Kapitel 9

95 4 0
                                    


Seit dem Überfall der O-F-U-A ist bereits eine Woche vergangen. Al ist mittlerweile wieder bei Bewusstsein. Phil und Luna fesseln ihn aber buchstäblich immer noch ans Bett. Mir wurde währenddessen immer und immer wieder die Frage gestellt, wie es mir möglich war, diese teuren Medikamente zu kaufen. Allerdings habe ich doch auch keine Ahnung, warum ich so viel Guthaben besitze. Bis vor Kurzem wusste ich noch nicht einmal, dass ich überhaupt so ein Konto habe. Fakt ist jedoch, dass ich Al's Leben damit gerettet habe. Phil hat genug Verbände, um Al versorgen zu können. So ist er auf dem schnellsten Weg der Besserung.

Unter der Aufsicht von Mitch hat sich das neue Lager in den letzten Tagen gut entwickelt. Viele neue Zelte sind aufgestellt worden und langsam kehrt wieder so etwas wie Normalität ein. Trotzdem versetzt es alle immer wieder in große Panik, wenn von oben, aus dem kleinen Eingangstunnel, ein fremdes Geräusch zu hören ist.

Luna hat mir erklärt wie viel eigentlich 1000 ID–Coints wert sind und was ich mir davon alles kaufen könnte. Halten wir mal fest: Ich bin einer der wohlhabendsten Menschen in diesem Bereich der Safezone. Ein Guthaben in einer ähnlichen Höhe bekommen nur die hohen Beamten, wie beispielsweise dieser Roy von der O-F-U-A. Es wirklich nutzen, kann ich aber nicht, denn, wenn es nach Al geht, werde ich nämlich nicht so bald wieder an die Oberfläche kommen. Als er wieder aufgewacht war, hat er mich und Luna erstmal richtig zusammengestaucht. Wie wir es denn wagen konnten nur zu zweit an die Oberfläche zu gehen und dass wir froh sein können, dass diese Säule noch ein altes Modell ist. Ansonsten hätte sie, genau wie die Lichtschranken, die ich bei meiner ersten Flucht vor der O-F-U-A passiert habe, angefangen ein lautes Alarmsignal auszusenden und schon wäre wieder die gesamte Polizei hinter mir her gewesen. Wir haben also großes Glück gehabt. Mitch meinte, dass es Al nicht gerne sieht, wenn sich andere für ihn in Gefahr bringen und er deswegen so verärgert sei. Ich denke nur, jeder zeigt seine Dankbarkeit eben anders.

Luna verbringt fast den ganzen Tag an Al's Seite, sodass Phil sie schon mit Gewalt aus dem Zelt bugsieren musste, damit sie ihren eigentlichen Pflichten noch nachkommt. Ich habe währenddessen mein Training mit Jeans Gruppe wieder aufgenommen und ich muss sagen, man kann schon deutliche Vorschritte sehen. Die hintere Wand, die hier alle Alteingesessenen zum Auf– und Abstieg verwenden, kann ich mittlerweile ohne größere Probleme bezwingen, sodass mir das stinkende Bad erspart bleibt.

Ich laufe den Weg zwischen den Zelten entlang. Nach der Rettung von Al haben die Menschen ihr Misstrauen mir gegenüber vollständig abgelegt und grüßen mich freundlich, wenn sie mich sehen.

Ich biege um die Ecke und betrete mein eigenes Zelt. Es liegt etwas abseits der anderen. Ich hab's lieber ruhiger. So etwas wie Nachtruhe oder Schlafenszeiten kennen die Kleinen hier anscheinend nicht. Sie rennen auch noch nachts um die Zelte. Doch hier draußen kommen sie nicht her, sodass die Lage meines Zeltes genau richtig ist.

Plötzlich packt mich jemand am Arm. Ich werde zurückgerissen, pralle unsanft gegen die Steinwand und gehe stöhnend zu Boden. Daisy steht vor mir und funkelt mich wütend an. „Was soll denn das?", frage ich sie sauer. „Na was wohl? Ich will wissen woher du das ganze Guthaben hast! Also los, rede endlich!" Sie funkelt mich böse an. „Woher soll ich das denn wissen? Ich habe ja noch nicht einmal eine Ahnung, wer ich eigentlich bin. Wie soll ich denn dann wissen, wie ich an so viel Geld gekommen bin?" Ich stemme mich langsam an der Wand wieder hoch. Daisy mustert mich währenddessen abschätzend. „Wegen dir werden wir noch alle draufgehen!" Damit dreht sie sich um und verschwindet wieder. Ich blicke ihr verwirrt hinterher. Was ist denn ihr Problem?

Ich betrete mein Zelt. Es ist kleiner, als das in der anderen Höhle und auch nicht halbwegs so gut eingerichtet. Um genau zu sein, habe ich nur noch einen Karton, in dem alte Klamotten lagern und einen alten Schlafsack. Ist ja auch verständlich. Schließlich dient diese Höhle nur als Ersatz, für den Fall einer Evakuierung der anderen.

Ich setze mich auf meinen Schlafsack und lehne meinen Kopf gegen die Zeltwand. Ich fühle mich müde und ausgelaugt. Ich will einfach nur noch schlafen und schließe erschöpft meine Augen. „Hey Neuling!" Ich blicke erstaunt auf. Al steht im Eingang und sieht zu mir herunter. „Darfst du dich denn überhaupt schon so viel bewegen?", frage ich verwundert und springe auf. Al lächelt und sieht mich an. „Du weißt ja gar nicht, wie kompliziert es war Phil, Mitch und vor allem Luna zu entwischen." Er lässt sich auf den Schlafsack sinken. Kurz verzieht er schmerzvoll das Gesicht. „Geht es dir wirklich schon wieder gut?", frage ich. „Ja ja, geht schon. Hattest du mich eigentlich nochmal im Krankenzelt besucht?", fragt er mich und blickt zu mir hinauf. „Ich ... ähm ... nein, habe ich nicht. Zumindest nicht, nachdem du mich und Luna so zusammengefalteten hast." Al blickt amüsiert zu Boden. „Ich danke dir, dafür, dass du mich gerettet hast.", sagt er dann. „Luna hat mir erzählt, dass ihr Konto gesperrt wurde. Eigentlich habe ich im Tunnel, bei unserer Flucht, bereits gedacht, dass ich den nächsten Tag nichtmehr erleben würde. Es war mir durchaus bewusst, wie schwer meine Verletzungen waren und ich war mir sicher, dass es keinen gab, der die nötigen Medikamente hätte bezahlen können, aber scheinbar habe ich mich in diesem Punkt geirrt." Er sieht mir in die Augen. „Da draußen scheint es jemand gut mit dir zu meinen." Ich erwidere stumm seinen Blick. „WAS BITTE WIRD DAS DENN HIER?" Luna ist wutentbrannt ins Zelt gestürmt. Mitch taucht hinter ihr auf. Er packt Al am Kragen und zieht ihn auf die Beine. „Los, ab zurück!" Al entwindet sich seinem Griff und stellt sich ihm gegenüber. „Lass gut sein, ok? Mir geht es gut! Ihr müsst mich nicht rund um die Uhr bewachen!" Er erwidert Mitch grimmigen Blick. „Du, Al ..." Luna ist zwischen die beiden getreten und sieht Al mit einem ruhigen Lächeln an. Er wirft ihr einen kurzen Blick zu. „Luna, das gilt auch für dich! Mir geht es gut. Ihr müsst nicht ..."

Ich verfolge erstaunt das Geschehen. Luna hat Al nur leicht angestoßen und er geht schon zu Boden. Ich starre ihn an. Mitch blickt ebenfalls sehr überrascht auf den am Boden liegenden Al. Der versucht sich wieder aufzurappeln, bleibt dann aber stöhnend am Boden liegen. „Mitch nimm ihn mit! Wenn er von sowas gleich zu Boden geht, kann es ihm noch nicht gut gehen." Damit dreht sie sich um und verlässt das Zelt wieder. Mitch packt Al am Arm und zieht ihn auf die Beine. „Abmarsch!", befiehlt er schroff. Al fängt an zu grinsen. Ich stehe immer noch da, wie erstarrt. Mitch wirft mir noch einen kurzen Blick zu, bevor er mit Al verschwindet.

Wow, denke ich. Mit Luna möchte ich mich nicht anlegen. Ich trete zum Eingang und blicke ihnen nach. Phil steht mit hochrotem Kopf vor seinem Zelt und wartet ungeduldig auf Al's Rückkehr. Ich blicke den rauschenden Wasserfall hinauf. Oben an der Kante kann ich Daisy ausmachen, die stumm das Lager beobachtet.

System errorWhere stories live. Discover now