Kapitel 23 - Martha

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Maurice wippt ungeduldig auf seinen Fußballen auf und ab. Er ist voller Tatendrang und unglaublich stolz, einen eigenen Auftrag, ja sogar so etwas wie einen Botengang übertragen zu bekommen. Ich weiß aus all den Jahren, in denen mein Vater seine Aufträge erhielt, dass Boten intelligente, ausgebildete Männer sind, die sich und die ihnen anvertrauten Nachrichten verteidigen können, die das Gesicht des Hofes sind und das volle Vertrauen der Königsfamilie besitzen. Kein Wunder, dass mein Page strahlt, als wäre er soeben geadelt worden.

„Also, Maurice", fahre ich fort und bemühe mich um eine angemessene Strenge, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ich vertraue dir diese kleine Holzkiste an." Ich deute auf die Truhe mit meinen Schreibutensilien. Das Notizbuch von Adalmar trage ich bei mir, aber für Feder, Tinte und Papier ist es zu gefährlich, um noch länger bleiben zu können. Nach der großen Durchsuchung vertraue ich nicht mehr darauf, dass meine Gemächer sicher genug für dieses Geheimnis sind. Und da ich den Palast nun offiziell nicht mehr verlassen darf, muss ich wohl die Hilfe der einzigen Menschen annehmen, denen ich unumstößlich vertraue. Und das sind Bettina und Maurice.

„Ich möchte, dass du sie ohne Umwege zu meinem Zuhause in der Schreibergasse bringst. Wenn du gefragt wirst, was darin ist, dann sagst du, es seien Erinnerungsstücke, die ich nicht mehr bei mir haben wolle." Mein Page runzelt die Stirn. „Und was ist wirklich darin, Fräulein Marlene?" Ich blicke ihn eindringlich an. „Das hat dich nicht zu interessieren. Ein Bote schützt stets das Geheimnis seiner Auftraggeber. Unwissenheit gehört dazu, ebenso wie die große Ehre derer, die verantwortungsvoll und treu sind. Ich hoffe, das bist du."

Maurice richtet sich stolz zu seiner vollen schlaksigen Größe auf. „Jawohl, Edle Dame." Ich verkneife mir ein Lächeln. Ein Appell an sein Pflichtbewusstsein wirkt Wunder. „Gut. Wenn du bei meinem Zuhause bist, dann sprich mit Margot. Sie ist das Hausmädchen. Du sagst ihr, dass es für den Inhalt der Truhe nicht mehr sicher genug ist. Du sagst, dass ich mit dem aufhören muss, was ich bisher getan habe und du sagst ihr auch, dass sie meinen Vater dazu bringen soll, finanzielle Hilfe vom Palast anzunehmen. Notfalls muss sie es hinter seinem Rücken tun. Und schließlich versichere ihr bitte, dass sie sich um mich keine Sorgen machen muss. Hast du alles verstanden?"

„Sicher, Edle Dame! Der Inhalt ist nicht sicher und Sie müssen aufhören, etwas zu tun und Ihr Vater soll Geld nehmen und niemand soll sich Sorgen machen...", rattert der Rotschopf eilig herunter. Ich muss schmunzeln. „So in etwa. Versuche, es etwas geordneter und in mehreren Sätzen zu formulieren. Aber ansonsten sehr gut. Fühlst du dich der Aufgabe gewachsen?" „Ja, Fräulein Marlene", versichert Maurice aufrecht und es fehlt nur noch, dass er salutiert. Ich überreiche ihm feierlich die Truhe und er trägt sie davon, wie das höchste Gut auf Erden. Vielleicht würde er sich eines Tages wirklich gut machen als Bote.

Ich lasse mich mental erschöpft in dem rosafarbenen Sessel nieder. Bettina hat wirklich ganze Arbeit geleistet und meine Räume wieder so hergerichtet, wie sie einmal waren. Nichts erinnert mehr an Verwüstung und Zerstörung. Aber in mir hat sich etwas verändert. So scheußlich der Salon auch ist, er war mein Zufluchtsort in diesem Palast. Ein Raum, in dem ich allein sein konnte und zu dem nur derjenige Zutritt hatte, den ich einließ. Doch das hat sich geändert. Im Grunde bin ich auch hier nicht sicher vor Manipulation, Intrige, Drohungen und Eindringlingen. Dies ist kein Ort mehr, an dem ich mich wohlfühlen könnte. Und doch kann ich froh sein, dass ich noch hier bin und nicht bei Titus, im Verlies.

Es hat schnell die Runde gemacht, dass der Prinz wieder eingekerkert ist. Ich habe mitbekommen, wie die Höflinge darauf reagieren. Die meisten sind erleichtert und ausgelassen, als wäre Titus ein Schatten gewesen, der ihnen Angst macht und sie verfolgt. Henna hatte diese Angst offenbar nicht. Sie meinte nur: „Er wird es wohl verdient haben", und zupfte im nächsten Moment schon wieder an einem Faden ihrer Stickerei. Esther blieb überraschenderweise kommentarlos. Mit einem Satz lenkte sie das Thema auf eine anstehende Festlichkeit im Palastgarten und unterband jeden weiteren Kommentar.

Die HofdameWhere stories live. Discover now