komplett ungeschützt. Warum also haben sie uns nicht angegriffen? Warum sind sie erst aufgetaucht, als ich ganz alleine war? Oder besser gesagt, woher wussten sie, dass ich ganz alleine in ihre Arme laufen werde?" Ich blicke Daisy ins Gesicht, doch das verrät rein gar nichts. „Und dann ist da noch etwas Interessantes.", fahre ich schließlich fort. Daisy macht keine Anstalten mich zu unterbrechen.  „Dieser Roy hat mir da von einer Spionin innerhalb von Al's Reihen erzählt. Ich vermute, dass diese ihm auch mitgeteilt hat, das nur ich alleine das Lager verlassen habe. Das hätten zwar auch alle anderen aus dem Lager gewusst, aber dein Verhalten ist am auffälligsten, wenn du mich fragst." Daisys Grinsen ist verschwunden. Ihre Augen funkeln eiskalt. Sie hält mir ihre Taserwaffe vors Gesicht. „Vorsicht mit dem, was du sagst!" Ich lächle triumphierend. „Ich wusste es doch. Das war mehr als nur offensichtlich. Ewigkeiten bist du nur schlecht mit mir umgegangen und auf einmal bin ich hier dein engster Vertrauter? Kein bisschen auffällig oder? Aber denke doch mal nach, wenn ich das schon merke, wird es Al schon lange wissen. Was machst du, wenn er dir auch auf die Schliche kommt? Du hast ihn vorhin einfach zu Boden geworfen. Der ist gerade wahrscheinlich nicht sehr gut auf dich zu sprechen." Daisy fängt böse an zu grinsen. „Al ist noch nicht wieder vollständig bei Kräften und was seinen Verdacht angeht, ich bin mit ihm schon immer kühl und abweisend umgegangen. Mein Verhalten ihm gegenüber sollte ihm also nicht sonderlich komisch vorkommen. Al ist nahezu blind, wenn es darum geht Verräter in den eigenen Reihen zu finden. Einen hatte er gefunden, aber ich denke nicht das er je mit mehr gerechnet hat. Sonst hätte er mich auch schon vor Ewigkeiten beseitigt und dich, als eine komplett unbekannte Person gar nicht erst bei sich aufgenommen, Error hin oder her. Und übrigens, wenn du irgendwie singen solltest, lasse ich Roy auf dich los und du wirst für den Rest deines Lebens auf der Flucht sein. Die werde dich immer nur jagen! Du findest keine Ruhe und es nimmt nie ein Ende! Hast du mich verstanden?" Sie deutet drohend mit dem Finger auf mich. Ich blicke sie stumm an. Sie richtet sich wieder auf. Und lässt ihren Blick durch das Zelt schweifen. „Immerhin bin ich der Grund dafür, dass du hier überhaupt noch mit mir reden kannst." Sie steckt ihre Waffe zurück in ihren Gürtel. Und blickt nachdenklich zum Eingang. „Aber naja, mach doch was du willst. Letztlich kannst du eh nur verlieren!" Damit verlässt sie das Zelt wieder und lässt mich mit einem fragenden Ausdruck zurück. 

„Al? AALL? Aaaaaalllll!!!" Ich schrecke von meinem Schlafsack hoch. Ich muss wohl kurz eingeschlafen sein. „AAAAALLLLL!!!" Jeans Stimme schallt durch das gesamte Lager. Ich trete langsam ins Freie. Rund um die Lagermitte haben sich bereits alle anderen zusammengefunden. Jean steht in der Mitte vor Al, der auf einer Kiste sitzt und nachdenklich dreinblickt. Ich trete zu der Gruppe. Mitch wirft mir einen misstrauischen Blick zu. Dann wendet er sich ab und steckt sich am Rand der Gruppe eine neue Zigarette an. Jean versucht währenddessen vergeblich die aufgeregten Schreie von Luki, Konrad und Timo zu übertönen. „Al, verstehst du? Wir befinden uns in Lebensgefahr." Er fuchtelt wild mit seinen Händen vor Al's Gesicht herum. Der hat eine Hand ans Kind gelegt und blickt Jean nachdenklich an. Ich bahne mir einen Weg durch die Massen an Menschen und trete an Lunas Seite. „Was ist denn passiert?", flüstere ich ihr ins Ohr. „Jeans Gruppe war auf einer Patrouille, während du geschlafen hast. Mitch hat doch schon berichtet, dass es sehr starke Regenfälle gab. Das wäre prinzipiell zwar nichts Schlimmes, weil das Regenwasser hinter großen Flutgates gestaut wird, um es kontrollierter abfließen zu lassen. Prinzipiell wären das also alles kein Problem, aber wir befinden uns hier nicht mehr in unserer Haupthöhle. Dort waren wir sicher vor sowas, weil dieser Teil der Kanalisation schon vor langer Zeit stillgelegt wurde. Aber diese Gänge hier sind ganz in der Nähe eines Flutgates. Mitch hat Jean aufgetragen eine Patrouille dorthin zu führen und das Gate zu überprüfen. Der Wasserstand in den anderen Tunneln soll auch schon gestiegen sein." Das ist mir auch schon aufgefallen, denke ich. „Jean meinte, dass am Rand des Gates schon Wasser herausläuft. Der Stauraum dahinter muss also randvoll sein. Und wenn Jean Recht hat, ist das so viel Wasser, dass auch diese Höhle hier, wenn sich das Gate öffnet komplett überflutet wird." Ich blicke mich in der Masse um. Alle lauschen schockiert Jeans Bericht. Ich höre wie eine Mutter ihr Kind panisch zu sich ruft und das ängstliche Flüstern zweier weiterer. Sie ist nicht da! War ja klar, denke ich, Daisy ist nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich hat sie sich schon heimlich in Sicherheit gebracht, falls das Gate dem Wasserdruck nichtmehr standhalten sollte.

„Ok Schluss jetzt!" Al erhebt sich von seiner Kiste. Jeder packt das Nötigste, was er braucht und ..." „Al?" Luna greift panisch nach meinem Arm. „Ähm?" Sie deutet zitternd zum Eingang. Al's Augen weiten sich schlagartig. „Rennt! RENNT WEG!!!"

Aus dem oberen Tunnel hört man ein lautes Dröhnen, dann strömt über die obere Anhöhe eine gewaltige große Flutwelle aus dreckigem braunem Wasser. Scheiße, denke ich nur. Um mich herum ergreifen alle panisch die Flucht. Ich stehe da, wie erstarrt. Ein Fels in der Brandung im Strom der fliehenden Menschenmasse. Ich starre auf die, mit einer rasenden Geschwindigkeit, auf mich zukommende Welle. Dann werde ich von der dunklen Wucht mitgerissen. Verdammter Mist! Ich kann doch nicht schwimmen, denke ich panisch. Ich überschlage mich mehrmals, pralle gegen mehrere Dinge. Ich kann in der dunklen Brühe nicht feststellen ob es sich um weggespülte Zelte oder andere Menschen handelt. Ich werde von einem Sog in die Tiefe gerissen und verliere gänzlich die Orientierung.

Wir werden in die dunklen Seitengänge getrieben. Ab und zu leuchten über mir orangene Kontrolllampen auf. Ich schaffe es ein paar Mal mich verzweifelt an die Oberfläche zu kämpfen, nur um im gleichen Moment wieder unterzugehen. Verdammt, ich brauche Luft, denke ich panisch. Noch einmal starte ich einen Versuch, doch es bringt alles nichts. Ich gebe es auf und lasse mich von der Strömung mitreißen. Ich merke, wie ich am Boden der Gänge weiter entlang getrieben werde. Auf einmal fängt die Oberfläche über mir an zu glitzern. Wir sind wohl nicht mehr in der Kanalisation, denke ich. Ich strecke meine Hand nach der glitzernden Oberfläche aus, die in unerreichbare Ferne gerückt zu sein scheint. Dann schließe ich die Augen und verliere das Bewusstsein.

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