6. Warum Bücher manchmal furchtbar langweilig sind...

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Ich war ziemlich sicher, dass Hill sich dafür rächte, dass ich so unfreundlich zu ihr gewesen war, denn das Einzige, das auf dem ziemlich modernen, I-Pad ähnlichem Gerät war, dass mir irgendein gelangweilter Agent später vorbei brachte, war "Das magische Baumhaus". Ich hatte die Bücher mit etwa vier alle durchgelesen und hatte sie selbst dann nicht sonderlich spannend gefunden. Ausserdem konnte ich mich noch gut genug daran erinnern, was darin passierte, nicht dass das viel wäre. Die Bücher waren in Schriftgrösse 16 oder grösser geschrieben und stinklangweilig. Die grösste Herausforderung, die die Lektüre an mich stellte, war, dass ich dem Verlangen widerstehen musste, das Pad sofort genervt an die Wand zu werfen.

Frustriert tippte ich wieder auf den Rand des Bildschirms, blätterte die virtuelle Seite um und las die nächsten paar Sätze durch. Es war offensichtlich, was als nächstes geschehen würde. Es war immer offensichtlich. Ich verbrachte schlussendlich mehr Zeit damit, mir die nächsten Sätze im Kopf zurechzulegen, wenn die Seite gerade zu Ende gegangen war und ich noch nicht umgeblättert hatte, nur um immer und immer wieder davon enttäuscht zu werden, wie langweilig und banal sie in Wirklichkeit waren. Ich schaffte nur noch einige Sätze mehr, dann seufzte ich und legte das Pad weg. Noch ein Satz und ich würde die Glaswand hochgehen, so genervt war ich. Noch nicht einmal ein Sachbuch hatte mir Maria Hill eingespeichert, ich wäre zu diesem Zeitpunkt sogar dankbar für ein Buch über Biologie gewesen, auch wenn ich dieses Fach eigentlich nicht ausstehen konnte. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht das Pad dazu benutzen konnte, ein bisschen in dem Intranet von Hills Organisation herumzuschnüffeln, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Ich war hier gelandet, weil ich irgendwo herumgeschnüffelt hatte und meine virtuelle Codenase in ein System hineingestreckt hatte, dass mich nichts anging und diesen Fehler würde ich nicht noch einmal machen. Jedenfalls nicht jetzt. Um das zu wagen, würde ich mich noch ein wenig gedulden, bis mir so langweilig war, dass ich es einfach nicht mehr aushalten konnte. Das würde ziemlich sicher nicht mehr allzu lange gehen.

Ich legte mich auf das, wie ich jetzt bemerkte, ziemlich unbequeme Klappbett und starrte die Decke des Raumes an, in dem meine Glaszelle stand. Wenigstens hatten die Nachwirkungen des Betäubungsmittels endlich nachgelassen. Da ich offensichtlich eine ganze Menge Zeit hatte, begann ich zu grübeln, was ich vorhatte. Wie wollte ich Hill davon überzeugen, dass ich den Hacker nicht kannte? Ich war ziemlich sicher, dass ich sie nicht überzeugt hatte und sie sehr genau wusste, dass ich sie angelogen hatte. Wie würde ich hier also überhaupt je wieder herauskommen? Der Gedanke, dass Hill mich vielleicht tatsächlich erst wieder herauslassen würde, wenn ich ihr die Wahrheit über den Hacker gesagt hatte, machte mir Angst. Ich hatte zwar nie gewusst, was ich einmal gerne werden würde, aber ich war sicher, dass mein Lebensziel nicht daraus bestand, gelangweilt in einer Zelle zu sitzen. Ausserdem, da Hill etwas von "Kontrolle über den Hacker" gefaselt hatte, standen meine Chancen, nach Hause zu kommen, noch einmal schlechter. Wenn sie erfuhr, dass ich es gewesen war, die diese Hacks durchgeführt hatte, vielleicht würde sie mich dann sofort als Staatsfeind Nummer 1 abstempeln. Für einen kurzen Moment zögerte ich. Jedes Mal, wenn ich an eine Autorität in dieser Organisation dachte, dann war Hill diejenige, die ich für verantwortlich hielt. Wahrscheinlich stimmte das aber gar nicht und sie war nur ein kleiner Fisch... Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass Maria Hill tatsächlich niemand war, der wirkliche Befehlsgewalt hatte. Sie war nur so eine Art Unterhändler. Vielleicht konnte mir dieses Wissen irgendwie weiterhelfen.

Allerdings war das nicht der Grund, warum ich aufstand auf und gegen das Glas hämmerte, als wüsste ich nicht, dass ich sowieso schon beobachtet wurde und hoffte, dass einer dieser Leute in den seltsamen Vogeluniformen, die ab und zu vorbeikamen, mich entdecken und mir zuhören würde.
Wäre ich Mitglied in einer so dubiosen Organisation wie der, die mich entführt hatte, ich hätte einen Gefangenen, ich machte mir keine Illusionen darüber, den ich war genau das, nie unbeobachtet gelassen und da ich keine Aufpasser aus Fleisch und Blut sah, folgerte ich daraus, dass es Kameras geben musste, mit denen man micht überwachte.

Stark Chronicles: First TryWhere stories live. Discover now