Kapitel 38 | Überraschung

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Vor einem Jahr habe ich das erste Kapitel dieser Geschichte veröffentlicht und um das zu zelebrieren, gibt es schon heute ein Kapitel. Viel Spaß!

-30. März 2019

|Überraschung|
„Knock knock." Ganz plötzlich ohne jeden Kontext. „Who's there?", stieg ich ein. „A little old lady", antwortete Harry. Während ich ohne nach zu denken „A little old lady who" antwortete, kramte ich meinen Schlüssel aus der Handtasche.

„All this time, I had no idea you could yodel." Ich sah zu Harry auf, der krampfhaft versuchte nicht über seinen eigenen Witz zu lachen.

„Die ganze Zeit wusste ich nicht, dass es erlaubt ist solche Hemden zu tragen", sagte ich grinsend und deutete auf sein Oberteil. "Ich meine, Flamingos, echt jetzt? Und dann noch im Februar!" Harry brach in Gelächter aus, ich stimmte ein und schloss die Tür auf. Drinnen zog er einen Schmollmund, als er sich seiner Boots entledigte und an die Seite kickte. "Findest du meine Hemden wirklich so schlimm?" Er schien es wirklich ernst zu meinen. Ich hing meine Jacke auf und überlegte kurz. "Ich denke jeder andere der sowas tragen würde sähe total lächerlich aus..." Lächelnd trat ich zu ihm und umschlang seine Mitte. "Aber dir steht das. Du könntest auch einen Kartoffelsack mit aufgedruckten Kätzchen tragen und sähest verdammt gut darin aus."

Nach einem kurzen Kuss, wandelte sich sein Schmollmund zu einem Grübchen-Lächeln. "Wir können uns ja zusammen tun...hellbraun steht dir sicher auch gut. Und gegen Katzen habe ich nichts einzuwenden." Lachend musterte ich die goldenen Sprenkel in seinen grünen Augen.

Plötzlich vernahm ich ein Räuspern hinter mir. Erschrocken wich ich von Harry zurück und wirbelte herum. Im Türrahmen zum Wohnzimmer stand meine Mutter. Ein seliges Lächeln zierte ihre Lippen, doch ihre Augenringe waren tief, welche der Zustand meines Vaters ihr beschert hatte. Ich blinzelte verwirrt und wurde etwas rot als ich realisierte, dass sie wohl die ganze Szenerie beobachtet hatte. "Hallo ihr beiden."

Ich konnte quasi spüren, wie Harry in den "charmant und höflich als wäre mein Gegenüber die Queen" Modus wechselte. "Guten Tag, Mrs Harris. Eine angenehme Überraschung, Sie hier wieder zu treffen", sagte er da auch schon und trat vor um meiner Mutter die Hand zu schütteln. Das rief mir in Erinnerung, dass er sie bereits flüchtig kannte, wobei ich mich etwas unwohl fühlte, weil ich nicht dabei gewesen war und nun ihr Verhältnis nicht einschätzen konnte.

Doch anscheinend war meine Mutter ihm schon jetzt komplett verfallen. "Harry mein Lieber, es freut mich auch dich wiederzusehen! Wie ich sehe läuft es gut, nicht?" Als Tochter könnte man erwarten angesprochen zu werden, jedoch schien mein Freund Priorität zu haben. Irgendwie fand ich es amüsant. "Ja, das tut es. Ihre Tochter ist äußert entzückend, wenn ich das sagen darf.", antwortete Harry und ich musste die Lippen zusammen pressen um nicht los zu prusten. Ich war also entzückend? "Ach bitte, nenne mich doch Danielle." Der Lockenkopf nickte. "Natürlich, Danielle." Wo waren wir hier, im 19. Jahrhundert? Ich verkniff mir jeglichen Kommentar, denn ich hatte eine Frage zu stellen. Wieso war meine Mutter hier?

"Ich bin auch noch da", meldete ich mich grinsend zu Wort und umarmte meine Mutter zur Begrüßung für einen kurzen Moment. Sie hielt mich eine Armlänge von ihr weg, um mir in die Augen sehen zu können. "Er behandelt dich gut, ja?" Mir schoss das Blut in den Kopf und ich konnte Harrys Blick deutlich auf mir spüren. "Mum!", rief ich empört über ihre direkte Frage. "Natürlich tut er das", setzte ich hinten dran, als sie meinen vorwurfsvollen Ausruf einfach ignorierte. Sie zwinkerte meinem Freund kurz zu. Daraufhin blinzelte ich die beiden etwas perplex an, dann fasste ich mich wieder. „Wollen wir statt uns hier zwischen Tür und Angel zu unterhalten, nicht lieber ins Wohnzimmer gehen?"

Nach einstimmigen Nicken, ging meine Mutter voraus und ließ sich auf dem Sofa nieder. Ich konnte ihr an der Nasenspitze ansehen, dass sie darauf brannte mir etwas mitzuteilen. „Haz, könntest du uns vielleicht einen Tee kochen? Das wäre super lieb", wandte ich mich an Harry. „Klar Honey", antwortete er lächelnd. „Teebeutel findest du im Schrank über dem Wasserkocher, ganz links." Schon war er in der Küche verschwunden.

„Also Mum, weshalb benutzt den Ersatzschlüssel und wartest in meiner Wohnung, anstatt einfach anzurufen?", wandte ich mich nun zu Danielle Harris, welche mit überschlagenen Beinen auf dem Sofa saß und alles stumm beobachtet hatte. „Brauche ich einen Grund, um meine Tochter zu besuchen?", erwiderte sie neckend. Ich zuckte mit den Schultern. „Nein, aber um ehrlich zu sein, bist du nicht die Art von Mensch, die etwas einfach so macht."  Sie verzog den Mund leicht. „Stimmt. Aber diesmal nur zum Teil. Ich habe gute Neuigkeiten!"

Im Hintergrund war nun das Brodeln des zukünftigen Teewassers zu hören. „Deinem Vater geht es viel besser! Die Ärzte meinen er ist auf einen guten Weg zur Genesung." Automatisch erschien ein breites Lächeln in meinem Gesicht. „Das echt toll! Ich werde ihn bald wieder besuchen."

„Das solltest du wirklich tun...du warst lang nicht mehr bei ihm." Ich fühlte mich schuldig. „Ja, ich weiß. Harry und ich haben in letzter Zeit viel miteinander gemacht. Er ist ja nicht mehr lange da." Überrascht zog meine Mutter eine Augenbraue hoch. Knapp erläuterte ich seinen Terminplan.

„Milch? Zucker? Oder trinkt ihr den Tee schwarz?", rief Harry in diesem Moment aus der Küche. „Einmal mit Milch und einmal schwarz für mich, bitte", antwortete ich, da mir Mutters Angewohnheit bekannt war. „Wieso kommst du nicht mit nach Sydney? Du wolltest früher immer nach Australien reisen und bis jetzt warst du noch nie dort", wechselte sie wieder das Thema. Nun ließ ich mich neben ihr nieder. „Ich wollte dich und Vater in seinem Zustand hier nicht alleine lassen." Mum seufzte und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Lina mein Schatz, das ist doch kein Grund. Wir kommen hier klar, das weißt du, sonst hättest du anstatt dich mit deinem Freund zu treffen, deinen Vater besucht. Wie ich dich kenne, traust du dich nur nicht." Als sie es so aussprach, wusste ich, dass sie damit nicht falsch lag. „Geh das Risiko ein! Schnapp dir deinen Traummann und flieg mit ihm in dein Traumland! Was hast du schon zu verlieren?"

Ich wollte gerade „Ziemlich viel" antworten, doch in diesem Moment betrat Harry mit zwei Teetassen das Wohnzimmer. „Einmal für dich, Danielle und einmal für dich, Honey", sagte er und stellte die dampfenden Getränke vor uns ab. Ich bedankte mich indem ich ihn für einen sanften Kuss zu mir zog, bevor er nochmal schnell in die Küche ging um seine Tasse zu holen.

„Vielleicht hast du wirklich recht", ließ ich meine Mutter wissen und nippte an meinem Tee.

Honey - Never lie || h.s.Where stories live. Discover now