Kapitel 40 - Martha

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Titus stürzt aus dem Raum und allein an seinem Gesichtsausdruck kann ich sehen, dass das Ende dieser Verhandlung nicht ganz so reibungslos gelaufen ist. Ich mustere ihn besorgt. „Du hast Ärger bekommen. Wegen mir", stelle ich fest und seine Gesichtszüge glätten sich augenblicklich. „Nein, es liegt nicht an dir", erwidert er. „Diese Herren sind teilweise einfach nur borniert. Sie ruhen sich auf ihrem Adelstitel aus und denken, das macht sie zu besonders schlauen Ratgebern. Auch wenn du nicht gekommen wärst, hätte sich ihr Unwillen früher oder später über mir entladen. Ich habe einige von ihnen entlassen. Das muss ihr Selbstbewusstsein erst einmal verkraften." Ich hebe die Augenbrauen. „Entlassen? Geht das so einfach?" Er zuckt mit den Schultern. „Ein König muss mit den Menschen zusammenarbeiten, denen er vertraut. Und ich vertraue wirklich nur denjenigen, die bisher einwandfreie Arbeit geleistet haben. Da ist ein ehemaliger Kapitän, dessen Art mir sehr gefällt."

Ich lege den Kopf schief. „Und das alles machen sie mit, obwohl du offiziell noch nicht König bist?" Er lächelt. „Du weißt doch, ich habe einen ziemlich einmaligen Onkel."

Einen Augenblick noch verweilt das Lächeln auf seinen Lippen, dann schweifen seine Gedanken ab und sein Blick richtet sich in die Ferne. Der ärgerliche Ausdruck von eben ist wieder da. Offensichtlich ist doch mehr vorgefallen, als er mich wissen lässt. Etwas, das ihn beschäftigt. Ich seufze. „Du kannst mir ruhig sagen, wenn mein Auftritt ungünstig war. Ich hatte nur jemanden gefragt, wo du bist und hatte nicht die leiseste Ahnung, dass du gerade mit einem Dutzend wichtiger Leute zusammensitzt und ich eure wichtige Konferenz störe. Ehrlich gesagt, fühle ich mich ziemlich schlecht und egoistisch deswegen."

Sofort habe ich wieder seine volle Aufmerksamkeit. „Hör auf. Du bist der selbstloseste Mensch, den ich kenne. Und wenn meine schlechte Laune etwas mit dir zu tun hat, dann nur in dem Zusammenhang, dass diese engstirnigen Adligen nicht sehen wollen, was du geleistet hast." Ich muss mir ein Lächeln verkneifen. Das sieht ihm ähnlich, sich darüber aufzuregen, dass ich nicht genügend gewürdigt werde.

„Sei nicht so streng mit denen. Sie wissen, dass sich einiges ändern wird und haben Schwierigkeiten, dir damit zu vertrauen. Niemand kann wissen, zu was für einem Menschen du dich in zwei Jahren entwickelt hast. Und ihnen muss klar sein, dass es für sie noch viel schwieriger wird, dein Vertrauen zu gewinnen. Das ist wohl eine Lebensaufgabe." Einen Moment lang scheint er nachdenklich, dann blickt er mir tief in die Augen. „Du hast es geschafft, dass ich dir vertraue. Und das, obwohl es vor all diesen Wochen und Monaten noch eine viel schwierigere Aufgabe gewesen ist. Du hast es geschafft, dass ich Hoffnung habe." Ich schlucke, weil ich die Spannung zwischen uns schon körperlich spüren kann.

„Martha", fährt er sanft fort, „du bedeutest mir mehr, als ein Mensch mir jemals bedeutet hat." Mein Herz krampft sich zusammen. Ich möchte das alles so gerne hören. Aber wie kann ich das zulassen, wenn ich mich mit jedem Wort von ihm mehr und mehr an eine Zukunft hänge, die ich vielleicht nie haben werde? „Titus", beginne ich zaghaft, „ich weiß nicht, ob du dir über so etwas überhaupt im Klaren sein kannst. Du hast jahrelang isoliert gelebt, wie kannst du wissen..." Er bringt mich mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. „Hör auf. Ich kann mir sicher sein." Ich spüre seine Hand auf meiner Taille, merke, wie wir uns immer näher kommen.

„Ich bin mir sicher", raunt er. Unsere Gesichter nähern sich, Zentimeter für Zentimeter. Doch bevor er mich küssen kann, wende ich meinen Kopf zur Seite, sodass seine Lippen nur meine Wange streifen. Auch wenn es mich Überwindung kostet, schiebe ich ihn bestimmt von mir.

Ich sehe Enttäuschung in seinen Augen aufblitzen. „Was ist los, Martha?", fragt er, als könne er wirklich nicht verstehen, was in mir vorgeht. Ich senke den Blick. „Titus, ich muss dich davor bewahren, einen Fehler zu machen. Du wärst nicht der Erste, der Dankbarkeit mit Zuneigung verwechselt. Und ich bitte dich, zu akzeptieren, dass mir momentan sehr viel durch den Kopf geht. Ich weiß nicht, ob ich hier bei Hofe eine Zukunft habe, meine offizielle Verlobung ist gerade erst gelöst worden und ich habe eine Schwester, die mit deiner Resozialisierung schuldig gesprochen wurde." Ich weiß, dass es nicht richtig ist, all das als Argumente aufzulisten, weil diese Gedanken in Wahrheit doch überhaupt nichts mit meinen Gefühlen zu tun haben. Aber es ist der Weg, der mich und ihn schützen soll.

Die HofdameOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz