Kapitel 2 | Nur eine Stunde

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|Nur eine Stunde|

Zitternd atmete ich aus. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Harry wie er sich an die Wand lehnte und ins Lehre starrte. Konnte mich jemand bitte kneifen? War das gerade ein Traum? Wenn ja, war es der schönste und schrecklichste zugleich den ich je hatte. Kraftlos lies ich mich auf den Boden gleiten und schlang meine Arme um meine Knie. Um mich selbst zu beruhigen wippte ich hin und her. Ohne es zu wissen, begann ich die Melodie von 'Sign of the Times' zu summen und Harry sang leise mit. Schlagartig hörte ich auf und lauschte seiner wunderbaren tiefen Stimme. Meine Fan-Girl Zeiten holten mich wohl wieder ein. Und trotzdem: dafür dass das ein Traum war, machten mir diese Mädchen einfach nur Angst und ich war vor einigen Jahren Teil davon gewesen. In meinem Kopf malte ich mir aus was passiert wäre wenn die Tür sich nicht rechtzeitig geschlossen hätte.

"Es tut mir leid." Bis ich realisierte, dass ich angesprochen wurden war vergingen mehrere Sekunden. Ich wandte meinen Kopf in seine Richtung und musterte sein Profil. Er sah gut aus, keine Frage. Ausgeprägte Gesichtszüge. Rosafarbende Lippen. Er drückte noch ein paar Zahlen, sodass der Fahrstuhl nicht lange auf einer Etage verweilte. Schüchtern strich ich mir eine lose Haarsträhne hinter mein Ohr. „Ich möchte nicht, ehm, unhöflich sein, aber wieso bist du hier?", fragte ich mit immer noch vor Adrenalin zitternder Stimme. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar seufzte. „Ich habe einen guten Freund von mir gesucht. Er hatte auf keine Anrufe geantwortet und da habe ich mir Sorgen gehabt. Deshalb habe ich mich nach ihm umgehört und bin ihn hier, leider allein, suchen gegangen."

Bling. Der Fahrstuhl kam im Erdgeschoss an. Ich hatte selten Träume in denen ich wusste, dass ich träumte. Die Türen öffneten sich und ich sprang auf. "Raus", raunte der Braunhaarige und zog mich an der Hand in die große Eingangshalle. Überrascht über die unerwartete Berührung ließ ich mich mitziehen. Doch kaum hatten wir ein paar Schritte getan, hörten wir wieder Kreischen. Harry wirbelte mich einmal herum und rannte zurück zum Fahrstuhl. Wie in einer Trance stolperte ich hinterher und wäre fast in Harry reingerannt, als er ruckartig stehen blieb.

Boom. Schlagartig überkam es mich. Was wenn das kein Traum war? Ich konnte ja schlecht einen ganzen ermüdenden Arbeitstag geträumt haben. Oder war ich an meinem Schreibtisch eingeschlafen? Verdammt, wenn es doch real war?! Dann rannte ich gerade wirklich mit Harry fucking Styles durch die Gegend! Ich hörte seine Lieder, ich folgte ihm auf Instagram. Zwar war ich kein wirklicher Hardcore-Fan, aber trotzdem ein Fan. Holy shit! Aber jetzt war es Zeit meinen inneren Dialog zu beenden.

"Ahhh da ist eeeeeer!" Es begann wieder. Und diesmal hatten wir keine Chance. Hoffnungslos wurden wir immer weiter zurückgetrengt. Das erste Mal sah Harry mir richtig in die Augen. Seine waren von einem intensiven Grün. Grün war meine Lieblingsfarbe, erinnerte mich mein Gedächnis. "Es wird alles gut", sagte er, dann legte er seine Arme um meinen Rücken, was sich komischer Weise gut anfühlte und mir keineswegs unangenehm war. Als jedoch die Fans bei uns ankamen und ich das Gefühl hatte tausende Hände würden mich berühren, änderte sich das Gefühl in reine Panik. Ich hörte meinen Puls bis in den Hals schlagen. Nur am Rande bemerkte ich wie Harry uns immer weiter durch die Masse schob. Wie ein nasser Sack hing ich an ihm und drückte mein Gesicht in seinen schwarzen Pulli.

"Hör mir zu okay! In meiner von dir aus rechten Hosentasche befindet sich mein Handy. Du musst jemanden namens Mick anrufen, ja? Dann wird alles Gut", schrie er mir ins Ohr. Als Antwort nickte ich mit dem Kopf, was er wohl kaum sehen konnte, doch als ich ihn losließ knickte ich einfach weg. Überall wurden Fotos gemacht und ich fühlte mich wie...ich wusste es nicht. Einfach nur schlecht. Das konnte nur ein Albtraum sein. Mein Kopf brummte und ich sah alles verschwommen, als der Sänger mich im Brautstyle hochhob und an sich drückte. "Hey! HEY LEUTE! Seid ruhig. Bitte", schrie er in die Menge. Anscheinend musste man doch nicht Mick anrufen damit alles gut werden würde. Und tatsächlich wurde es so leise, dass ich mein eigenes Schluchzen hören konnte. Krampfhaft versuchte ich es zu unterdrücken und vergrub mein Gesicht erneut in seinem Pulli. "Wenn-" Es wurde wieder lauter aber Harry wartete einfach. "Wenn ihr wirklich meine Fans seit und mich so liebt wir ihr behauptet...dann macht ihr bitte, bitte den Weg frei und verfolgt mich heute nicht mehr, damit ich dem Mädchen helfen kann." Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, drehte er sich langsam mit mir in seinen Armen um sich selbst und blickte allen am nächsten stehenden Mädchen in die Augen. Als ich meinen Kopf hob sah ich es in den Köpfen der Fans rattern. Harrys Bitte erfüllen, sie würden schließlich alles für ihn tun oder es nicht tun und noch seine Gegenwart genießen, ihn dafür aber zu enttäuschen.

Zu meinem Glück erfüllten die meisten seine Bitte und bildeten eine Art Gasse, durch die der Braunhaarige ganz einfach hindurch schreiten konnte. Sofort sah Harry wieder etwas fröhlicher aus und das färbte auf mich ab. "Ist das deine Freundin Harry?", schrie eine rothaarige junge Frau in meinem Alter zu uns herüber. Gespannt auf seine Reaktion verdrehte ich halb meinen Kopf zu ihm. Natürlich wusste ich, dass wir uns noch nicht einmal kannten und deswegen die Frage totaler Schwachsinn war. Er lächelte sein Grübchen-Lächeln. "Wer weiß..."

Vor Schreck wäre ich fast runtergefallen, doch der Sänger hielt mich fest. Der Traum hatte seine guten Seiten. Schalk blitzte in seinen Augen auf, als sich unsere Blicke begegneten. Harry lehnte sich zu mir runter. "Ich glaube nicht, dass sie meine Bedingungen lange einhalten werden also...". Ich hob meine Augenbrauen. Sein Gesicht verweilte kurz vor meinem. "Hast du Pläne heute Abend?". Wir bogen um die Ecke und dann in eine Seitenkasse.

"I-ich habe viel ähm zu t-tun", stotterte ich. Mist, wieso stotterte ich?! Ich könnte dem Traum-Harry eine reinhauen und es wäre egal. "Ach ja?", erwiederte er daraufhin und strich mit seinen Lippen über meine Wange und dann meinem Hals. Ich keuchte auf. Scheiße, ich brauchte dringend mal wieder einen festen Freund wenn ich schon so etwas zusammen fantersierte. "Ich...nein."

"Gut." Ganz plötzlich stand ich wieder auf meinen Beinen. "Wir sehen uns um 21:00 Uhr wieder hier." Dann drehte er sich um, zog sein Handy aus seiner Hosentasche, quatschte irgendwas rein und bog aus der Gasse. Paralysiert starrte ich ihm nach, obwohl er schon längst verschwunden war. Zitternd stützte ich mich an die Wand. Erst war er gerade zu panisch gewesen, dann ein Gentleman und dann ein Arschloch. "Arghh!" Ich raufte meine Haare. Der ganze Tagtraum war einfach nur krass! Einen Blick auf meiner Uhr nach zu urteilen war ich in einer Stunde mit Niall Horan aneinander geraten, wurde von Josh stehen gelassen, traf Harry Styles im Fahrstuhl, wurde von Fanmassen fast erdrückt, zu einem Date eingeladen und erneut stehen gelassen. Wow. In einer dummen Stunde. War die Begegnung einfach Zufall? Wieso hatte ich Styles Einladung angenommen?! Schließlich war er letzendlich schon etwas dreißt gewesen und zu meinem Leiden wusste ich, wäre er weiter gegangen, hätte ich mich keinenfalls währen können. Ich wäre ihm komplett ausgeliefert gewesen. Und das machte mir Angst. Eine scheiß Angst. Richtig scheiß Angst. Noch besser: wieso hatte er Interesse an mir? Oder hatte er das gar nicht? Und trotzdem war ich versucht es anzunehmen, Gott weiß wieso. Und verdammt wieso stellte ich mir solche Fragen wärend ich träumte?

Doch langsam hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass ich mich in der Realität befand. Sonst wäre alles entweder mit einer Hochzeit oder mit Harrys oder meinem Tod ausgegangen. Und falls das alles wirklich echt war, dann war ich mir einer Sache gewiss. Er zog mich einfach an. Josh und ich hingegen waren wie zwei identische Pole. Wir waren gleich und brauchten einander, aber stießen uns gegenseitig ab. Harry war ein Magnet und ich war das Stück Eisen, das so dumm war sich in die Nähe des Magnetes alias Harry zubegeben.

Und leider beschlich schon nach so einer kurzen Begegnung das Gefühl, dass ich nicht so schnell wieder loskommen würde.

Honey - Never lie || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt