Kapitel 15 | Rosen

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|Rosen|
Denn dann sah ich die Fotos. Sie waren allesamt verschwommen und verwackelt und ich erschreckte mich fürchterlich als ich die Orte der Aufnahmen wiedererkannte. Und die beiden Menschen. Harry und ich. Ich und Harry. Überall. Immer wieder. Mal im Park auf dem Kiesweg, mal in der Nähe wo Harrys Auto gestanden hatte und mal in der Nähe der Gasse wo Camila mich "überfallen" hatte. Dieser Mensch war uns den ganzen Abend über gefolgt und ich hatte es nicht einmal gemerkt. Die Gesichter waren kaum zu erkennen, höchstens im Schein einer Straßenlaterne. Um Harry zu indentifizieren reichte es, aber bei mir konnte ich es nicht verstehen wie man durch diese Bilder auf meinen Namen kam, oder mich wiedererkannte. Richtig schocken taten mich jedoch nur die Kommentare. Es gab drei Arten davon. Erste und seltenste waren solch wie:

"Hauptsache Harry ist glücklich"
"Ich wünsche den beiden alles Gute @Harrystyles + @Mel_is_ina"
"Falls sie ein Paar sind, ich shippe die beiden jetzt schon...total süß"

Dann gab es noch die, die Fragen stellten. Manche neutral, manche nett und manche gemein.

"Wie heißt das Mädchen?"
"Woher kennt sie Harry denn? Sehen voll vertraut aus..."
"Was will die dumme Kuh eigentlich?! Macht sich voll an Hazza ran!"

Aber am schlimmsten war die letzte und häufigste Kategorie. Die wüsten Beleidigungen.

"Bitch"
"Bah, die ist total hässlich"
"Voll die Schlampe"
"Was findet Harry an der?! Die ist weder hübsch, noch sportlich oder nett. @HarryStyles komm lieber zu mir, als zu der."
"Ey, die wirft sich voll an Haz ran. Lass die mal lieber entfernen"

Ich fühlte mich elend. Den Rest des Tages verbrachte ich mit Netflix und Kuschelsocken, ebenso den nächsten. Die Schürfwunden an den Händen waren fast komplett geheilt und eine rosafarbene neue Hautschicht reichte mir bis zu den Handgelenken. Schleppend vollführte ich am Donnerstag meine Morgenroutine und saß pünktlich um 08:00 Uhr an meinem Schreibtisch. Ich arbeitete mich durch sämtliche Emails durch und schwupp - war es schon Zeit für die Mittagspause. Im Bistro besorgte ich mir ein Sandwich und ein Kaffee um mich dann auf der üblichen Bank vor dem Gebäude nieder zu lassen. Joshua hatte ich heute noch kein einziges Mal gesehen. Von wegen er vermisste mich. Gerade als ich auf dem Weg zurück nach drinnen war, wurde ich angerempelt. "Ey, pass doch auf!" Empört rappelte ich mich auf. "Melina, das tut mir leid. Ich hatte dich gesucht. Alles okay?" Es war Josh. Meine Wut verflog augenblicklich. "Jaja, passt schon." Der 26 Jährige zog mich in eine feste Umarmung, die mich rot werden ließ. Er umarmte mich total selten. "Warte, ich habe was für dich.", sagte er als wir uns lösten. Aus seiner Tasche zog er eine Schachtel Pralinen und eine Rose hervor. Beinahe wäre ich in Ohnmacht gefallen. "Josh das...das wäre doch nicht nötig gewesen.", hauchte ich. "Für dich immer." Lächelnd überreichte er mir beides. Ich hatte ihn wirklich vermisst, aber seit Harry in meinem Leben aufgetaucht war, war ich mir nicht mehr sicher was ich für Josh empfand. Alles war so verwirrend und verstrickt und einfach zum Haare raufen. Ich hasste Unklarheiten. "Duuu Josh...", sagte ich zögernd. Die Frage brannte mir schon die ganze Zeit auf der Zunge. "Wieso warst du eigentlich sauer? Oder bist, oder- ach keine Ahnung." Er lächelte milde. "Als du Horan", er spuckte den Namen beinahe aus, "rausgeschmissen hattest, was übrings echt mutig war, da hatte ich einfach angst, der Typ würde uns irgendwie verklagen und ich würde meinen Job verlieren... aber ich habe wohl überreagiert. Sorry." Nervös rieb er sich den Nacken. Mir fiel ein Stein vom Herzen. "Puhhh...also bist du nicht sauer?" Er schüttelte den Kopf. "Hast du vielleicht Lust heute Abend mit mir ins Kino zu gehen? Es läuft so ein neuer Action Film. Soll ganz gut sein." Mein Herzschlag verdoppelte sich. "Kl- klar." Er grinste. "Ich hole dich um 19:00 Uhr." Mit diesen Worten ließ er mich stehen. Summend machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Schreibtisch. Heute würde mich nichts mehr runterziehen. Aber da wusste ich noch nicht, wie der Rest des Tages aussehen würde.

○○○

Vier Stunden später, war mein Arbeitstag zu Ende und ich packte meine Sachen. In diesem Moment ging mein Telefon und am Klingelton erkannte ich wer es war. Missmutig nahm ich ab. "Hallo Vater." "Wir erwarten dich um Punkt 19:00 Uhr zum Essen.", sagte er ohne nur eine simple Begrüßung auszusprechen. "Wer ist wir und wo?", fragte ich versucht neutral. "Stell nicht so dumme Fragen. Deine Mutter und ich natürlich. Wir sind eingeladen und du und deine Begleitung werden ebenfalls erwartet." "Was für eine Begleitung?", fragte ich verdattert. "Der Präsident der Vereinigten Staaten. 19:00 Uhr. Herbstallee 74. Und wehe du bist unpünktlich oder hast nichts Angemessenes an. Deine Begleitung ist schließlich ein sehr anständiger junger Mann." Damit legte er auf. Ich schluckte und ließ das Smartphone sinken. Joshua. Wer sonst. Von wegen Kino. Er hatte es bestimmt gewusst. Bitter lachte ich auf. Ich hatte nicht vor mit Donald Trump zu erscheinen. Oder mit irgendjemanden sonst. Am Ausgang erwartete mich Joshua. "Melina, ich hatte noch vergessen dir zu sagen..." Ich ignorierte ihn und ging schnellen Schrittens weiter. Er setzte hinterher. "Mel, ich..." Wütend fuhr ich herum. "WAS?! Hattest du vergessen mir zu sagen, dass du nicht mit mir auf ein Date, sondern zu einem dummen Essen mit meinen Eltern und irgendwelchen, hochnäsigen, versnobten Leuten willst, oder was?!"

"Anders wärst du nicht gekommen!", erwiederte er. Ich sah rot. "Willst du mich eigenlich verarschen?! Was bekommst du dafür, hm? Ne' schöne Gehaltserhöhung von meinem Vater?" Er schüttelte den Kopf. "Antworte verdammt noch mal Joshua!" Ich hatte das Gefühl verraten geworden zu sein. Er blieb stumm. Ich wollte gehen, doch Josh wirbelte mich an meinem Handgelenk mit solchem Schwung wieder herum, dass ich gegen ihn taumelte und wir beide umkippten. Ich stieß einen kurzen Schrei aus und erwartete einen harten Aufprall, der jedoch abgefangen wurde. Der Blauäugige unter mir hiehlt mich immer noch fest umklammert und rang nach Luft. Unsere Nasen berührten sich fast und ich konnte seinen Atem an meinem Mundwinkel spüren. Das Eisblau seiner Augen fror mich fest und ließ den Moment erstarren. Mein Blick wanderte zu seinen Lippen. "Ich wollte dich schon küssen als ich dich das erste mal gesehen habe.", flüsterte er. "Tu's doch." Mein Mund war wie ausgedört und meine Stimme klang fremd. "Ich kann meinen Kopf nicht heben.", lachte er rau. Ich schmunzelte und beugte mich vor um den wenigen Abstand zwischen uns zu überbrücken. Unsere Lippen trafen sich. Es war schön und verdrängte die Kälte des Januarabends aus meinem Körper.

Zumindest war es schön bis zu dem Moment als ich den Kopf hob. Denn nur ein paar Meter entfernt stand wie angewurzelt Harry- mit einem Strauß Rosen in der Hand.

Honey - Never lie || h.s.Where stories live. Discover now