Kapitel 25 - Flug und Fall

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Die Nacht war kalt und der Wind peitschte um das ungewöhnliche Paar. Susette war anfangs von ihrer Kraft begeistert gewesen, sie konnte tatsächlich ohne Besen fliegen. Es war ein berauschendes Gefühl gewesen. Draco jedoch verzog keine Miene, auch wenn er Susettes Animagus sehr bewunderte. Sie flogen schon eine Weile einfach so dahin, Susette hatte einen guten Rhythmus gefunden, in dem sie ihre Flügel schwingen konnte und gut voran kam. Sie wollte auf keinen Fall zu viel Energie verbrauchen, sie mussten es schließlich bis nach Hogwarts schaffen. Einfach nur auf das Gelände des großen Schlosses, Dumbledore oder ein anderer Lehrer der dort geblieben war würde sie sicher in Empfang nehmen. Und Susette war sich auch sicher, dass Dumbledore es ganz und gar nicht schlimm finden würde, dass sie bei ihrer Flucht nicht den erlaubten Hogwarts-Express genommen hatten. Draco schwieg und Susette brachte eh nichts anderes als ungewöhnlich klingende Schrei hervor. Man hörte nur das Auf und Ab der Flügel im Wind, während dieser durch die Bäume des Waldes unter ihnen fuhr. Sie flogen schon eine ganze Weile. Der beginnende Wald war ein gutes Zeichen, denn sobald dieser aufhörte und der verbotene Wald begann, waren sie in der Nähe der Internatsschule. Susette hatte Glück, dass sie das Gebiet schon ein Mal von oben gesehen hatte und in etwas die Richtung kannte, in die sie fliegen mussten. Innerlich dankte sie ihrer Mutter, dass sie damals die protzige Kutsche genommen hatten, auch wenn sie es zu diesem Zeitpunkt für unangebracht gehalten hatte. Eine kleine Rauchwolke kam aus ihren Nüstern und schlug ihr wegen des Fahrtwindes direkt ins eigene Gesicht. Es hatte ein Seufzer werden sollen, doch Susette hatte in dieser Sekunde gar nicht an ihre veränderte Form gedacht. Sie wusste, dass sie sich nun konzentrieren musste und nicht an ihre Mutter denken durfte. Sie würde nur unnötig Kraft verschwenden, wenn sie unaufmerksam war oder sich in die Wut auf ihre Mörder hineinsteigerte. Und dabei verstand sie sogar, warum Snape nicht hatte eingreifen können, denn sonst wäre an diesem Tag noch ein weiterer Mensch gestorben. Snapes Erinnerungen waberten noch immer durch ihren Kopf und auch wenn sie nicht daran denken wollte, sie tat es dennoch. Sie war so viel mehr in Lord Voldemorts Schreckensherrschaft verwickelt, als sie es jemals gewollt hatte. Sie war nach Hogwarts gekommen um ihren Traum wahr zu machen und die beste Hexe in Zaubertränke und Verwandlung zu sein. Sie hatte forschen wollen, ihre eigenen Zaubertränke entwickeln und als Katzen-Animagus oder Vogel-Animagus die Geheimnisse des Schlosses entdecken wollen. Und nun war ihre Mutter tot und sie floh als Drache, mit ihrem Freund, Fast-Freund oder ihrer Affäre, je nach dem wie man es bezeichnen sollte, auf dem Rücken zurück zu ihrer sicheren Schule. Wieso musste bei ihr immer alles komplizierter sein als eigentlich nötig? Sie stockte in ihren Gedanken, denn ein seltsames Gefühl eroberte ihren Körper langsam aber steigt. Es begann in ihren Klauen und fuhr langsam ihre Beine entlang, es war als kribbelte ihr ganzer Körper. Als hatte sie viele heiße Blasen in ihrem Körper, die versuchten nach Außen zu gelangen. Susette zwang sich, nicht darauf zu achten und die gleichmäßigen Flügelschläge bei zu behalten, doch bald schon wurden diese unregelmäßig und beinahe krampfhaft. Unter ihnen begann der verbotene Wald, das erkannte Susette an den dunkeln Bäumen und der gruseligen Atmosphäre, die sogar hier oben in der Luft vorherrschte. Es war ein ganz schlechter Zeitpunkt für das Gefühl, fand Susette. Als die Blasen immer stärker in ihrem Körper zu spüren waren, als wäre sie selbst ein blubbernder, überkochender Zaubertrank, erschrak das Mädchen innerlich und zuckte so sehr zusammen, dass es auch Draco auf seinem Rücken bemerkte. Er sah sie nur fragend an, doch bekam logischerweise keine Antwort von ihr. Susette erinnerte sich wieder an den Zaubertrank, den sie eingenommen hatte. Er hatte schon diese brodelnde Textur gehabt, als er in der Flasche war, vielleicht bekam er sie wieder, wenn er aufhörte zu wirken? Sie wusste es nicht, schließlich hatte sie den Trank nie mit Snape ausprobiert, sondern nur gebraut. Zu dem brodeln und blubbern, welches ja noch auszuhalten gewesen wäre, kam nun aber auch noch ein stechender Schmerz, als würde jemand Nadeln in sie hinein rammen. Sie biss die großen Zähne zusammen und strengte sich an, ihre Flügel dennoch zu bewegen. „Wir haben es fast geschafft!" hörte sie die Stimme von Draco nun und achtete wieder kurz auf die Umgebung. Sie hatte sich tatsächlich richtig orientiert, denn am Horizont tauchte ein ihnen bekanntes Schloss auf. Dracos Stimme zu hören, vor allem noch mit dieser guten Nachricht, motivierte Susette und trotz ihrer schmerzenden Knochen und dem köchelnden Fleisch schlug sie schneller mit ihren Flügeln und brachte sie weiter voran. Doch mit jedem geschafften Meter wurde es schwieriger, jede einzelne Bewegung tat weh und es war, als schrie ihr Körper sie an, sich zurück verwandeln zu wollen. Susette konnte aber nicht auf ihn hören, wenn sie es sicher nach Hogwarts schaffen wollten. Sie musste durchhalten, das musste sie einfach. Sie würde sich nicht wundern, wenn die Todesser das Verschwinden des jungen Malfoys und seiner Begleitung entdeckt hätten und irgendetwas dagegen tun wollten. Zudem kam da noch der Sturz aus dieser Höhe dazu. Einige weitere Flügelschläge und ihr wurde langsam schwarz vor Augen. Ihr Körper schaltete sich offenbar langsam ab, er konnte nicht mehr gegen die Schmerzen und das Verlangen der Rückverwandlung kämpfen. Susette brachte es noch zu Stande über den Hof des großes Schlosses zu kommen, dann sah sie nichts mehr und ihre lahmen Glieder bewegten sich kein Stück mehr. Draco hatte schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt, doch hatte nicht gewusst wie er ihr helfen sollte. Auf den glatten Schuppen hatte er schon Mühe gehabt sich darauf zu halten, auch für ihn war es klein leichter Flug gewesen. Natürlich nicht zu vergleichen mit Susettes Erlebnis, doch da aus ihrem Maul nur Rauch gekommen war, hatte Draco von ihr auch keine Hilfe-Schrei oder ähnliches gehört. All die Qual hatte sich in ihrem Inneren abgespielt und sie war deutlich zu stolz gewesen, es nach Außen zu tragen. Erst als sie über Hogwarts schwebten und mit einem mal der große, schwere Körper des Drachen wie ein Stein zu Boden fiel, wusste Draco, dass er nicht schnell genug gehandelt hatte. Er fiel ebenfalls in die Tiefe.

Diesmal handelte er rechtzeitig und zog seinen Zauberstab aus dem Ärmel und flüsterte ein paar Worte. Sogleich erschienen auf dem Boden des Hofes magische Wolken, die sich immer weiter auftürmten und Susette, die sich im Fall langsam zurück verwandelt hatten, und Draco auffingen. Langsam brachten sie die beiden auf den Steinboden und legten sie dort ab, keinen Moment danach waren sie auch schon wieder in ihre Bestandteile zerfallen. Draco lag auf dem Rücken und sah in den Himmel. Anders als Susette, die ihre Augen geschlossen hielt, hatte er den Fall miterlebt und atmete erst ein Mal ein und aus. Sein Atem wurde in der kalten Luft sichtbar und sein Herz klopfte ihm bis zu Hals. Er drehte seinen Kopf weg von dem grauen Himmel und sah zu Susette. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, sie trug wieder nur ihre Schlafsachen und musste ohne Schuhe ziemlich frieren. „Wir haben es geschafft!" sagte Draco und seine Stimme klang ungewöhnlich fröhlich und befreit. Er rappelte sich auf und war noch etwas wackelig auf den Beinen, doch er konnte stehen. Er lief die paar Schritte, die ihn von Susette trennten und kniete sich neben sie. „Susette?" fragte er, als er ihr die Hand an die Wange legte. Er hoffte, dass sie die Augen aufmachen, ihn anlächeln und einen Spruch wie ‚Ich hab es dir doch gesagt!' loslassen würde, doch sie tat es nicht. Ihre Haut war kalt wie die Luft um ihn herum. Draco sagte nichts, er konnte nichts sagen. Er hatte sie doch vor dem Sturz gerettet, sie war weich gefallen und dürfte keine inneren Verletzungen haben? „Anapneo." sagte er dann stotternd und sprach so einen Zauberspruch aus, der die Atemwege befreien sollte. Vielleicht lag es ja daran? Er versuchte auch ‚Episkey', obwohl sie keine gebrochenen Knochen zu haben schien. Auch ein schwarz-magischer Heilzauber, den ihm sein Vater gelehrt hatte, brachte rein gar nichts. Letztendlich sackte Draco neben ihr zusammen und sein Kopf fiel auf ihre Brust. Kein Herzschlag, es war totenstill auf dem Hof. „Das darf einfach nicht sein." flüsterte Draco mit zitternder Stimme und schloss die Augen, während die Tränen nur so aus seinen Augen quollen. Sie waren doch der Gefahr entkommen, was war nur passiert. In seinem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn und langsam richtete er sich auf. Doch mehr als neben ihr zu knien, die kalte Hand in seinen eigenen, brachte er nicht zu Stande. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit die er dort saß und jede einzelne Entscheidung seines Lebens in Frage stellte, die er im Zusammenhang mit dem neuen Mädchen auf Hogwarts getroffen hatte. Langsam begann es zu schneien und kleine Schneeflocken ließen ihr honigblondes Haar noch weiter funkeln. In diesem Moment, als er sie ansah, wie ihr Körper immer weiter von feinstem Schnee bedeckt wurde, wusste er, dass er nie wieder froh werden würde.

In der grauen Masse des Himmels erkannte man nach und nach eine schwarze Figur auf einem Besen. Leicht wie eine Feder setzte die Person auf und schlug ihren Umhang zurück, bevor sie den teuer aussehenden Besen, der eigentlich eines der magischen Artefakte der Malfoys war, einfach auf den Boden fallen lies. Es war Snape, dem die Flucht nicht entgangen war. Er hatte die Verfolgung der beiden aufgenommen, nur damit es die anderen Todesser nicht taten. Eigentlich hatte er schon längst wieder umdrehen wollen, dem dunklen Lord eine unlogische Erklärung aufgetischt und gehofft, dass dieser ihn dafür nicht bestrafen würde. Ihm bot sich ein Bild, wie er es selbst schon aus einer anderen Perspektive gesehen hatte. Ein lebloser Frauenkörper auf dem Boden und ein Mann mit gebrochenem Herzen, der nicht begriff was passiert war. Er hatte sich schon zugestehen müssen, dass Susette ihn an seine geliebte Lily erinnerte und nun erinnerte ihn auch noch der junge Malfoy an ihn selbst. Er wusste ganz genau was passiert war, er hatte schließlich mit den Todessern das Haus nach Draco durchkämmt und auch die zerbrochene Flasche gefunden, durch die immer noch einige blubbernde, dunkelrote Partikel gesprungen waren. Er wusste, wie dieser Zaubertrank wirkte und dass er bei vielen Anwendungen schon zum Tode geführt hatte. Und er wusste auch, dass er falsch gelegen hatte, dass die Prophezeiung wahr werden würde, wenn sie weiter in Malfoy Manor blieb. Denn offensichtlich, hatte seine eigene Handlung sie dazu verdammt, das sonst doch so falsche Kauderwelsch von Professor Trelawney zu erfüllen. Er hatte sie doch nur beschützen wollen, dachte er, während ihm eine einzelne Träne über die Wange rollte und von seinem Kinn tropfte.

Zwei Drachen (Harry Potter Fanfiction)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon