Die Kiste

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Ich weise Adam den Weg in einen kleinen Wald. Wir müssen stehen bleiben und die restlichen Meter zu Fuß gehen. Ich habe, seitdem wir weg gefahren sind, kein Wort mehr gesagt. Mein Kopf kocht über, aber ich versuche es einfach abzustellen. Als wir am Ende des kleinen Waldweges ankommen, liegt vor uns eine Lichtung mit einem See. Es ist nicht besonders warm und leicht diesig draußen, aber es sieht trotzdem wunderschön aus hier. Ich nehme Adams Hand und ziehe ihn hinter mir her zu einer großen Buche. Ich gehe einmal drumherum und finde tatsächlich, was ich gesucht habe. Ich muss schmunzeln. Das "A" was ich hier hinein geritzt habe, als ich ungefähr 14 war, ist immer noch gut sichtbar. Ich streiche mit meiner Hand darüber. Meine Gedanken beruhigen sich ein wenig und fange mich wieder. 

Aria: Hier bin ich früher immer hin gefahren, wenn es mir zuhause zu viel geworden ist. Wenn ich Stress mit meinen Eltern hatte, oder ich einfach mal abschalten musste.

Adam: Dann steht das A also für Aria.

Er streicht darüber und muss ein wenig lachen. 

Aria: Ja, ich war ein Teenager, als ich das gemacht habe. 

Auch ich muss jetzt kichern. Er zieht mich an sich und drückt mir einen Kuss auf den Kopf.

Adam: Es ist wirklich schön hier. 

Aria: Ja, ich vermisse diesen Ort ein wenig. 

Wir stehen kurz da und schauen einfach nur über den See, da fällt mir wieder meine kleine Kiste ein. 

Aria: Wenn wir Glück haben, dann finden wir noch etwas wieder, was ich vor Jahren mal hier verbuddelt habe.

Adam: Du hast einen Schatz verbuddelt?

Aria: Nein, mehr eine Zeitkiste, in der Sachen drin sind, die mir damals wichtig waren. 

Adam: Die MUSS ich sehen. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, wie du als Teenie warst.

Wir beide müssen lachen. Ich schaue mich um und suche nach dem Haselnussstrauch, unter dem ich die Kiste damals vergraben habe. Er ist zwar nicht mehr so klein, wie damals, aber er ist noch da. Ich überlege, wo ich sie ungefähr vergraben habe und fange an mit den Händen die Erde ein wenig weg zu schaufeln. Adam hilft mir. Wir sehen zwar gleich aus, wie zwei kleine Kinder, die im Matsch gespielt haben, aber das ist es wert. Als wir schon ein paar Zentimeter tief sind, spüre ich eine Kante. Das könnte sie sein.

Aria: Ich glaub ich hab sie hier. Hilf mir hier noch etwas tiefer zu buddeln.

Wir graben noch etwas weiter und tatsächlich. Meine kleine Kiste kommt zum Vorschein. Ich hatte ganz vergessen, dass es eine Backstreetboykiste war und muss kichern als ich sie sehe. Adam schaut noch einmal genau drauf und fängt dann lauthals an zu lachen. 

Adam: Du standst auf die Backstreeboys?

Aria: Ich korrigiere: Ich STEHE auf die Backstreetboys.

Wir müssen beide noch lauter lachen. Wie ich diese Kiste vergöttert habe. Wenn Adam mein Zimmer damals gesehen hätte, dann wäre er vermutlich weg gerannt. Komplett dich geklebt mit Postern. Selbst meine Bettwäsche war von den Backstreetboys. Ich streiche die Kiste noch ein wenig sauber und betrachte sie noch kurz. Ich kann mich noch an ein paar Dinge erinnern, die ich rein gelegt habe.

Adam: Na los, mach sie schon auf. Ich will die Teenie-Aria kennen lernen. 

Ich muss kichern und öffne die kleine Blechdose vorsichtig. Das erste, was zum Vorschein kommt ist Mein Lieblingsbuch "Die unendliche Geschichte". Ich habe immer noch ein Exemplar zuhause stehen. Ich gebe es Adam und grinse ihn an.

Adam: War klar, dass ausgerechnet dieses Buch in der Kiste ist. 

Er gibt mir einen Kuss auf die Wange. Dann schaut er noch einmal rein und zieht einen Tamagotchi heraus. 

Adam: Wie konntest du ihn einfach eingraben und verhungern lassen? 

Ich gebe ihm einen Hieb in die Seite. Er tut so, als wäre er völlig niedergeschmettert. Wir holen noch ein paar andere Sachen heraus. 

Eine CD - natürlich die Backstreetboys.
Ein paar Freundschaftsbänder.
Ein paar Fotos von mir und meinen Freunden.
Ein paar Fotos von meinem Zuhause.
Einen Zauberwürfel. 

Aber das war noch nicht alles. Zwei Dinge die ich aus meinen Gedächtnis verbannt hatte, lagen noch in der kleinen Kiste. 

Ein Brief und eine Kassette


ADAMS SICHT:

Als sie die Kassette und den Brief heraus holt, schweifen ihre Gedanken in ein anderes Universum ab. Sie starrt die beiden Dinge in ihren Händen an.

Adam: Ist alles in Ordnung?

Sie antwortet nicht. Sie starrt noch immer die beiden Dinge an. Dann schaut sie plötzlich zu mir auf. Tränen stehen in ihren Augen. Ich ziehe sie in meine Arme. 

Adam: Willst du mir erzählen was das ist? 

Sie redet noch immer nicht. Sie weint einfach nur und presst die beiden Dinge an ihren Körper. Die Neugier in mir wird immer größer. Ich möchte wissen, was sie so zum weinen bringt. Dann löst sie sich von mir und gibt mir die Kassette in die Hand. Es steht nichts drauf. Dann nimmt sie den Brief und faltet ihn auf. Sie liest. Ohne ein weiteres Wort reicht sie mir das Blatt, auf dem zwar nur wenige Worte stehen, die aber wirklich mehr als deutlich machen, warum sie weint.

Meine kleine Aria,

Vergiss nie, wer du bist und was du sein möchtest. 
Verfolge deine Träume.

Ich hab dich lieb.

Nana


Der Brief, oder besser, die kleine Notiz kommt von offensichtlich von ihrer Großmutter. Die, von der sie ihre kleine Ukulele geschenkt bekommen hat. Was allerdings auf der Kassette ist, bleibt bisher noch ein Rätsel. Ich nehme Aria wieder in den Arm. 

Aria: Meine Nana war die einzige, die immer an mich geglaubt hat und dich mich wirklich geliebt hat. In dem Jahr, als ich die Kiste vergraben habe ist sie verstorben. Auf der Kassette ist mein erstes Lied drauf, was ich komplett gespielt habe. Meine Nana hat mich damals aufgenommen, als ich es ihr vorgespielte.

Sie weint noch immer. Dann wischt sie sich die Tränen weg, rappelt sich ein wenig auf und schaut mich an.

Aria: Nana hätte nicht gewollt, dass ich hier stehe und heule wie ein Baby. Sie hätte gesagt ich soll meine Arschbacken zusammenkneifen und weiter machen. 

Ich muss lächeln. Ihre Großmutter scheint wirklich cool gewesen zu sein. Wir laufen noch ein wenig umher, ich schaue mich um und beschließe noch einmal mit ihr zurück zur Buche zu gehen. 

Aria: Was hast du vor?

Ich sage nichts und schmunzle nur. Aus meiner Hosentasche ziehe ich ein Taschenmesser heraus. Natürlich habe ich immer eins dabei. Dann suche ich Arias A und ritze eine kleine 2 oben drüber. Also A². Sie lächelt mich an. 

Aria: A hoch 2?

Adam: Ja, wir sind ja jetzt 2 As und AA klingt ein bisschen blöd findest du nicht? 

Sie muss kichern.

Aria: Es ist auf jeden Fall einzigartig. 

Dann kommt sie zu mir rüber und streckt sich zu mir hoch. Ihre Lippen berühren meine ganz sanft.

Aria: Danke, dass du das alles mit mir durch machst. 

Adam: Natürlich, dafür musst du dich nicht bedanken. 

Wir machen uns wieder auf den Weg zum Auto. Aria erzählt mir einige Anekdoten über ihre Großmutter. Diese Frau war der Wahnsinn. Auch wenn Aria nicht leiblich mit ihr verwandt ist, ich finde doch einige Charakterzüge wieder, die auch ihre Nana hatte. Und es freut mich zu wissen, dass sie doch jemanden hatte, der immer an sie geglaubt hat. 

Mittlerweile hängen wir wieder auf dem Highway. Aria schläft. Sie ist von der ganzen Aufregung so erschöpft, dass ihr die Augen einfach zu gefallen sind. Ich denke noch einmal über meinen kleinen Plan nach, ihr die Frage aller Fragen zu stellen. Dabei muss ich vor mich hin lächeln. Mein Blick huscht zu ihr rüber. Diese wunderschöne Frau wird hoffentlich schon bald meine sein. 


Adam Part 1 - Is It LoveWhere stories live. Discover now