Kapitel 8 - Nacht der Nächte

153 8 0
                                    

Susette schnappte nach Luft, sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie war außerhalb von Hogwarts. Sie hatte lange überlegt, wie sie ausbrechen sollte. Da war die Idee von einem gezauberten Seil in ihrem Kopf gewesen, doch dann war sie nur aus dem Schloss selbst draußen und noch nicht über der Mauer. Sie hätte auch einen Trank brauen können, welchen ihre Fußsohlen so klebrig machte, dass sie Wände hinauf und hinunter gehen könnte. Doch die einfachste Idee war ihr natürlich erst kurz vor ihrem geplanten Start eingefallen: Ihr Besen. Es war ein Nimbus 2001, welchen sie sich von ihrem eigens verdienten Geld als Kellnerin in einer alten, schäbigen Kneipe, zusammen gespart hatte. Sie hatte einige Ferien lang durcharbeiten müssen, aber dann hatte sie die Galleonen beisammen gehabt. Ihre Mutter hielt von Quidditch nicht viel, daher hatte sie nie auch nur angedacht ihrer Tochter etwas Geld dazu zu geben. Sicherlich gab es auf Beauxbatons sportliche Aktivitäten, aber die Quidditch-Teams waren klein und da es auf dieser Schule keine Häuser gab, hatten sich gerade mal zwei Gruppen zusammen gefunden. Mit diesen beiden Gruppen konnte sich Susette nicht identifizieren, so waren die einen eine arrogante Gruppe aus gesponserten Tussis die nur ihre, wahrscheinlich selbst Quidditch spielenden, Väter glücklich machen wollten und die anderen ein unfaires Team, welches ihre eigenen Regeln erfand und bei denen ein gebrochenes Bein zum Training dazu gehörte. Einen Schiedsrichter mussten sich die Teams für ihre Spiele selbst suchen, meist waren es daher Schülerinnen aus höheren Klassen, die meist aber schon eine Präferenz für das gesponserte Team an den Tag legten, schließlich könnte ja bei einem Sieg ein Geschenk als Dank dabei herausspringen. Susette hatte diese Mädchen an ihrer alten Schule gehasst und alleine trainiert, auch wenn das schwierig gewesen war. Aber ein Besen an sich war auch für andere Zwecke nützlich, so konnte sie ganz einfach vom Eulenturm aus starten. Den Weg dorthin hatte sie sich von Draco gemerkt und desto später es wurde, desto weniger Lehrer liefen durch das Schloss. Nur Filch und seine rotäugige Katze waren durch die Gänge geschlichen. Eine ersten Stopp legte sie schon beim Eulenturm ein, denn wie sie schon auf dem kleinen Ausflug mit Draco bemerkt hatte, war dieser Ort mondbeschienen, wenn keine Wolken ihr Vorhaben verderben würden. Doch die Nacht war klar. Als Susette oben am Eulenturm ankam, wartete Mystral schon auf sie. Er saß dort, blinzelte ihr ein Mal kurz zu und sah sie mit seinen dunklen Knopfaugen an. Susette kraulte ihn leicht, doch sie hatte heute keine Zeit für ihren tierischen Freund. Die Hosentasche ihrer gemütlichen Schlafanzughose hatte sie mit einem Ausdehnungszauber verzaubert, sodass so einiges hineinpasste, was sie nun vorsichtig heraus holte. Als erstes ein kleines Kristallfläschchen, in dem der Zaubertrank gebraut werden müsste. Sorgsam legte sie es vor sich auf den Boden und beachtete genau, dass Mondlicht auf die Stelle fiel. Aber es war Vollmond, wie es vorgesehen war, und das Licht des Mondes war besonders hell. Endlich konnte Susette das Alraunenblatt aus ihrem Mund nehmen, welches dort nun schon einen Monat gelegen hatte. Kurz sah sie das Blatt angeekelt an. Es hatte sich mit Speichel vollgesogen, aber genau so stand es in der Beschreibung und in den Lehrbüchern. Das Blatt, schmierig und schleimig wie es nun war, glitt perfekt in das kleine Fläschchen hinein. Immer noch im Mondlicht kramte Susette aus ihrer Tasche eine kleine Schere heraus und schnitt ihrem Haar einige Spitzen ab, welche ebenfalls in das Kristallfläschchen kamen. Sie stockte, abgelenkt von ihrem Zaubertrank und dem ungewohnten freien Gefühl in ihrem Mund hatte sie gar nicht mehr darauf geachtet leise zu sein, und nun hatte es leise geknackt. Das Mädchen schrak zusammen, doch es tat sich nichts mehr auf der Treppe hinter ihr. Sie hatte sich wohl getäuscht und auch Mystral saß mit halb geschlossenen Augen neben ihr und beobachtete nur ihr treiben, ganz und gar nicht verschreckt, so wie sie es war. Susette kramte weiter in ihrer Tasche und fischte schon bald die große Kiste heraus, die sie unter ihrem Bett versteckt hatte. Sie war groß und schwer, aber genau richtig für die Aufbewahrung einer Zutat, die einige Zeit im Dunkeln verbringen musste. Doch so war es bei dem kleinen Fläschchen Tau, von dem sie nun genau einen Silberlöffel voll in ihr Fläschchen gab. Diesen zu besorgen war ein Aufwand gewesen, sie hatte im frühen Morgengrauen, vor allen anderen Schülern, aufstehen und auf den Wiesen vor Beauxbatons umherlaufen müssen. Zum Glück hatte sie gewusst, dass diese Wiesen voller Tau sein würden, aber es war trotzdem ein beschwerliches Unterfangen gewesen, einen ganzen Löffel dieser Substanz zu ergattern. Jeden Tropfen hatte sie einzeln von den Grashalmen aufsammeln müssen. Aber es hatte sich gelohnt, hier saß sie nun im Mondlicht und mischte den schwierigen Zaubertrank zusammen. Langsam gab sie die letzte Zutat hinein, ein Totenkopfschwärmerkokon. Diesen hatte sie aus der Privatsammlung ihrer ehemaligen Lehrerin gestohlen, zusammen mit einigen anderen Zutaten um nicht auffällig zu wirken. Dabei war sie auch erwischt worden, hatte aber gerade noch rechtzeitig den Kokon in ihrer Frisur verstecken können, denn ihre Taschen waren daraufhin natürlich ausgeräumt worden.

Der Trank war nun fertig, aber er sah noch aus wie eine leicht grünliche, durch den Kokon aber braune Suppe. Er musste erst noch reifen, und das wusste Susette. Hierfür hatte sie den Besen dabei, denn sie brauchte einen stillen, dunklen Ort. Doch wo würde sie diesen finden? Schnell packte sie ihr aufgehäuftes Gerümpel zurück in die Hosentasche, ebenso das Kristallfläschchen. Sie erhob sich in die Lüfte und war schon bald außer Sichtweite, für jeden, der in Hogwarts aus unbestimmten Gründen nachts aus dem Fenster sehen würde. Als Susette dachte, nun weit genug geflogen zu sein, entdeckte sie am Rande des verbotenen Waldes einen Baum. Er stand ein wenig abseits von den anderen und war auch deutlich anders geformt. Daphne hatte heute Abend noch von einer peitschenden Weide erzählt, der man besser nicht zu nahe kam. Andere nützliche Tipps für Hogwarts hatte sie natürlich auch auf Lager gehabt, aber an diesen erinnerte Susette sich jetzt, wo sie den magischen Baum sah, natürlich zurück. Sie landete ein gutes Stück vor diesem Baum. Die Luft war hier unten ein wenig wärmer als auf dem Eulenturm oder hoch oben in der Luft, doch auch hier fröstelte Susette leicht. Sie hätte sich wohl doch richtige Kleidung anziehen sollen, statt nur den Mantel über ihre Schlafsachen zu werfen. Langsam näherte sie sich der Weide, diese schien gar nicht so böse und gemein zu sein wie Daphne sie beschrieben hatte. Sie schlich sich langsam an und zeigte mit ihrem Zauberstab auf einen Punkt auf der Erde vor ihr. Leise murmelte sie einen Zauberspruch, den sie sich für diesen Moment zurecht gelegt hatte und wie von selbst wurde ein kleines Loch gegraben. Susette hatte das Gefühl, dass der Baum schlief und so versuchte sie keinen einzigen Laut von sich zu geben, als sie die Truhe aus ihrer Hosentasche zog und das Kristallfläschchen mit ihrem Zaubertrank darin verstaute. Leise, ganz leise verstaute sie die Kiste in der passenden Grube und war einen letzten Blick auf ihren Trank, bevor sie den Deckel schloss. Ein metallenes Geräusch ertönte, als das Schloss einschnappte, welches bestimmt einige Meter weit zu hören war. Es war, als erwachte der Baum und Susette musste einem großen, dicken Ast ausweichen. Jetzt kam es ihr eher so vor, als hatte die Weide sie die ganze Zeit belustigt beobachtet um sie jetzt mit ihren Ästen zu verdreschen. Keine Sekunde zu spät schwang Susette ihr Bein über den Besen und war abgehoben, sodass ein zweiter Schlag eines Astes sie ebenfalls verfehlte. Sie wollte einfach nur weg fliegen, diesem Ungetüm entkommen. Doch das Loch war noch offen und die Kiste darin gut erkennbar. Schnell flog sie einige Kreise um den Baum, versuchte den Schlägen zu entkommen und als sie ein Mal nah genug an ihrer Grube vorbei sauste, konnte sie ihren Zauberstab ziehen und das Loch magisch verschließen. Erde schichtete sich langsam aber sicher über die Kiste und Susette warf einen letzten Blick auf den Boden, der nun wieder aussah wie vorher. Doch bei diesem Blick hätte sie nicht bremsen sollen, die letzten Triebe eines Astes der Weide klatschten ihr ins Gesicht und verursachten einige Kratzer. Der leichte Schmerz veranlasste Susette nun wirklich diesen Ort zu verlassen und auch die Weide schüttelte sich nur noch ein Mal, wobei einige gelb-rote Herbstblätter auf den Boden rieselten und das Versteck ihres Schatzes nun endgültig begruben.

Zwei Drachen (Harry Potter Fanfiction)Where stories live. Discover now