Kapitel 18 - Martha

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Ich wippe nervös auf und ab. Das Adelsregister der Familie von Kron wiegt schwer in dem Samtbeutel, den ich immer noch bei mir trage. Ich habe lange überlegt, wie ich das Buch transportieren soll. Die Chronik ist so groß und schwer, dass die rechteckige Form sich deutlich durch meine Tasche abzeichnet. Ein Risiko, was mir Nervenflattern verursacht. Sollte Prinz Eventus aus irgendeinem Grund auf meine Accessoires achten, werde ich ganz sicher in Erklärungsnot geraten. Ich hatte auch überlegt, das Register irgendwie unter meinem weiten Rock zu transportieren, mich aber dagegen entschieden. Dadurch, dass das Studierzimmer des Prinzen rund um die Uhr bewacht wird, kann ich nur hineingelangen, wenn er selbst darin ist. Und das bedeutet wiederum, dass ich nur Sekunden haben werde, um die beiden Bücher zu vertauschen. Sekunden, die ich nicht damit verschwenden kann, unter meinem Reifrock herumzukramen.

Der Lakai, der nach meiner Bitte um ein Gespräch mit dem Prinzen im Studierzimmer verschwunden ist, tritt wieder heraus und nickt mir zu. „Seine Hoheit hat ein paar Minuten für Sie, Edle Dame." Ich versuch mich an einem Lächeln, das nicht so ganz gelingt und betrete durch die Tür, die hinter mir geschlossen wird, den Raum, den ich doch eigentlich ganz gerne mag, der heute jedoch Beklemmungen in mir auslöst. Eventus thront hinter seinem großen Schreibtisch und beendet das vor ihm liegende Schriftstück mit einer Unterschrift, bevor er sich erhebt und mich mit einer eleganten Verbeugung willkommen heißt.

„Fräulein Marlene, was für eine Überraschung, Sie erneut hier empfangen zu dürfen", beginnt er und bemüht sich um einen heiteren Tonfall. Dass mein Besuch ihn jedoch ein wenig nervt, höre ich trotzdem heraus. „Womit kann ich Ihnen dienen?"

Ich blicke scheinbar verlegen zur Seite und mustere dabei eingehend die Bücherregale. Wenn ich Adalmar Glauben schenke, dann muss es sich bei dem Register der Familie von Kroesus um ein in rotes Leder gebundenes Buch handeln, etwa sechs Zentimeter breit und mit goldenen Lettern beschriftet. So jedenfalls sieht dasjenige aus, welches ich bei mir trage.

„Nun, Hoheit, es ist mir ein wenig unangenehm, hier einfach so hereinzuplatzen, aber ich bin ein wenig beunruhigt seit dem Ball gestern." In Gedanken hake ich das erste Regal direkt neben der Tür ab. Darin befinden sich lediglich einheitliche schwarze Nachschlagewerke. Ich trete langsam ein paar Schritte in den Raum hinein. „Aber wieso denn?", fragt Eventus geduldig. „Sie haben sich ganz hervorragend verhalten. Unsere Gäste waren begeistert von Ihnen und Sie haben dem Hof und der Königsfamilie alle Ehre gemacht."

Das zweite Regal ist etwas ungeordneter. Ich kneife die Augen zusammen, um die Bücher besser fokussieren zu können. „Ich danke Ihnen, Hoheit. Aber meine Beunruhigung galt mehr Ihrem Bruder. Ich kam nicht umhin, zu bemerken, dass er wohl anwesend gewesen sein soll." Das scheint das richtige Stichwort gewesen zu sein. Ich habe einen wunden Punkt getroffen in meiner gespielt naiven Art. Seine Ruhe und Geduld sind dahin. In ihm kocht eine Wut hoch, die er zu verbergen versucht. Doch es gelingt ihm nicht ganz. Unruhig beginnt er, auf und ab zu tigern. Ich nutze diese günstige Gelegenheit, in der er mit sich selbst beschäftigt ist, und trete an das Bücherregal.

„Ja, dieser Mistkerl, bitte entschuldigen Sie meine Wortwahl, folgt seinen ganz eigenen Regeln. Auch ich war bestürzt, dass er sich auf diese große Veranstaltung getraut hat. Und nun bin ich besonders bestürzt, da Sie anscheinend davon beunruhigt wurden. Dabei sollte es doch ein schönes Fest für Sie werden." „Oh, es war ein schönes Fest", beeile ich mich zu sagen und löse meinen Blick von dem Regalbrett, um ihn einen Moment anzusehen und nicht verdächtig zu erscheinen. Und genau in diesem Moment sehe ich es. Eventus hat sein Auf- und Ablaufen inzwischen aufgegeben und sich an die Tischkante seines Schreibtisches gelehnt. Hinter seinem Schreibtisch erhebt sich eine Bücherwand mit dunklen, verstaubten Wälzern. Und aus diesen dunklen Einbänden heraus sticht ein knallroter Ledereinband mit einer römischen 25 in goldenen Lettern.

Die HofdameWhere stories live. Discover now