Kapitel 25

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„Sie haben ihn Harley." Mitch lehnt sich an die Gitterstäbe und sinkt zu Boden. Mutlos lässt er seinen Kopf sinken. „Aber ist das denn nicht gut?", fragt der alter Mann. Er sitzt im Halbschatten seiner dunklen Zelle. Das schwache Licht aus der alten Glühbirne an der Decke lässt seine zahlreichen Falten noch tiefer wirken. „Nein, das ist es nicht!", antwortet Mitch. „Wieso?" Mitch stöhnt genervt. „Hör auf mich mit deinen Fragen zu nerven Harley!", sagt er mehr zu sich selbst, da der Alte ihm eh nicht zu zuhören scheint. „Das war doch immer das Ziel von uns Kopfgeldjägern.", meint der stattdessen. Einen Moment starrt Mitch ihn verständnislos an, dann legt er seinen Kopf gegen die Gitterstäbe und rauft sich die Haare. „Harley, es wäre meine Aufgabe gewesen ihn zu beschützen, sie alle zu beschützen. Und was mache ich stattdessen? Lasse mich einfach von einer Möchtegernbeamten festnehmen, ohne Gegenwehr. Ich hätte nicht auf Al hören sollen. Nur dieses eine Mal."

Der Alte erhebt sich von seiner quietschenden Liege, auf der er die ganze Zeit gesessen hat und tritt an die Gitterstäbe seine Zelle, sodass er Mitch direkt gegenüberstehen kann. „Du hättest es ganz einfach haben können, Kleiner. Hättest du den Job damals bereits erledigt, wärst du jetzt nicht in dieser Situation, dass du mir hier deine Schuldgefühle vorplärren musst." „Hä?" Mitch sieht ihn mit einer Mischung aus Wut und Verständnislosigkeit an. Der Alte zuckt nur gleichgültig mit den Schultern „Ich sag' s ja nur. Du hättest auf mich hören sollen." Wutentbrannt springt Mitch auf. Diese selbstgefällige Art konnte er noch nie leiden. Er greift durch die Gitterstäbe und packt den Alten unsanft am Kragen der Sträflingskleidung. Der Alte zeigt keine Art von Gegenwehr. Unbeeindruckt mustert er ihn. Mitch beißt angespannt die Zähne zusammen. „Du hast Recht. Wenn ich den Auftrag so ausgeführt hätte, wie du es mir befohlen hattest, wäre ich nicht hier.", presst er hervor. Der Alte erwidert stumm seinen zornigen Blick. Seufzend lässt Mitch ihn los und lässt sich wieder an der Wand herunterrutschen. „Wenn ich alles so getan hätte, wäre ich nicht hier. Dann wäre ich schon lange tot."

Vor 15 Jahren:

Nach der „Zweiten Welle", dem größten plötzlichen Artensterben weltweit, nach dem Aussterben der Dinosaurier, waren die verbliebenen Menschen gezwungen  sich in den wenigen nichtkontaminierten Gebieten ein neues Leben aufzubauen, zusammengepfercht, wie Tiere in einer Massenhaltung. Die Welt steckt in einer Krise. Die Menschen sind in ihre jeweilige Safezone gezogen und müssen nun mit lebensnotwendigen Gütern versorgt werden. Doch Probleme sind schon vorprogrammiert. Es gibt nicht genug Nahrungsmittel, nicht genug sauberes Wasser um die Menschen zu versorgen. Vor allem in einem der nördlichsten Distrikte, Jochten, kommt es immer wieder zu Aufständen. Die Bevölkerung hier besteht vor allem aus Bauern. Aus diesem Grund wurde dieser Bezirk von der Regierung als Selbstversorger eingeteilt und daher nur noch selten mit Gütern beliefert.

Hier wird auch Mitch in eine arme Familie hineingeboren. Als zweitältester Sohn und großer Bruder von drei Schwestern wächst er auf einem kleinen Bauernhof auf. Alle müssen täglich mit anpacken, um die siebenköpfige Familie über Wasser zu halten. Doch die kargen Felder bringen kaum genug Erträge um die Familie zu ernähren, weshalb sie auch bei der einzigen Einkommensmöglichkeit, dem örtlichen Wochenmarkt, nichts anbieten können. Die Tumulte und Aufstände in der Nachbarschaft nehmen immer größere Ausmaße an, da die Regierung sich weiterhin weigert Versorgungsmittel zu entsenden. Stattdessen haben sie angefangen die Aufstände militärisch niederzuschlagen.

Vor zwei Wochen ist Mitchs Mutter an Unterernährung gestorben, nachdem die Familie nach einem harten und langen Winter komplett ausgehungert ist. Nachdem die jüngste Tochter Petra bereits verhungert ist, hat die Mutter ihre eigenen Rationen an ihre anderen Töchter abgetreten. Mit der Zeit merkelte sie immer mehr aus, bis es zu spät war. Doch das sollten nicht die letzten Verluste sein, den die Familie zu verkraften hatte. Die Regierung hatte ihre Truppen mehr als verdoppelt, um den Aufständen Einhalt gebieten zu können. Als Antwort darauf haben sich auch immer mehr Menschen den aufgebrachten Massen angeschlossen. So ist aus den anfänglich kleinen Aufmärschen schnell ein blutiger Bürgerkrieg geworden. Letzte Woche wurde Mitchs großer Bruder Alvi bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Militär einer Gruppe Aufständischer erschossen. Die Familie wurde so ein weiteres Mal erschüttert.

Heute ist ein Mittwoch, Zeit für den wöchentlichen Markt. Trotz der Unruhen ist es hier immer brechend voll. Mitch und sein Vater gehen zusammen durch die Gassen voller Stände. Zielstrebig geht sein Vater voraus. Mitch stolpert ihm ungeschickt hinterher, bemüht mit ihm Schritt zu halten. „Wo gehen wir denn hin Papa?", fragt er. Doch der packt nur seinen Arm und zieht ihn wortlos weiter hinter sich her. Hinter der nächsten Ecke hält er an und packt Mitch an den Schultern. „Mitch, du musst mir jetzt sehr gut zuhören!" Er sieht ihn eindringlich an. Irritiert erwidert Mitch seinen Blick. „Was meinst du den Papa. Ich versteh nicht was" „Ich habe so viel verloren. Du musst verstehen, dass ich das nun tun muss um Mina und Emmy zu retten." Er drückt Mitch dicht an sich. „Was meinst du denn damit Papa?", stammelt Mitch. „Bitte verzeih mir mein Junge." Sein Vater löst sich wieder von ihm. Dann stößt er ihn vor eine Menge von aufgeregten Leuten. Sie verstummen und sehen Mitch erstaunt an. Nervös durch die plötzliche Aufmerksamkeit versucht Mitch wieder auf die Beine zu kommen. „Ich habe noch jemanden abzugeben.", hört er seinen Vater rufen. Ein Mann in einem lilafarbenen Anzug zieht Mitch grob auf die Beine. Streng mustert er ihn. „Wie viel wollen sie denn für ihn haben? Besonders wertvoll sieht er ja nicht aus." „Holen Sie einfach das Beste heraus." Mitch sieht ihn erstarrt an. „Papa, was meinst du damit?" Er will ihm entgegenlaufen doch wird von dem Mann sofort wieder zurückgezogen. „Kümmert euch um ihn!" Er stößt Mitch in die Arme zweier Männer hinter sich. „Was soll das? Loslassen!" Mitch reist sich los und läuft wieder auf seinen Vater zu. „Wo willst du denn hin Kleiner?", fragt der Mann im lila Anzug streng. Er packt Mitch am Kragen, gerade bevor dieser die kleine Bühne verlassen kann und drückt ihn fest auf den Boden. " Aua", schreit Mitch laut und funkelt ihn böse an. „Du bist verkauft Kleiner. Flüchtige Sklaven dürfen erschossen werden." Die beiden Männer greifen Mitch unter die Arme und ziehen ihn wieder nach hinten.


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