Kapitel 8 | Kreisende Gedanken

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|Kreisende Gedanken|

Die Tage im Krankenhaus waren ermüdend langweilig. Ich las insgesamt drei Bücher in insgesamt vier Tagen und freute mich auf ein Wiedersehen mit meiner Couch, die zuverlässig und treu wie sie eben nun einmal war, Zuhause wartete. Mum musste wegen wichtigen geschäftlichen Terminen in Paris nach drei Tagen abreisen, aber dafür kam mich Selena mehrmals besuchen. Sie war eine gute Freundin und Kollegin von mir und brachte mich mit ihrem Südländischen Temperament und offenen Art auf andere Gedanken. Die Diskussion die ich jedes mal mit Mrs Welsh (den Namen meiner Ärztin hatte ich mir tatsächlich gemerkt) führte, brachte mich immer wieder zum selben Punkt. Nämlich dass ich rein gar nichts hier zu entscheiden hatte obwohl ich das in Bezug auf mich eigentlich sollte, ich hier raus wollte, aber nicht kam und ich zwar einsah das Mrs Welsh richtig lag mit der Diagnose, dass es besser war wenn ich hier blieb, aber zu dickköpfig war es zu zugeben.

Bisher hatte ich keine einzige Nacht durchgeschlafen. Meist wachte ich schwer atmend und schwitzend auf nachdem ich von Zombiefansmutationen geträumt hatte.

Ein weiteres Problem war die Tatsache das ich mein Handy nicht fand und da heute Montag war, genauer gesagt Montag-Abend, hatte ich bestimmt schon tausende Emails allein von letzte Woche Freitag und heute. Unruhig rutschte ich auf dem Kissen auf und ab. Es machte mich irre hier zuliegen und nichts tun zu können. In diesem Moment klopfte es an der Tür. "Herein.", rief ich und stellte die Doku über Asien leiser. Eine Krankenschwester betrat das Zimmer und stellte eilig mein Abendessen auf dem Nachttisch ab. "Guten Appetit." , nuschelte sie und verschwand. Grummelnd streckte ich mich nach dem Tablett aus. Die konnte mir ja noch nicht einmal richtig in die Augen sehen. Missmutig schaufelte ich die labrigen Nudeln und die nach nichts schmeckende Tomatensoße in mich rein. Nach Teil drei der Asien Doku, war mir so langweilig, dass ich mich entschied schlafen zugehen, obwohl es erst acht Uhr war. Immer noch besser als Löcher in die Luft starren. Vorsichtig schwang ich meine Beine aus dem Bett und humpelte zum kleinen Bad. Es waren zwar nur Schürfwunden, aber jede Berührung oder Bewegung der aufgerissen Haut brannte höllisch. Ich betätigte mit Fingerspitzen den Lichtschalter und blickte in den Spiegel. Meine Haare waren fettig, die Augenringe tief und meine spröden Lippen waren zu einer geraden Linie verzogen.

Eigentlich dürfte ich mich nicht beschweren. Dafür das ich von einem Auto angefahren wurden war, ging es mir gut. Aber meine Albträume machten mir zu schaffen. Und meine Gedanken. Denn sie kreisten nun schon seit Tagen um eine bestimmte Person. Besser gesagt um zwei. Und das machte mich irre. Harry. Harry und Josh. Immer wenn ich an den brünetten Sänger dachte, kam mir sein Lächeln in den Sinn. Die Art wie er mit dem Zeigefinger und dem Daumen seine Lippe einklemmte wenn er nachdachte. Seine grünen Augen die leuchteten wenn er lachte. Wie schnell das Leuchten wieder verschwand wenn er augenscheinlich sich der Realität wieder bewusst wurde. Die Tatsache das ich ihn erst seit wenigen Tagen kannte, er mir aber doch so vertraut vorkam obwohl ich überhaupt nichts über ihn wusste. Und dieses komische Gefühl im Bauch. Das Gefühl etwas zu wollen. Etwas zu vermissen. Fakt war das dieses Gefühl jedes mal dann auftauchte wenn ich mir ihn ins Gedächnis rief, mein Atem schwerer ging und mein Herz stolperte bei dem Gedanken an seine da gewesene Nähe.

Aber dann war da noch Josh. Er war perfekt. Er war zuvorkommend. Ein Gentleman. Er wusste sich zu benehmen. Ich konnte ihm blind vertrauen und er mir. Josh gab mir die Sicherheit die ich brauchte. Er hatte für jedes Problem eine Lösung parat. Und mein Vater sah ihn jetzt schon als seinen Schwiegersohn. Joshua war der Vorzeigemitarbeiter und Vaters Aussage nach "Der beste Mann" seines Unternehmens. Josh's Familie war reich und einflussreich und sehr angesehen in den oberen Schichten der Londoner Society. Wahrscheinlich plante mein Vater in insgeheimen schon unsere Hochzeit. Und das nicht im guten Sinne. Denn wenn ich eins wusste, dann das mein Vater mich für komplett inkompetent hielt im Gegensatz zu Josh. Am liebsten würde er das Unternehmen nicht mir vererben, doch das ginge gegen die Tradition. Und meine Mutter, weshalb mir bewusst war das er nur zugerne eine Liierung haben würde. Und das war mir verdammt peinlich. Aber die "Vorliebe" , oder wie man es auch immer nennen konnte, die wir für Josh hegten war einer der wenigen Dinge in der wir uns einig waren. Auch wenn aus verschiedenen Gründen.

Seufzent wandte ich den Blick von meinen blau-grünen Augen ab und drehte den Wasserhahn auf. Wieso konte das Leben nicht EINMAL einfach sein. Sogar Musik hören konnte ich momentan nicht um mich abzulenken. Ruppig griff ich nach der Zahnbürste, bereute es jedoch sofort. Ein starkes Brennen durchfur meine Handinnenfläche und Knöchel sodass ich aufkeuchte und die Zahnbürste reflexartig fallen lies. "Verdammte Kacke!" , presste ich zwischen den Zähnen hervor. Mit nun zitternden Händen beugte ich mich steif, im Versuch meine Knie nicht zu berühren oder zu bewegen nach unten um sie wieder aufzuheben. Weitaus vorsichtiger klemmte ich sie lediglich zwischen Daumen und Zeigefinger, um mich anschließend langsam aufzurichten. Noch schlechter gestimmt als ich es davor bereits gewesen war, begann ich mich Bett-fertig zumachen. Ich verschwendete erst gar keinen Gedanken ans Duschen, denn Wasser und Seife taten noch mehr weh als Berührung allein. Blieb nur der Waschlappen. Völlig erschöpft von 20 Minuten stehen und etwas anderes als herumliegen zu tun, schlurfte ich nachdem ich das Licht im Bad ausgeschaltet hatte zurück zum Bett. Müde hob ich, natürlich mit Fingerspitzen, die weiße Bettdecke an und schlüpfte mit zusammen gepressten Lippen darunter. Ich fuhr per Knopfdruck die Lehne des Bettes herunter und schaltete die Nachttischlampe aus. Dann drehte ich mich auf die Seite und schloss die Augen.

Ich wachte von lauten Rufen und Stimmgewirr auf. Was war los? Orientierungslos setzte ich mich auf. Das kam von Draußen. Es dämmerte bereits. Ich warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch. 07:16. So ein Tumult so früh am Morgen. Ich war faul, aber ebenfalls neugierig und meine Neugierde siegte. Wie bereits am Abend davor bewegte ich mich vorsichtig aus dem Bett und ging langsam auf das auf Kipp gestellte Fenster zu. Vorsichtig öffnete ich es nun komplett und lehnte mich ein klein wenig vor um besser sehen zu können. Tatsächlich war es ein Tumult aus Menschen. Ich erkannte Passanten sowie Polizei und Presse. Aber vor allen Dingen sie. Die Zombies. Augenblicklich hielt ich die Luft an. Keine Panik, noch hat dich niemand bemerkt. Kläglich versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

Und dann sah ich die Locken. Natürlich, viele Leute hatten Locken. Aber wie viele davon trugen dazu so ein hässliches Blumenhemd. Nicht viele.

600 Reads?! *fällt in Ohnmacht*
Danköööööö<3

Honey - Never lie || h.s.Where stories live. Discover now