18.

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Vollkommen überfordert von der Situation, realisierte ich zu spät, was passiert war. Ich hatte keine Chance mehr zu entkommen. Die beiden Mädchen hatten mich schon viel zu weit ins Innere der Lagerhalle geschleppt, wo sie aus mehreren Fluren und Etagen bestand. Trotzdem begann ich zu schreien und wild um mich zu schlagen.
Es würde mir nichts bringen- das war mir klar.„Au!",stieß Harriet aus, als sich meine Fingernägel in ihren Arm bohrten und die warme, klebrige Flüssigkeit zwischen meine Finger lief.
Auf der Stelle kickte mir Teresa ihren Ellenbogen in die Magengrube und ich zuckte stöhnend in mich zusammen.
Sie brachten mich eine eiserne, rostige Treppe hinunter, deren grüner Lag fast auf das letzte Bisschen abgeblättert war.
Im Kellergeschoss waren die Flure mit weißen, schmutzigen Neonröhren beleuchtet. Die ebenfalls weißen Wände waren von Spinnweben verhangen und von oben, bis zu den grauen Sockelleisten von braunem Dreck bedeckt. Alles in allem erinnerte es mich an eine heruntergekommenere Version des Hauptquartiers Wickeds.

Teresa lief voran auf eine dicke, graue Tür, am Ende des Korridors zu. Ihre Schritte hallten auf dem Boden wider.
Ich hatte das Gefühl, sie genoss es richtig, andere Menschen zu quälen und leiden zu sehen.
Sie schloss die Tür auf, zog den Riegel beiseite und schwang die wuchtige Metallplatten zu Seite. Harriet und Sonja verstärkten ihre Griffe um meine Arme und schleiften mich vorwärts.
Und ehe ich mich versah versetzten sie mir einen Schubs, ich stolperte in den Raum und die Tür flog zu. Man hörte das Schloss zufallen und den Riegel verschließen. Hart kam meine Rippen auf dem Boden auf und der Sturz quetschte die Luft schmerzhaft aus meinen Lungen, weshalb ich einen seltsam erstickten Laut hervor brachte.

Langsam setzte ich mich auf und sah mich um. Die einzige Lichtquelle in diesem Raum war eine rote Notleuchte über der Tür, dessen Schein gerade mal drei Meter weit reichte.
Wobei der Raum um einiges größer zu sein schien.
Soweit ich erkennen konnte, gab es hier nichts, außer glatte, öde Wände und eine Säule in der Mitte.
Ein Keuchen aus einer der hinteren Ecken ließ mich aufschrecken. Ich schaute mich um, aber konnte nichts erkennen, da das Licht nicht reichte.
„M-" Die Stimme wurde von einem Husten unterbrochen. „Mel.",krächzte es, begleitet von einem erneuten Hüsteln.
Langsam stand ich auf und stützte mich dabei an der Wand neben mir. Wie in Zeitlupe bewegte ich mich auf die Ecke zu, von der ich die Stimme zu hören vermochte.
„Thomas?",fragte ich leise in die Dunkelheit.
„Mel!",stieß er mit etwas Freude in der Stimme aus. Man hörte seine Bewegung, wie er sich aufrichtete und auf mich zu stürmen wollte.
Ein Rasseln ertönte und darauf ein dumpfer Knall, der durch das Aufkommen seines Körpers auf dem Boden erzeugt wurde, als er durch seinen Schwung zurück geschleudert wurde.

Ich kam bei ihm an und ging auf die Knie. Blind tastete ich mich auf dem Boden voran.
Der Beton war kalt und staubig.
„Thomas, was ist los? Was ist passiert? Warum kann ich nicht mehr mit dir sprechen?"
Er wusste sofort was ich meinte. Unsere telepathischen Fähigkeiten. Sie waren weg. Einfach verschwunden- Puff. Und weg.
Wie Zauberei.
„Weiß ich nicht. Ich...ich..du...es.." Seine Stimme lag voller Panik. Sie zitterte bei jedem Wort. Und ich wusste, dass ihm die Tränen in den Augen standen.
Meine Fingerspitzen erreichten ihn und tasteten sich an ihm nach oben, bis zu seinem Gesicht. Ich nahm es in meine beiden Hände und versuchte sein Gestotter zu beruhigen.
„Schhhhhhhhh....es ist okay."
Thomas atmete hektisch. „Nein...ist es nicht!"
Dabei schüttelte er seinen Kopf hin und her, als wolle er sich selbst von seiner Meinung überzeugen. „Ich hab die Lichter in Gefahr gebracht und im Stich gelassen. Und noch vor allem....ich hab dich enttäuscht!"
„Was?! Nein..."
Ich versuchte die Verzweiflung aus meiner Stimme zu halten, was mir nur halb gelang. Auch wenn Thomas es wahrscheinlich nicht sehen konnte, schüttelte ich meinen Kopf.
„Warum solltest du mich enttäuscht haben?"
„Weil...wir werden es nie schaffen"
Der Rest des Satzes blieb in der Luft hängen.
Thomas ließ seinen Kopf sinken.
„Ich hab euch alle in Gefahr gebracht.",haute er dem Boden zu.

Einen kurzen Moment hielt ich Inne, bevor ich meine Arme um den Hals meines Bruders schlang und mich an ihn drückte. Etwas anderes konnte ich nicht tun.
Er erwiderte die Umarmung und legte seine Arme um meine Taille, wobei die Ketten um seinen Handgelenken rasselten. Mittlerweile hatte ich verstanden, dass sie wohl fest in der Wand verankert sein mussten.
„Es tut mir leid",flüsterte Thomas.
Und dann weinte er.
Die Tränen stahlen sich nach und nach aus seinen Augen und tropften auf meine Schulter, auf welche er seinen Kopf gelegt hatte.
Und es war okay.
Ausnahmsweise war es okay zu weinen und Gefühle zu zeigen. Denn in diesem einen Moment musste er nicht den starken Anführer spielen und all seine Gefühle zurück drängen.
In diesem Moment durfte er schwach sein.
Und ich hielt ihn fest, in dem Gewissen, dass er es trotz den Tränen und dem Schluchzen nicht war. Er war wahrscheinlich ganz und gar der stärkste von uns allen, nachdem was er alles erlebt und mitgemacht hatte.

„Es ist okay.",flüsterte ich und strich über sein Haar. Es war staubig und fettig. Und erst jetzt bemerkte ich, wie lange wir alle uns nicht mehr gewaschen hatten. Oder etwas gegessen hatten. Vorsichtig löste ich mich von meinem Bruder und blickte ihm durch die Dunkelheit in die Augen, so gut es ging.
„Also,Thomas, was ist passiert?"
Er schien sich beruhigt zu haben, denn er atmete immer gleichmäßiger. Er ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand plumpsen.
Seine Hand suchte meine und führte mich neben ihn an die Wand, begleitet vom Rasseln seiner Ketten, damit ich neben ihm saß.
Seine Schulter drückte gegen meine. Seine Hand war rau und schwitzig, das kühle, rostige Metall der Manschetten um seinen Handgelenken berührte meine Haut.
Lange fühlte ich mich einem Teil meiner Familie nicht mehr so nah wie jetzt.
Mir wurde klar, wie viel Glück ich hatte, einen lebenden Bruder zu haben.

Ich hörte Thomas schlucken, dann sprach er: „Du warst einfach verschwunden und ich wollte dich zusammen mit Minho suchen gehen. Als wir draußen waren, und um die nächste Ecke gebogen sind, habe ich was über den Schädel bekommen. Später dann, als ich wieder zu mir kam, hatten mich diese Mädchen entführt. Diese Teresa hat etwas davon gesagt, dass sie früher ebenfalls für Wicked gearbeitet hat. Sie war mit einer Gruppe Mädchen in einem Labyrinth und hat exakt das selbe durchgemacht wie wir. Von der Box bis zum Labor mit den Toten. Nur das bei Ihnen plötzlich ein Junge aufgetaucht war."
Als Thomas mit seiner Erzählung fertig war und meine Hand drauf fest drückte, brannten mir so viele Fragen auf der Seele, dass ich sie garnicht alle hätte äußern können.
Also begann ich mit der einfachsten:„Wie sind sie in die Brandwüste gekommen?"
„Das hab ich sie auch schon gefragt",seufzte mein Bruder. Demnach hatte er darauf keine Antwort.
„Und was wollen sie damit erreichen, dass sie dich entführt haben."
Ich spürte Thomas Augen auf mir. Ich rechnete damit, dass er jeden Moment schnauzen würde, woher er das wissen solle und ob ich noch weitere sinnlose Fragen stellen wollte. Stattdessen seufzte er erneut und drehte seinen Kopf beim sprechen zu mir:„Sie wollten es mir erst verraten, wenn sie dich auch haben. Anscheinend sind wir besonders wichtig."
„Aber sie haben gesagt..."
„Dass sie dich nehmen und mich freilassen? Ja, richtig. Das war ein Witz. Von wegen mich im Tausch gegen dich. Diese beklonkte Abmachung hat doch kein bisschen Wahrheit."
Ich nickte.
„Das haben wir uns schon gedacht. Deswegen haben wir ja auch einen Plan B gehabt...."
„Und?"
„Hätte er funktioniert, würde ich jetzt nicht hier sitzen.",fuhr ich Thomas patziger an, als ich eigentlich wollte.
„Stimmt. Hättest du ausnahmsweise mal einen funktionsfähigen Plan entworfen, würden wir jetzt nicht hier unter vor uns hin gammeln!",brüllte Thomas schon fast.
„Ist ja gut.",beschwichtigte ich und stand auf.
„Sorry. Ich kann nur nicht länger hier sitzen und nichts tun."
Als wolle er seine Aussage unterstützen, zog er an seinen Ketten, sodass sie rasselten.
„Dann brauchen wir einen Plan...einen wasserdichten."

Learn to Lose (Maze Runner ff Newt)Where stories live. Discover now