Kapitel 8 - Martha

1.2K 83 2
                                    

Zufrieden mit mir selbst setze ich das Siegel auf den letzten Auftrag, den ich von zu Hause mitgenommen habe. Es ist heikel, dass ich weiterhin für meinen Vater arbeite, aber es wäre auch auffällig, es nicht zu tun. Mit meinem Weggang aus der Schreibergasse und meiner Ankunft hier im Schloss darf sich so wenig wie möglich verändern, damit unser Geheimnis unentdeckt bleibt. So oder so muss ich heute bei meinem Vater vorbeischauen, um die fertigen Aufträge abzugeben und die neuen von ihm zu holen. Und ich freue mich sehr darauf, ihn zu sehen. Zuerst jedoch steht mir noch eine Anprobe für die Ballroben bevor, zu meinem Bedauern mit meinen Schwestern, und eine weitere steife Sitzung für das Portrait.

Sorgfältig verschließe ich all meine Utensilien in der Truhe und läute dann nach Bettina, damit sie mich ankleidet.

***

Als ich eine Stunde später an Hennas Tür klopfe, wird sie prompt geöffnet und meine Schwester strahlt mir entgegen. „Wie schön, dass du da bist, Marlene. Ernestine hat schon wunderbare Ideen für deine Garderobe", plappert sie munter drauflos und zieht mich in ihren Empfangssalon, der in einem munteren Zitronengelb gehalten ist. Tatsächlich ist Esther schon rege dabei, Entwürfe, Skizzen und Vorschläge der Schneiderin durchzugehen und mit der Vielfalt an Stoffen, Bändern und Spitzen zu kombinieren, die auf dem Boden verteilt sind.

„Was halten Sie von diesem Brokat, Edle Dame?", wird sie soeben von der Schneiderin gefragt, die Beifall heischend einen tannengrünen Stoff ins Sonnenlicht hält. Esther verzieht pikiert das Gesicht. „Auf keinen Fall! Diese Farbe habe ich erst vor einem Monat auf der Soirée des Grafen von Stauffen getragen. Außerdem ist die königliche Familie der Gastgeber, das heißt, dass wir als Repräsentantinnen etwas glamouröser auftreten müssen. Dieser Stoff wäre zum Beispiel angemessen, ein Kleid daraus wird bei Kerzenschein ganz reizend aussehen." Stilsicher zieht sie einen gold-ockerfarbenen Stoff mit Silberfäden aus dem Materialwust. Die Schneiderin beschränkt sich daraufhin auf begeisterte Zustimmung und verbannt die Farbe Dunkelgrün aus dem Blickfeld meiner ältesten Schwester. Während diese noch beschäftigt ist, malt Henna mir in den schillerndsten Farben ihre Robe aus, was seltsamerweise meine Laune hebt. Auch wenn sie mir oft zu sorglos und ein wenig naiv erscheint, so ist Henna doch der Mensch im Palast, bei dem ich mich am wohlsten fühle.

Nach geschlagenen dreißig Minuten habe ich mich von meinen Schwestern zu einem roten Kleid überreden lassen und stehe mit ausgebreiteten Armen auf einem kleinen Podest, um meine Maße nehmen zu lassen. „Du wirst einfach wunderschön aussehen, Marlene. Prinz Eventus wird auch ganz begeistert von dir sein." Ich runzele die Stirn und blicke Henna an. „Wieso sollte ich ihn mehr interessieren als irgendwer sonst?", frage ich alarmiert. Auch Esther hat aufgehorcht. Henna windet sich ein wenig unter unseren Blicken. „Nun ja, ich habe gesehen, dass er gestern bei dir war." Na toll! Jetzt habe ich auch noch die volle Aufmerksamkeit der Schneiderin und ich bin sicher, dass bald die ganze hohe Gesellschaft bescheid weiß. „Warum war er bei dir?", fragt Esther eindringlich und wieder sehe ich unverhohlenen Neid in ihrem Gesicht. „Mach gefälligst weiter", schnauzt sie die Schneiderin an, die bei dem Satz meiner jüngeren Schwester mit dem Maßband in der Luft erstarrt ist. Dann fixiert sie sich wieder auf mich. Was soll ich ihr antworten? Kurz überlege ich, das alles mit einem harmlosen „Er wollte mich willkommen heißen" abzutun, aber Esther wird mir das nicht abnehmen. Es gehört zu ihrer unangenehmen Art, solche Unwahrheiten zu wittern. Ich räuspere mich unschlüssig. „Ich hatte beim Modell sitzen Besuch", beginne ich und beobachte genau die Mimik meiner ältesten Schwester, um zu sehen, an welchem Punkt sie begreift, was ich ihr sagen will. „Besuch?", hakt sie nach und sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. „Von wem? Eventus?" Ich schüttele den Kopf. „Nein. Aber...fast." Ich sehe, wie die Erkenntnis bei ihr einrastet, während Henna immer noch von einer zur anderen blickt wie ein Schaf.

Die HofdameWhere stories live. Discover now